Rz. 14

Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt den Übergang eines Betriebs "durch Rechtsgeschäft" voraus. Der Inhalt eines oder mehrerer Rechtsgeschäfte muss dabei dem Erwerber die betriebliche Fortführungsmöglichkeit eröffnen. Der Zweck dieser Beschränkung auf rechtsgeschäftliche Betriebsübergänge lag nach bisheriger Rechtsprechung darin, die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes oder sonstigen Hoheitsakts von der Anwendung der Vorschrift auszuschließen.[1] Allerdings wird der Begriff des Rechtsgeschäfts weit ausgelegt (EuGH, Urteil v. 19.5.1992, C-29/91[2]) und erfasst alle Fälle, in denen die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, welche die Arbeitgeberverpflichtung gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen wechselt, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen (instruktiv BAG, Urteil v. 21.8.2008, 8 AZR 201/07[3]). Es reicht aus, dass das Rechtsgeschäft mit einem Dritten abgeschlossen wird. So ist es möglich, dass bei einer Auftragsnachfolge ein Betriebsübergang sogar ohne Kenntnis des früheren Inhabers stattfinden kann. Auch kann die Übertragung durch ein Bündel von Rechtsgeschäften erfolgen. Maßgeblich und ausreichend ist, dass dem Übernehmer die fraglichen Betriebsmittel zugerechnet werden können, weil dieser die arbeitstechnische Organisationsgewalt über diese ausüben kann (BAG, Urteil v. 22.10.2009, 8 AZR 766/08[4]).

 
Hinweis

Erforderlich für die Anwendung des § 613a BGB ist, dass der Erwerber eine im Wesentlichen unveränderte Arbeitsaufgabe fortführt (BAG, Urteil v. 25.8.2016, 8 AZR 53/15 [5]).

Die Rechtsnatur des Vertrags ist unerheblich, ebenfalls ist grds. unerheblich, ob das Rechtsgeschäft zivilrechtlich wirksam ist (BAG, Urteil v. 31.1.2008, 8 AZR 2/07[6]). Ausreichend ist auch eine Nutzungsvereinbarung (BAG, Urteil v. 31.1.2008, 8 AZR 2/07[7]). Keine Übernahme durch Rechtsgeschäft auf einen Insolvenzverwalter liegt vor, wenn jener einen Betrieb aufgrund seiner Stellung nach der InsO weiterführt. Veräußert dagegen der Insolvenzverwalter einen Betrieb an einen Erwerber, stellt dies ein Rechtsgeschäft i. S. d. § 613a BGB dar (BAG, Urteil v. 22.10.2009, 8 AZR 766/08[8]). An einem rechtsgeschäftlichen Erwerb fehlt es, wenn ein Betriebsinhaberwechsel aufgrund eines Zuschlags in der Zwangsversteigerung stattfindet. Kündigt hingegen der Zwangsverwalter eines Grundstücks den Pachtvertrag über ein auf diesem Grundstück betriebenen Hotels und führt er dieses selbst weiter, liegt ein Betriebsübergang vor (BAG, Urteil v. 18.8.2011, 8 AZR 230/10[9]).

 

Rz. 15

In den Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz findet § 613a BGB über § 324 UmwG im Wege der Rechtsgrundverweisung Anwendung (BAG, Urteil v. 25.5.2000, 8 AZR 416/99[10]). Es treten aber auch nur die unter den Voraussetzungen des § 613a BGB vorgeschriebenen Rechtsfolgen ein (BAG, Urteil v. 19.10.2017, 8 AZR 63/16[11]). Der bloße Erwerb von Unternehmensanteilen genügt nicht (BAG, Urteil v. 23.3.2017, 8 AZR 91/15[12]). Erlischt der Veräußerer in einem solchen Fall der Unternehmensumstrukturierung, entfällt das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB, wenn ein Arbeitsverhältnis nicht erhalten bleiben kann (BAG, Urteil v. 21.2.2008, 8 AZR 157/07[13]).

 

Rz. 16

§ 613a BGB findet auch Anwendung, wenn die öffentliche Hand einen Betrieb übernimmt. Art. 1 Abs. 1c RL 2001/23/EG nimmt lediglich die Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf eine andere Verwaltungsbehörde von der Anwendung der Richtlinie aus. Wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag die Durchführung einer nicht hoheitlichen Verwaltungsaufgabe jedoch auf einen Privaten übertragen, kann § 613a BGB anwendbar sein (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 783/13[14]). Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass die Anwendung der Richtlinie nicht schon dann ausgeschlossen ist, wenn der Übergang auf einseitigen Entscheidungen der staatlichen Stellen und nicht auf einer Willensübereinstimmung beruht (EuGH, Urteil v. 29.7.2010, C-151/09, Rz. 25 m. w. N. UGT-FSP[15]).

[1] H. M., vgl. BAG, Urteil v. 2.3.2006, 8 AZR 124/05, AP BGB § 419 Funktionsnachfolge Nr. 25 m. w. N.; BAG, Urteil v. 18.12.2008, 8 AZR 660/07, AP § 613a BGB Nr. 360; Willemsen in Festschrift 50 Jahre BAG 2004, S. 299; vgl. aber EuGH bei Neuvergabe staatlicher Subventionen EuGH, Urteil v. 19..5.1992, C-29/91, AP BGB § 613a Nr. 207; EuGH, Urteil v. 25.1.2001, C-172/99, NZA 2001, 249.
[3] NZA 2009, 29; BAG, Urteil v. 18.8.2011, 8 AZR 230/10, Rz. 27, AP BGB § 613a Nr. 412; "derivativer Erwerb"; BAG, Urteil v. 10.5.2012, 8 AZR 434/11, Rz. 31, AP BGB § 613a Nr. 426; zur Konzessionsvergabe als Rechtsgeschäft Bayreuther, NZA 2009, 58...

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