Rz. 90

Bei Verträgen wie dem Aufhebungsvertrag erstreckt sich das gesetzliche Schriftformerfordernis auf den gesamten Vertrag einschließlich der Parteien und aller wesentlichen Nebenabreden. Formbedürftig sind also alle den Vertragsinhalt bestimmenden Abreden, also z. B. auch Regelungen über eine Abfindung oder den Verzicht auf andere Ansprüche (Ausgleichsklausel).[1] Hat eine Nebenabrede wesentliche Bedeutung für den Aufhebungsvertrag, kann die Nichteinhaltung der Schriftform für die Nebenabrede nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Aufhebungsvertrags führen.

 

Rz. 91

Nach der Andeutungstheorie (vgl. Rz 10, 88) muss sich der im Rahmen der Auslegung ermittelte Parteiwille, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, zumindest andeutungsweise in der Vertragsurkunde wiederfinden.[2] Die konkludente Aufhebung eines vormaligen Arbeitsverhältnisses durch einen vorbehaltlos geschlossenen schriftlichen Anschlussvertrag genügt dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB (vgl. auch oben Rz. 10 ff.).[3]

 

Rz. 92

Besteht der Text der Erklärungen aus mehreren Blättern, so müssen sie eine einheitliche Urkunde bilden. Für die Einheitlichkeit der Urkunde kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Blätter des Vertrags nebst Anlagen bei dessen Unterzeichnung mit einer Heftmaschine körperlich derart miteinander verbunden sind, dass eine Lösung nur durch "Gewaltanwendung" (Lösen der Heftklammer) möglich ist. Nach der sog. Auflockerungsrechtsprechung ist eine feste körperliche Verbindung der einzelnen Blätter einer Urkunde nicht erforderlich, wenn sich deren Einheitlichkeit aus anderen Merkmalen zweifelsfrei ergibt.[4] Die Auflockerungsrechtsprechung findet nicht nur Anwendung auf den Fall, dass ein Vertragswerk aus einem unterschriebenen Vertrag und einer dort in Bezug genommenen Anlage besteht, die eine nach dem Gesetz formbedürftige, nicht gesondert unterzeichnete Regelung enthält. Die Wahrung der Schriftform ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Parteien nicht den Vertrag unterzeichnet haben, der die formbedürftige Vertragsbestimmung enthält, sondern nur eine Anlage dazu. In dieser Fallkonstellation muss die unmissverständliche Zusammengehörigkeit von Hauptteil und Anlage feststehen.[5] Wird die Haupturkunde durch andere Urkunden ergänzt, ist eine eindeutige Bezugnahme auf die ergänzenden Urkunden erforderlich.[6] Eine Paraphierung von Anlagen ist dann nicht erforderlich.[7] Änderungsverträge, wie z. B. Nachtragsvereinbarungen, bedürfen ebenfalls der Schriftform. Diese ist gewahrt, wenn der Zweitvertrag auf den Erstvertrag Bezug nimmt und ihm eindeutig zu entnehmen ist, dass es hinsichtlich der nicht in die neue Urkunde aufgenommenen Vertragsbestandteile bei dem früher Vereinbarten bleiben soll.[8]

[1] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rz. 20.
[2] BGH, Urteil v. 12.7.1996, V ZR 202/95, NJW 1996, 2792, 2793; BAG, Urteil v. 18.6.1997, 4 AZR 710/95, NZA 1997, 1234, 1237; Bauer/Baeck/Lösler, ZIP 2004, 1821, 1822; Haase, GmbHR 2004, 285.
[3] BAG, Urteil v. 24.2.2016, 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949, Rz. 16.
[4] BAG, Urteil v. 4.11.2015, 7 AZR 933/13, NZA 2016, 547, Os. 2.
[5] BAG, Urteil v. 4.11.2015, 7 AZR 933/13, NZA 2016, 547, Os. 3.
[6] Grüneberger/Ellenberger, § 126, BGB Rz. 4.

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