Rz. 19

Die Zulassung nach dem AMG beschränkt den Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich auf den im Zulassungsantrag angegebenen Anwendungskreis (vgl. hierzu BSGE 85 S. 36, 54). Mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1) sind Fertigarzneimittel nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 umfasst, wenn ihnen die gemäß § 21 Abs. 1 AMG erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (st. Rspr., BSG, B 1 KR 12/04 R Rz. 22 m. w. N. – D-Ribose; Urteil v. 26.9.2006, B 1 KR 1/06 R Rz. 15 – Ilomedin; Urteil v. 26.9.2006, B 1 KR 14/06 R Rz. 11 – Cabaseril; Urteil v. 27.3.2007, B 1 KR 30/06 R Rz. 11 – Cannabiol; Urteil v. 30.6.2009, B 1 KR 5/09 R Rz. 21 – ADHS/Methylphenidat; Urteil v. 3.7.2012, B 1 KR 25/11 R Rz. 12 – Avastin; Urteil v. 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R Rz. 11 – Intratect). Zur Klärung der Frage, ob ausnahmsweise eine indikationsfremde Verordnung eines Fertigarzneimittels (sog. "Off-Label"-Gebrauch) zulässig sein kann (bejahend ohne nähere Begründung noch BSG, Urteil v. 5.7.1995 – Remedacen), entwickelte das BSG beginnend mit dem Urteil des 1. Senats v. 19.3.2002, (B 1 KR 37/00 R Rz. 26 – Sandoglubolin) Grundsätze, die in weiteren Urteilen fortan bestätigt wurden.

 

Rz. 20

In einem Urteil v. 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) stellte der 1. Senat des BSG unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung erneut klar, dass ein "off-label-use" eines Arzneimittels nur dann als zulässig angesehen werden kann, wenn es

  • um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht,
  • keine andere Therapie verfügbar ist und
  • aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg kurativ oder palliativ erzielt werden kann (B 1 KR 17/06 R m. w. N. aus der früheren Rspr.).

Dabei kann von hinreichenden Erfolgsaussichten nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies wiederum kann dann angenommen werden, wenn

  • entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (d. h. i. d. R. randomisierte Doppelblindstudien, die viele tausend Patienten einschließen und sich über mehrere Jahre erstrecken) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder
  • außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den genannten einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinn besteht.
 

Rz. 21

Mittlerweile hat der Gemeinsame Bundesausschuss unter Würdigung der Erkenntnisse der am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eingerichteten "Expertengruppen Off-Label" die AM-RL hinsichtlich der Verordnung von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten ergänzt.

Nach § 30 AM-RL ist

(1) die Verordnung von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten zulässig, wenn

  1. die Expertengruppen nach § 35c Abs. 1 SGB V mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmers eine positive Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung dieser Arzneimittel in den nicht zugelassenen Indikationen oder Indikationsbereichen als Empfehlung abgegeben haben und
  2. der Gemeinsame Bundesausschuss die Empfehlung in diese Richtlinie übernommen hat (Anlage VI Teil A).

(2) Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt hat die Hinweise zur Anwendung der nach Absatz 1 positiv bewerteten Arzneimittel in den nicht zugelassenen Anwendungsgebieten zu beachten.

(3) Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt ist nach ärztlichem Berufsrecht verpflichtet, die bei der Anwendung der nach Absatz 1 verordnungsfähigen Arzneimittel beobachteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) zu melden, insbesondere unter Angabe der Off-Label Indikation.

(4) Im Falle von zulässigem Off-Label-Use im Sinne dieser Richtlinie ist gegebenenfalls eine Verlaufsdokumentation nach Anlage VI Teil A erforderlich.

(5) Arzneimittel zur Anwendung in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten,

  1. die nach Bewertung der Expertengruppen nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen oder
  2. die medizinisch nicht notwendig oder
  3. die unwirtschaftlich sind,

werden in der Anlage VI Teil B indikationsbezogen aufgeführt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in der Anlage VI zu den AM-LR (veröffentlicht auf der Homepage des Gemeinsamen Bundesausschusses im Internet unter https://www.g-ba.de/downloads/83-691-471/AM-RL-VI-Off-label-2017-12-07.pdf?) diejenigen Arzneimittel, die ...

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