Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein neuer Urlaub bei Quarantäne als Kontaktperson. Arbeitsunfähigkeit bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung. Ansteckungsgefahr keine Begründung für Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Quarantäne hindert den Verbrauch von Urlaub nicht.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur gegeben, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund körperlicher Symptome unmöglich ist.

2. Die Ablehnung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber aufgrund einer möglichen Ansteckungsgefahr mit COVID19 entspricht nicht der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit.

3. Trotz behördlich angeordneter Isolation oder Quarantäne einer Kontaktperson ohne Krankmeldung gilt zuvor genehmigter Urlaub für diesen Zeitraum als "genommen".

 

Normenkette

BUrlG § 9; ZPO § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 07.07.2021; Aktenzeichen 2 Ca 504/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2021 - 2 Ca 504/21 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Nachgewährung von fünf Urlaubstagen aus dem Jahr 2020.

Die Klägerin ist seit dem April 2013 bei der Beklagten beschäftigt. Sie hat Anspruch auf jährlich 30 Urlaubstage. In der Zeit vom 30.11. bis 12.12.2020 hatte die Klägerin Erholungsurlaub beantragt, der ihr gewährt wurde.

Am 27.11.2020 verfügte die Stadt E die Absonderung bzw. häusliche Isolierung der Klägerin als Kontaktperson ersten Grades ihres mit dem Corona-Virus infizierten Kindes. Die Klägerin behauptet, ab dem 01.12.2020 habe auch bei ihr ein positives Corona-Testergebnis vorgelegen. Bei der Klägerin waren Symptome nicht feststellbar. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhielt die Klägerin nicht. Die Isolierungsanordnung endete mit dem 07.12.2020. Im Anschluss daran setzte die Klägerin ihren Urlaub fort. Sie vertritt die Ansicht, dass für die Zeit vom 01.12.2020 bis einschließlich 07.12.2020 fünf Urlaubstage ihrem Urlaubskonto gutgeschrieben werden und nachgewährt werden müssten. Die Klägerin vertritt zuletzt die Ansicht, dass sich dies unmittelbar aus § 9 BUrlG ergebe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und hierbei ausgeführt, dass § 9 BUrlG eng auszulegen sei. Eine behördlich angeordnete Isolation oder Quarantäne entspreche nicht der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit. Es müsse zwischen Arbeitsunfähigkeit und Erkrankung unterschieden werden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin und vertieft ihre Rechtsansicht, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht auf die persönliche Leistungseinschränkung aufgrund von Krankheit reduziert werden dürfe. Auch dann, wenn die Ansteckungsgefahr für andere im Betrieb so hoch sei, dass der Arbeitgeber kein Interesse an der ansonsten möglichen Arbeitsleistung habe, handele es sich um einen Fall der Arbeitsunfähigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2021- Az. 2 Ca 504/21 abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr auf Antrag auf den Urlaubsanspruch aus 2020 5 Urlaubstage nach zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass die Klägerin nicht wegen der im Übrigen von ihr bestrittenen Tatsache, dass sie Virusträgerin gewesen sei, an der Arbeitsleistung gehindert gewesen sei. Vielmehr sei ihr dies durch die behördliche Anordnung verboten gewesen. Ob die Beklagte die arbeitsfähige Klägerin ohne die Urlaubsgewährung und ohne das behördliche Verbot hätte arbeiten lassen, sei hypothetisch. Die Frage stelle sich gerade deshalb nicht, weil die Klägerin Urlaub gehabt habe.

Die Klägerin vertritt darüber hinaus die Ansicht, der Urlaub sei auch aus europarechtlichen Gründen nach zu gewähren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zurecht unterscheidet das Arbeitsgericht zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Es kann unterstellt werden, dass die Klägerin Virusträgerin des Corona-Virus während ihres Urlaubs war. Damit wäre die Definition einer Erkrankung erfüllt, denn die Infektion als solche stellt bereits einen regelwidrigen körperlichen Zustand dar. Nicht jede Krankheit führt aber auch gleichzeitig zur Arbeitsunfähigkeit. So sei nur beispielsweise auf Diabetes oder Bluthochdruck hingewiesen. Beide Zustände sind sicherlich Erkrankungen. Sie können im Einzelfall auch zur Arbeitsunfähigkeit führen, welches dann gesondert festzustellen ist. An einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wegen der symptomlosen Infektion fehlt es vorliegend.

Die Klägerin wäre durch ihre Erkrankung nicht gehindert gewesen, ihren Arbeitsplatz auszufüllen, hätte sie nicht Urlaub gehabt. Allein durch das behördliche Verbot war ihr die Arbeit nicht möglich. Hätte die Klägerin einen Heimarbeitsplatz innegehabt, so wäre unzweifelhaft gewesen, dass die Erkrankung, also die Vi...

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