Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 560,29 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 09.09.2020 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 63 vom Hundert und die Beklagte zu 37 vom Hundert.

4. Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung.

Der Kläger ist der Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren über das Vermögen des F. M. (im Weiteren Schuldner genannt). Der Schuldner stellte am 28.08.2015 einen Antrag auf Restschuldbefreiung und trat seine pfändbaren Forderungen an den Treuhänder ab (Anlage K 1, Bl. 4 d. A.). Die Beklagte wurde am 22.10.2015 über das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren informiert.

Der Schuldner ist bei der Beklagten als Dachdecker tätig und war vom März 2020 bis Mai 2020 auf einer Großbaustelle der R. B. GmbH in D. beschäftigt. Auf dieser Baustelle arbeiteten zeitweilig zwischen 700 und 1.000 Arbeitskräfte. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen und der einzuhaltenden Abstandsregeln durften die Mitarbeiter der Beklagten nicht gemeinsam in einem Firmenfahrzeug zur Baustelle fahren. Deshalb fuhren sie entweder mit eigenem Pkw oder mit einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Pkw. Die R. B. GmbH hat für die Baustelle separate Verhaltensregeln aufgestellt. Die Mitarbeiter der Beklagten waren in einem sogenannten Firmencontainer untergebracht, die intensiver gereinigt wurden. Der Sanitärcontainer war nur mit Anstehen und unter Einhaltung von Abstandsregeln nutzbar. Veranstaltungen und Meetings durften nur mit zwei Personen durchgeführt werden. Für die Sicherheitseinweisungen war die Teilnahme auf fünf Personen beschränkt. Die Begehung der Baustelle einschließlich der Treppen und Aufgänge war reglementiert. Auf der Baustelle sollten nach den Verhaltensregeln des Auftraggebers auch die Abstände zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen von 1,5 Metern eingehalten werden. Für Montagearbeiten wurden kleine Gruppen von zwei bis drei Mitarbeitern gebildet, die dann separat arbeiten mussten. Face-to-face-Kontakte unter zwei Metern für mehr als 15 Minuten waren in einem Kontakttagebuch zu dokumentieren. Der Zutritt zur Baustelle war nur nach Sichtkontrolle durch den Wachschutz möglich. Sofern sich Kinder oder der Partner der Mitarbeiter in Quarantäne befanden bzw. der Mitarbeiter sich in einem Krisengebiet aufhielt, war der Zutritt zur Baustelle für mindestens 14 Tage untersagt. Die vorhandene Baustellenkantine war nur eingeschränkt nutzbar. Dadurch bildeten sich Warteschlangen und es kam zu Zeitverzögerungen, da die Pausenzeiten nicht einzuhalten waren. Außerdem gab es lediglich eingeschweißtes Essen in der Kantine. Auf der Baustelle mussten bei Arbeiten, Besprechungen und Gespräche, sofern die Abstandsregeln nicht eingehalten werden konnten, bei normalen Außentemperaturen bis zu 20 Grad Fliesmasken getragen werden. Auf dem Dach waren die Temperaturen teilweise höher. Der Schuldner musste wegen der Schließung der Kindereinrichtungen bzw. der Schule im April und Mai 2020 sein Kind abwechselnd mit der ebenfalls berufstätigen Kindesmutter ganztägig betreuen und deshalb die Arbeitsstelle oft vorzeitig verlassen.

Mit der Vergütungszahlung für Mai 2020 leistete die Beklagte an alle ihre Mitarbeiter, egal, wo sie gearbeitet haben, eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.500,00 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten der an den Schuldner für diesen Monat gezahlten Vergütung wird auf die Abrechnung (Anlage K 2, Bl. 5 d. A.) verwiesen. An den Kläger wurden davon keine Beträge abgeführt. Einen Antrag nach § 850 i ZPO hat der Schuldner nicht gestellt.

Mit E-Mail vom 09.09.2020 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass die Corona-Sonderzahlung keinen Pfändungsschutz genieße und forderte die Beklagte zur Neuberechnung und unverzüglichen Auskehr des pfändbaren Betrages auf. Dies lehnte die Beklagte am gleichen Tag ab.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe als Zessionar die pfändbaren Einkommensteile wie die Corona-Sonderzahlung in voller Höhe zu. Sie genieße als einmalig neben dem Arbeitseinkommen gezahlten Betrag nur nach einem erfolgreichen Antrag nach § 850 i ZPO Pfändungsschutz. Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung steuerrechtlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 12.05.2020 (BT.Drs. 19/19150) sei gesetzlicher Regelungszweck eine Verbesserung der Liquidität zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Dass die Sonderleistung „ausschließlich und uneingeschränkt dem Beschäftigten als Anerkennung zugute kommen” soll, entpuppe sich als reine Erfindung der Beklagten. Außerdem verbleibe das Geld auch bei Überschreiten der Pfändungsfreigrenzen im Vermögen des Schuldners und werde „ausschließlich und uneingeschränkt” zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten verwendet, nämlich der Koste...

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