BAG zur behördlich angeordneten Quarantäne während des Urlaubs

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte.

Das BAG beschäftigte sich mit dem folgenden Fall:

Arbeitnehmer unterlag während seines Urlaubs einer Corona-Quarantäne als Kontaktperson

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm der Arbeitgeber acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Arbeitnehmers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Arbeitnehmer untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen.

Der Arbeitgeber belastete das Urlaubskonto des Schlossers mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaubsentgelt.

Arbeitnehmer klagt auf Gutschrift seiner Urlaubstage

Der Arbeitnehmer hat die auf Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto gerichtete Klage darauf gestützt, es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Der Arbeitgeber müsse ihm deshalb entsprechend § 9 BUrlG, dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, acht Urlaubstage nachgewähren.

Das Landesarbeitsgericht ist dieser Auffassung gefolgt und hat der Klage stattgegeben.

BAG: EuGH soll prüfen, ob Nichtgewährung von Urlaub unionsrechtlich korrekt ist

Für den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist es entscheidungserheblich, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war (BAG, Beschluss v. 16.8.2022, 9 AZR 76/22 (A)).


Schlagworte zum Thema:  BAG-Urteil, Coronavirus, Arbeitsunfähigkeit, Urlaub