3.2.1 Allgemeines

 

Rz. 93

Nicht zum – fortzuzahlenden – Arbeitsentgelt nach § 4 Abs. 1 EFZG gehören Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers, soweit der Arbeitnehmer sie im Falle der Arbeitsfähigkeit nur beanspruchen kann, wenn ihm die Aufwendungen tatsächlich entstanden sind. Da diese Aufwendungen dem Arbeitnehmer folglich bei Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen, sind sie im Rahmen der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.[1]

 

Rz. 94

Damit umfasst der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht den sog. echten Aufwendungsersatz, also diejenigen Leistungen des Arbeitgebers, die als Abgeltung für Auslagen oder Aufwendungen anzusehen sind.[2] Hier ist zu berücksichtigen, dass Pauschalierungen dem Aufwendungsersatzcharakter nicht entgegenstehen, solange die Pauschalbeträge in etwa den typischerweise entstehenden Aufwendungen entsprechen.[3]

Indem für die Rechtsfolge eines Herausnehmens von Leistungen des Arbeitgebers aus der Entgeltfortzahlung einerseits auf das tatsächliche Entstehen von Aufwendungen bei Arbeitsfähigkeit abgestellt wird, andererseits jedoch darauf, dass diese während der Arbeitsunfähigkeit gerade nicht entstehen, wird dem in § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG normierten Entgeltausfallprinzip Rechnung getragen: Danach soll nämlich der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht besser stehen als derjenige, der tatsächlich arbeitet.[4]

 
Hinweis

Nur dem arbeitsfähigen Arbeitnehmer sollen also dessen tatsächliche Aufwendungen ersetzt werden, nicht jedoch einem Arbeitsunfähigen, der diese Aufwendungen gerade nicht hatte.

 

Rz. 95

Umgekehrt werden deshalb solche Zuwendungen des Arbeitgebers auch im Krankheitsfall fortgezahlt, die dieser nicht als Ausgleich für tatsächlich entstandene Aufwendungen des Arbeitnehmers erbringt, sondern ohne Ausgabennachweis im Hinblick auf eine Verbesserung des Lebensstandards des Arbeitnehmers. Denn über diese Arbeitgeberzuwendungen kann der gesunde Arbeitnehmer verfügen, ohne sie als Ersatz für eigene, ihm anlässlich der Arbeitsleistung entstandene Vermögensopfer verwenden zu müssen. Dies muss dann auch für den erkrankten Arbeitnehmer gelten – mit der Folge der Fortzahlung dieser Leistungen.[5]

Anhand der unter 3.2.2 erläuterten Einzelfälle wird diese Unterscheidung zwischen echtem Aufwendungsersatz und sonstigen Zuwendungen verdeutlicht.

[2] Brecht, EFZ, 2. Aufl. 2000, § 4 EFZG, Rz. 14; KassArbR/Vossen, 2. Aufl. 2000, 2.2, Rz. 357.
[3] Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 140.
[4] KassArbR/Vossen, 2. Aufl. 2000, 2.2, Rz. 357.
[5] BAG, Urteil v. 11.2.1976, 5 AZR 615/74, DB 1976, S. 875, BB 1976, S. 464, AP Nr. 10 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie.

3.2.2 Einzelfälle

 

Rz. 96

Die folgenden Einzelfälle sind zu beachten:

 
Hinweis

Für die Qualifizierung einer Leistung als – fortzuzahlendes – Arbeitsentgelt oder als Aufwendungsersatz i. S. d. § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG kommt es nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien, sondern auf den objektiven Zweck und die inhaltliche Ausgestaltung der Leistung an.[1]

[1] Wedde/Kunz, EFZG, 4. Aufl. 2015, § 4 EFZG, Rz. 31; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 4 EFZG, Rz. 37.

3.2.2.1 Aktienoptionspläne

 

Rz. 97

Leistungen aus einem Aktienoptionsplan, den ein Dritter (insbesondere die Konzernmutter) dem Arbeitnehmer zugesagt hat, gehören grds. nicht zum Arbeitsentgelt und verändern nicht den Geldfaktor.[1]

[1] MüKo/Müller-Glöge, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 19; vgl. auch BAG, Urteil v. 12.2.2003, 10 AZR 299/02, NZA 2003, 487, AP Nr. 243 zu § 613a BGB.

3.2.2.2 Auslösungen

 

Rz. 98

Die Auslösung ist ein besonderer Ausgleich für die Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer dadurch entstehen, dass er ständig oder vorübergehend außerhalb des eigentlichen Betriebssitzes auf einer auswärtigen Arbeitsstelle beschäftigt wird.[1] Ein Anspruch auf eine Auslösung kann auf einzelvertraglicher Basis gegeben sein; in der Regel jedoch ergibt sich ein solcher aus einem Tarifvertrag. Ein bekanntes Beispiel, das auch die Rechtsprechung mehrfach beschäftigte, ist der sog. Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter (BMTV).[2] Wie in vielen Tarifverträgen, wird auch im BMTV unterschieden zwischen der bei Nahmontagen geltenden sog. "Nahauslösung", die dann gezahlt wird, wenn dem Arbeitnehmer die tägliche Rückkehr zum Ausgangspunkt zumutbar ist (vgl. § 4 Ziff. 4.1 BMTV: bis 80 km Entfernung), und der bei Fernmontagen zu zahlenden "Fernauslösung". Hier ist ein auswärtiges Übernachten des Arbeitnehmers erforderlich, weil ihm die tägliche Rückkehr zum Ausgangspunkt nicht zumutbar ist.[3]

Ob eine Auslösung zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt gehört, ist oft in den einschlägigen Tarifverträgen geregelt. Im Bereich des BMTV etwa wird die Nah- wie die Fernauslösung als Pauschalerstattung gewährt, die den arbeitstäglichen Mehraufwand bei auswärtigen Montagearbeiten im Nahbereich[4] bzw. die Mehraufwendungen am Montageort[5] abdeckt. Nach dem BMTV sind deshalb weder die Nah- noch die Fernauslösung – fortzuzahlendes – Arbeitsentgelt.[6] Jedoch statuiert § 6 Ziff. 6.2.11 BMTV für die Fernauslösung gleichwohl unt...

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