Rz. 46

Nach Abs. 4 wird bei Personen, deren Ansässigkeitsstaat nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht für das Alg zusteht und wenn das aus Deutschland gezahlte Alg nach den maßgebenden Vorschriften des Ansässigkeitsstaates der Steuer unterliegt, der rechnerische Abzug der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlages nicht vorgenommen.

 

Rz. 47

Nach der Gesetzesbegründung zur Einfügung des Abs. 4 ersetzt das Alg teilweise das Arbeitsentgelt der Arbeitslosen, das ihnen auf der Grundlage ihres zuletzt erzielten Bruttoarbeitsentgelts bei einer Arbeitsaufnahme aktuell "netto" zur Verfügung stünde. Um aus dem Bemessungsentgelt (Bruttoarbeitsentgelt) ein pauschaliertes Nettoentgelt (Leistungsentgelt) zu ermitteln, werden deshalb die Lohnabzüge, darunter auch die Lohnsteuer abgezogen, die bei beschäftigten Arbeitnehmern regelmäßig anfallen. Diese Abzüge werden zur Ermittlung des Leistungsentgelts ohne Berücksichtigung ihrer individuellen Verhältnisse rein "rechnerisch" abgesetzt, das heißt es werden keine Steuern abgeführt. Der "rechnerische" Abzug der gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge soll gewährleisten, dass die Höhe des steuerfreien Alg annähernd und in pauschalierter Form an dem (Netto)Arbeitsentgelt ausgerichtet ist, das beschäftigten Arbeitnehmern mit einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe des Bemessungsentgeltes zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes tatsächlich zur Verfügung steht.

In Sonderfällen, in denen Arbeitnehmer ihren Wohnsitz im Ausland haben und das bezogene deutsche Alg aufgrund eines zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat besteuert werden kann, kann es zu einer übermäßigen Belastung der Arbeitslosen kommen. Eine solche von den Betroffenen als "doppelte" Belastung wahrgenommene Situation entsteht dann, wenn zunächst in Deutschland die gewöhnlich anfallende Lohnsteuer und ggf. der Solidaritätszuschlag rechnerisch bei der Ermittlung des Leistungsentgelts abgesetzt wird und zusätzlich der Wohnsitzstaat dieses netto berechnete deutsche Alg nach seinem nationalen Steuerrecht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezieht. Zur Vermeidung einer solchen als doppelte Belastung wahrgenommenen Situation soll daher in diesen Sonderfällen bei der Berechnung des Alg keine rechnerische Absetzung der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags erfolgen. Mit der Änderung wird die Rechtsprechung des BSG in diesen Fällen umgesetzt (unter Hinweis auf BSG, Urteile v. 22.9.2022, B 11 AL 34/21 R, v. 3.11.2021, B 11 AL 6/21 R) und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union gestärkt.

Wenn das aus Deutschland gezahlte Alg nach den maßgebenden Vorschriften des Ansässigkeitsstaates dort nicht der Steuer unterliegt, fehlt es hingegen an einer übermäßigen Belastung und es verbleibt bei einer entsprechenden rechnerischen Absetzung der Lohnsteuer und gegebenenfalls des Solidaritätszuschlags. Dies gilt u. a. auch dann, wenn im Ansässigkeitsstaat das deutsche Alg von der Besteuerung vollständig nach dem zugrundeliegenden Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt wird.

Über den Verweis in § 106 Abs. 1 Satz 6 gilt die Regelung entsprechend für das Kurzarbeitergeld.

 

Rz. 48

Das BSG hatte in seinem Urteil v. 3.11.2021 zum Kurzarbeitergeld bereits entschieden, dass, wenn es auf die Frage ankommt, von welchem pauschalierten Nettoentgelt bei der Berechnung der für die Höhe des Kurzarbeitergeldes maßgeblichen Nettoentgeltdifferenz auszugehen ist, insoweit gilt, dass im Falle einer steuerlichen Freistellung als Grenzgänger keine Steuerpflicht in Deutschland besteht und deshalb keine Lohnsteuerklasse als Lohnsteuerabzugsmerkmal vorliegt. Für eine Zuordnung einer Steuerklasse bietet § 153 Abs. 1 demnach nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck keine Grundlage. Eine Gesetzeslücke liegt dem BSG zufolge nicht vor. Mangels zuzuordnender Steuerklasse beträgt der sich nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ergebende Abzugsbetrag in diesem Fall 0,00 EUR. Der in der VO (EU) 492/2011 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt keine Gleichbehandlung von Grenzgängern mit in Deutschland wohnenden und arbeitenden Arbeitnehmern. Eine Gleichbehandlung würde vielmehr möglicherweise eine mittelbare Diskriminierung darstellen, weil Grenzgänger, die in Deutschland nicht der Lohnsteuerpflicht unterliegen, zu ihrem Nachteil wie in Deutschland Lohnsteuerpflichtige behandelt und damit faktisch mit dem gleichen Entgelt zweimal einem Einkommen-/Lohnsteuerrecht, in Deutschland und dem Grenzgängerstaat, unterworfen würden.

 

Rz. 49

Die Entscheidung des BSG v. 22.9.2022 betraf das Alg. Darin hat das BSG an seiner Rechtsprechung v. 3.11.2021 festgehalten, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 153 bei einer Freistellung von der Steuerpflicht in Deutschland als Grenzgänger nach einem Doppelbesteuerungsabkommen keine zu berücksichtigende Lohnsteuerklasse als Lohnsteuerabzugsmerkmal bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen ist. Vorschriften des EStG oder d...

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