Rz. 10

Gemäß § 51 Abs. 1 kann die Krankenkasse den Versicherten zur Stellung eines Rehabilitations- oder Teilhabeleistungsantrags nur auffordern, wenn dessen Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten

  1. gemindert (Rz. 11) oder
  2. zumindest erheblich gefährdet (Rz. 12) ist.

Der Begriff der Erwerbsfähigkeit wird im Gesetz nicht definiert. In Rechtsprechung, Literatur und Praxis versteht man unter Erwerbsfähigkeit übereinstimmend die "Fähigkeit des Menschen, unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Erkenntnissen und körperlichen und geistigen Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, Erwerbseinkommen zu erzielen" (vgl. BSG, Urteil v. 19.7.1963, 1 RA 6/60). Dabei wird auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abgestellt.

 

Rz. 11

Zu a)

Der Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach Ziff. 2.5. der Auslegungsgrundsätze der Rentenversicherungsträger zu den persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Leistungen zur Teilhabe der Versicherten i. d. F. v. 18.7.2002 (Text: vgl. Komm. zu § 9 SGB VI) liegt eine "Minderung der Erwerbsfähigkeit" nur dann vor, wenn, eine infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen erhebliche und länger andauernde Einschränkung der Leistungsfähigkeit (länger als 6 Monate) besteht, wodurch der Versicherte seine bisherige oder zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit nicht mehr oder nicht mehr ohne wesentliche Einschränkungen ausüben kann.

Nicht jede kurzfristige Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge akuter Erkrankung löst einen Anspruch auf Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistungen aus. Der Rehabilitationsträger wird grundsätzlich erst dann Teilhabeleistungen zu seinen Lasten bewilligen, wenn die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen aufgrund medizinischer Erkenntnisse voraussichtlich für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten (mehr als 182 Kalendertage) gefährdet ist. Dabei wird ein Zeitraum vom vermeintlichen Eintritt der Erwerbsminderung bis zur voraussichtlichen (Wieder-)Aufnahme der Arbeit beurteilt. Diese 6-Monats-Frist wird u. a. durch § 2 Abs. 1 SGB IX genährt (vgl. auch Ziff. 2.2 der oben erwähnten Auslegungsgrundsätze der Rentenversicherungsträger). Um eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit anzunehmen, müssen also körperliche, geistige oder seelische Funktionsdefizite und Barrieren (einschließlich Sinnesbehinderungen) für einen Zeitraum von voraussichtlich länger als 6 Monaten vorliegen, die den Betroffenen aufgrund medizinischer Erkenntnisse an der Ausübung seines aktuellen Berufs (= berufstypische Aufgaben und Verpflichtungen) hindern oder diesen nicht mehr ohne wesentliche Einschränkungen ausüben lassen.

Bei der Beurteilung des Vorliegens einer geminderten Erwerbsfähigkeit ist zu prüfen, ob der Versicherte mit seinen (Arbeits-)Fähigkeiten unabhängig von den Besonderheiten des aktuellen Arbeitsplatzes den typischen Anforderungen des ausgeübten Berufs noch nachkommen kann (BSG, Urteil v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R). Kann also z.B. der Arbeitnehmer alle Tätigkeiten verrichten, die seinem typischen Berufsbild entsprechen, aber nicht spezielle, für seinen aktuellen Arbeitsplatz notwendige zusätzliche Arbeiten (z. B. besonders schweres Heben, weil entsprechende technische Hilfsmittel zur Erleichterung der Arbeit in der Firma nicht vorhanden sind), begründet dieses keine Erwerbsfähigkeitsminderung im rentenversicherungsrechtlichen Sinn.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit kann von der Krankenkasse nicht unterstellt werden, wenn eine Schwerbehinderung i. S. d. § 2 Abs. 2 i. V. m. §§ 151 ff. SGB IX (Grad der Behinderung von 50) festgestellt wurde.

 

Rz. 12

Zu b)

Die Erwerbsfähigkeit ist erheblich gefährdet, wenn – ohne Teilhabeleistungen – nach ärztlicher Feststellung Grund zur Annahme besteht, dass durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen innerhalb eines Zeitraumes von bis zu 3 Jahren mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu rechnen ist. Der Autor bezieht sich bei dem Zeitraum von 3 Jahren auf die Mitteilungen der LVA Oberfranken und Mittelfranken aus dem Jahr 1995 (S. 264) und auf Ziff. 2.4 der Auslegungsgrundsätze der Rentenversicherungsträger zu den persönlichen und versicherungsrechtlichen Leistungen zur Teilhabe und zur Mitwirkung der Versicherten i. d. F. v. 18.7.2002 (Text: vgl. Komm. zu § 9 SGB VI). Bei dem Zeitraum von bis zu 3 Jahren erfolgt eine Orientierung an der absehbaren Zeit, wie sie sich aus § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ergibt.

 

Rz. 13

Für die Beurteilung der Erwerbsminderung ist auf die persönlichen Verhältnisse des Versicherten, also auf dessen aktuelle körperliche sowie geistige Konstitution und die daraus resultierende gesundheitliche Einschränkung seiner konkreten beruflichen Leistungsfähigkeit abzustellen.

 

Rz. 14

Bevor die Krankenkasse den arbeitsunfähigen Versicherten i. S. d. § 51 Abs. 1 zur Stellung eines Antrags auf Rehabilitations- bzw. Teil...

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