1 Allgemeines

 

Rz. 1

Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums (und der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts) hat der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubs das nach § 7 Abs. 1 BUrlG Erforderliche getan (§ 243 Abs. 2 BGB). Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG fallen deshalb alle danach eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse entsprechend § 275 Abs. 1 BGB als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers.[1] Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien besondere Regelungen zur Nichtanrechnung von Urlaub treffen, findet eine Umverteilung des Risikos zugunsten des Arbeitnehmers statt. Dies ist durch den Gesetzgeber in § 9 BUrlG für eine Erkrankung während des Urlaubs und in § 10 BUrlG für Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erfolgt.[2] Diese Regelungen sind allerdings nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschriften. Ihre entsprechende Anwendung auf andere urlaubsstörende Ereignisse oder Tatbestände, aus denen sich eine Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ergibt, kommt grundsätzlich nicht in Betracht.[3]

[2] S. dazu Rambach, § 9 BUrlG, Rz. 1.
[3] So bereits BAG, Urteil v. 9.8.1994, 9 AZR 384/92, NZA 1995, 174. Schaub/Linck, 20. Aufl. 2023, Rz. 55a; siehe dazu auch Rambach, § 9 BUrlG, Rz 2.

2 Urlaub und Absonderung

2.1 Die bisherige Rechtsprechung

 

Rz. 2

Nach Auffassung des für das Urlaubsrecht zuständigen 9. Senats des BAG und der weit überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte ist § 9 BUrlG auch nicht auf den Fall anzuwenden, dass ein Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs (ohne krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit) eine behördliche Absonderungsanordnung (Quarantäne) nach dem IfSG erhält, z. B. aufgrund einer (symptomlosen) Coronainfektion. Der Arbeitnehmer kann also keine Nachgewährung seines Urlaubs verlangen. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung verneint eine für eine analoge Anwendung erforderliche planwidrige Regelungslücke.[1]

 

Rz. 3

Das LAG Hamm[2] hat im Fall einer angeordneten Quarantäne eine Vergleichbarkeit mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers als gegeben angesehen. Die Anordnung einer Quarantäne stehe einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraums diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfinde. Der 9. Senat des BAG sieht dies nicht so. Allerdings stellte sich für ihn die Frage, ob die nicht Nichtnachgewährung des vom Arbeitnehmer beantragten Urlaubs, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung angeordneten Quarantäne überschneidet, bei fehlender Erkrankung des betroffenen Arbeitnehmers mit dem Unionsrecht im Einklang steht (Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte EU). Diese Frage hat das BAG deshalb dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.[3]

Der EuGH hat letztlich die Auffassung des BAG bestätigt. Er hat am 14.12.2023 entschieden[4], dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die Tage bezahlten Jahresurlaubs, an denen der Arbeitnehmer nicht krank ist, sondern aufgrund eines Kontakts mit einer mit einem Virus infizierten Person unter Quarantäne gestellt ist, übertragen werden müssen. Es sei Zweck des bezahlten Jahresurlaubs, sich von der Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dem stehe eine Quarantäne – anders als eine Krankheit – nicht grundsätzlich entgegen. Daher sei der Arbeitgeber unionsrechtlich nicht verpflichtet, Nachteile auszugleichen, die sich aus einem unvorhersehbaren Ereignis wie der Quarantäne ergeben und den Arbeitnehmer daran hindern könnten, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub uneingeschränkt und wie gewünscht zu nutzen.

2.2 Die Neuregelung des § 59 Abs. 1 IfSG

 

Rz. 4

Nur wenige Tage nach dem Vorlagebeschluss des Neunten Senats des BAG vom 16.8.2022 hatten die Fraktionen der Ampelkoalition im Bundestag die Neuregelung des § 59 Abs. 1 IfSG eingebracht.[1] Danach werden die Tage einer Absonderung unter den in der Neuregelung genannten Voraussetzungen nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Dazu muss der Beschäftigte verpflichtet sein, sich während seines Urlaubs nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, oder sich aufgrund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung abzusondern (Absonderungspflicht). Die Neuregelung[2] ist am 17.9.2022 in Kraft getreten.

[1] Änderungsantrag Nr. 5 (Ausschussdrucksache des Gesundheitsausschusses 20(14)50 v. 28.8.2022) zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung un...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge