0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die alte Fassung enthielt Regelungen zum Errichtungsbeauftragten des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 66a des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983) mit Wirkung zum 1.1.2012 aufgehoben.

Durch das Gesetz zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht (GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz) v. 21.2.2017 (BGBl. I S. 265) wurde mit Wirkung zum 1.3.2017 eine Neuregelung eingeführt. Für bestimmte Fallkonstellationen ist darin ein effektives, gestrafftes und klar umschriebenes aufsichtsrechtliches Verfahren vorgesehen.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Aufsichtsbehörde des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) kann gegenüber dem Verwaltungsrat des Spitzenverbandes anordnen,

  • eine rechtswidrige Satzungsbestimmung zu ändern,
  • notwendige, bisher unterbliebene Beschlüsse zu fassen oder
  • rechtswidrige Beschlüsse aufzuheben.

In allen Fällen ist eine Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde möglich, wenn der Verwaltungsrat die Anordnung nicht ausführt. Aufsichtsbehörde ist das Bundesministerium für Gesundheit(§ 217d Abs. 1 Satz 1). Nimmt der GKV-Spitzenverband seine Aufgaben nach § 217f Abs. 3 wahr, untersteht er der Aufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Aufsicht in der Funktion als Verbindungsstelle nach § 219a wird vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgeübt (§ 217d Abs. 1 Satz 2).

2 Rechtspraxis

2.1 Rechtswidrige Satzungsbestimmung (Abs. 1)

 

Rz. 3

Erkennt die Aufsichtsbehörde nachträglich, dass eine Satzung rechtswidrig ist und nicht hätte genehmigt werden dürfen, kann sie anordnen, dass der Spitzenverband innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt (Satz 1). Adressat ist der Verwaltungsrat, der über die Satzung und ihre Änderung beschließt (vgl. § 217 e). Das gleiche gilt für Satzungsbestimmungen, die wegen nachträglich eingetretener rechtlicher oder tatsächlicher Umstände rechtswidrig sind.

 

Rz. 4

Die Aufsichtsbehörde übt trotz des Wortes "kann" kein Ermessen hinsichtlich der Anordnung bei erkannter Rechtswidrigkeit aus. Die Norm ist vielmehr als Ermächtigung der Aufsichtsbehörde anzusehen. Das ergibt sich bereits daraus, dass rechtswidrige öffentlich-rechtliche Satzungen schlicht unerträglich sind und nicht gesetzeskonforme Vorschriften auch nicht angewendet werden dürfen (BSG, Urteil v. 15.6.2016, B 6 KA 27/15 R).

 

Rz. 5

Kommt der Spitzenverband der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen (Ersatzvornahme; Satz 2).

2.2 Unterlassene Beschlussfassung (Abs. 2)

 

Rz. 6

Werden erforderliche Beschlüsse durch den Verwaltungsrat nicht gefasst, kann die Aufsichtsbehörde die Beschlussfassung anordnen und dazu eine Frist setzen (Satz 1). Ein Beschluss kann wegen gesetzlicher Vorschriften oder aufsichtsrechtlicher Verfügungen erforderlich sein. Wird der Beschluss innerhalb der Frist nicht gefasst, kann die Aufsichtsbehörde den Beschluss ersetzen (Ersatzvornahme; Satz 2).

2.3 Rechtswidriger Beschluss (Abs. 3)

 

Rz. 7

Ein rechtswidriger Beschluss des Verwaltungsrates, der gegen ein Gesetz oder sonstiges für den Spitzenverband maßgebendes Recht verstößt, ist aufzuheben. Die Aufsichtsbehörde ordnet die Aufhebung an und setzt dafür eine Frist (Satz 1). Mit der Bekanntgabe (vgl. § 37 SGB X) der Anordnung darf der Beschluss nicht vollzogen werden (Satz 2). Die Aufsichtsbehörde kann verlangen, dass aufgrund des Beschlusses getroffene Maßnahmen rückgängig gemacht werden (Satz 3). Das Verlangen, getroffene Maßnahmen rückgängig zu machen, liegt im Ermessen der Aufsichtsbehörde und ist vom Gewicht der rechtswidrigen Maßnahme abhängig. Der Beschluss wird durch die Aufsichtsbehörde aufgehoben, wenn der Verwaltungsrat der Anordnung nicht fristgerecht nachkommt (Ersatzvornahme; Satz 4).

2.4 Anordnung, Rechtsschutz (Abs. 4)

 

Rz. 8

Eine Anordnung mit Fristsetzung ist nicht erforderlich, wenn ein Beschluss nach Abs. 1, 2 innerhalb einer gesetzlichen Frist zu fassen ist (Satz 1). Die Aufsichtsbehörde wird in diesen Fällen ohne Anordnung tätig.

 

Rz. 9

Die Klage gegen eine Anordnung oder eine Ersatzvornahme hat keine aufschiebende Wirkung (Satz 2).

 

Rz. 10

Gegen eine Anordnung (Verwaltungsakt) oder eine Ersatzvornahme (Rechtsetzungsakt) ist eine Aufsichtsklage (vgl. § 54 Abs. 3 SGG) auf dem Sozialrechtsweg (vgl. § 51 Abs. 1 SGG) zulässig. Ein Vorverfahren wird nicht durchgeführt (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3 SGG). Die aufschiebende Wirkung kann durch das Sozialgericht ganz oder teilweise angeordnet werden (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).

3 Literatur

 

Rz. 11

Gesetzentwurf der Bundesregierung (GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz), BT-Drs. 18/10605.

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BT-Drs. 18/11009.

Rixen, Schwächung der Selbstverwaltung? – Die Rolle des GKV-Spitzenverbandes nach dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsg...

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