Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin arbeitet in einer Fabrik in der Montage. Sie erhält vom Arbeitgeber aufgrund der coronabedingten Belastungen eine steuerfreie und sozialversicherungsfreie Corona-Sonderzahlung i. H. v. 1.500 EUR. Der Arbeitgeber erhält einen Pfändung- und Überweisungsbeschluss. Ist diese Sonderzahlung von der Pfändung erfasst?

Ergebnis

Für andere als den in § 150a SGB XI erfassten Fällen gibt es keine konkrete Regelung über die Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung.

Ob diese gemäß § 850a Nr. 3 ZPO als Erschwerniszulage unpfändbar ist, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt, ist streitig. Einerseits wird dies bejaht. Es besteht zurzeit eine vorsichtige Tendenz, dass sich die Rechtsprechung in diese Richtung entwickeln wird.[1] Andere vertreten jedoch die Auffassung, es handle sich um Bezüge, die nicht nach § 850a ZPO unpfändbar seien.[2] Auf Antrag des Schuldners auf besonderen Pfändungsschutz hat das Amtsgericht die Unpfändbarkeit der Zahlung festgestellt und ausgeführt, eine Pfändung der Corona-Sonderzahlung stelle eine sittenwidrige Härte für den Schuldner da und liefe dem gesetzgeberischen Ziel dieser Sonderzahlung entgegen. Den Beschäftigten solle mit der Sonderzahlung eine ungekürzte Anerkennung der Leistungen während der Corona-Pandemie zukommen. Überwiegende Belange der Gläubigerin stünden im zu entscheidenden Fall nicht entgegen.[3]

Es lässt sich auch die Auffassung vertreten, dass es sich um eine nicht wiederkehrende Zahlung i. S. d. § 850i ZPO handelt, die vollumfänglich pfändbar ist, aber auf Antrag des Schuldners beim Amtsgericht von der Pfändung je nach den Umständen ausgenommen werden kann. Auf diese Möglichkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch hinweisen.

Das Arbeitsgericht Bautzen hat dagegen die Unpfändbarkeit verneint und ausgeführt, die Corona-Sonderzahlung an einen Dachdecker sei nicht analog der Vorgaben des Sozialgesetzbuches zu Corona-Prämien unpfändbar. § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI, nachdem Corona-Prämien unpfändbar sind, beziehe sich nur auf Corona-Prämien für Beschäftigte in der Pflege. Für eine Corona-Sonderzahlung des Arbeitgebers an einen angestellten Dachdecker könne die Vorschrift mangels Vergleichbarkeit und Regelungslücke nicht übertragen werden. Auch § 850 a Nr. 3 ZPO (Erschwerniszulage) greife nicht. Der Arbeitgeber habe die Corona-Sonderzahlung an alle Beschäftigten gezahlt – unabhängig davon, wo und unter welchen Belastungen diese tatsächlich tätig gewesen seien. Zudem unterliege die Zahlung nicht dem Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO, da sie zwar eine Beihilfe und Unterstützungsleistungen des Arbeitgebers in der Coronakrise und damit kein Arbeitsentgelt sei. Sie werde jedoch Teil des Vergütungsanspruchs gegen den Arbeitgeber, mit diesem pfändbar und damit auch abtretbar.[4]

Mit seiner Entscheidung im August 2022 hat das BAG die Corona-Sonderzahlung für unpfändbar erklärt, sofern der Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt und soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.

Praxis-Tipp

Im Hinblick auf die unklare Rechtslage sollte der Arbeitgeber folgende Überlegungen anstellen:

  • Kontaktaufnahme mit dem Gläubiger, um zu klären, ob dieser einverstanden ist, die Corona-Sonderzahlung bei der Pfändung als unpfändbar zu betrachten.
  • Wird keine Einigung erzielt: Hinweis an den Arbeitnehmer, dass dieser beim Amtsgericht einen Antrag nach § 850i ZPO auf Pfändungsschutz der Zahlung stellen kann.
  • Ggf. Hinterlegung des Betrags beim Amtsgericht.[5]
  • Zahlt der Arbeitgeber an den Gläubiger statt an den (verschuldeten) Arbeitnehmer, ist die Chance – bei festgestellter Unpfändbarkeit – den Betrag zurückzubekommen, größer als bei Zahlung an den Arbeitnehmer.

     
    Hinweis

    Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie

    Für die Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie gibt es keine gesetzliche Regelung. Jedenfalls stellt die Inflationsausgleichsprämie keine Erschwerniszulage nach § 850a ZPO dar, denn diese wird unabhängig von der konkreten Arbeitsleistung ausbezahlt. Andere Ausnahmen sind ebenfalls nicht einschlägig. Somit wird die Inflationsprämie zunächst für pfändbar gehalten.

[1] BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 38. Edition, Stand 1.9.2020.
[2] AG Zeitz Beschluss v. 10.8.2020, 5 M 837/19.
[3] AG Zeitz Beschluss v. 10.8.2020, 5 M 837/19, Rz. 10.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge