Rz. 10

Dem Arbeitnehmer ist das Bruttoentgelt fortzuzahlen, das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zugestanden hätte. Abzustellen ist grundsätzlich allein auf die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers. Es kommt darauf an, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist.[1] Die individuelle Arbeitszeit folgt in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Auf die allgemein im Betrieb geltende Arbeitszeit kommt es dagegen nicht an. Auch die Kraft eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung im Betrieb geltende Arbeitszeit kann von der individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach oben oder nach unten abweichen. Grundlage hierfür kann eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung oder etwa eine betriebliche Übung sein.[2] Wird regelmäßig eine bestimmte, erhöhte Arbeitszeit abgerufen und geleistet, ist dies Ausdruck der vertraglich geschuldeten Leistung.[3] Eine wirksame Vereinbarung über die Arbeitszeit ist nicht erforderlich.

 
Hinweis

Das Gesetz stellt entscheidend darauf ab, welche Arbeitsleistung tatsächlich ausgefallen ist. Es kommt also darauf an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer gearbeitet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre (BAG, a. a. O.).

Die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers richtet sich demnach lediglich nach den für ihn maßgeblichen Regelungen.

 
Praxis-Beispiel

Ist ein Arbeitnehmer regelmäßig aufgrund einer für ihn maßgeblichen Betriebsvereinbarung, betrieblichen Übung oder eines Einzelvertrags 30 Stunden pro Woche tätig, so sind diese 30 Stunden für die Errechnung der Entgeltfortzahlung maßgeblich, auch wenn etwa andere Arbeitnehmer in derselben Betriebsabteilung 35 Stunden arbeiten.

 

Rz. 11

Etwaige tarifliche oder gesetzliche Höchstarbeitszeiten[4] dienen allein dem Schutz des Arbeitnehmers und bewahren den Arbeitgeber nicht davor, die ggf. darüber hinausgehende Arbeitszeit zu vergüten, d. h. bei gegebener Stetigkeit auch hier ggf. Entgeltfortzahlung zu leisten.[5]

 

Rz. 12

Die individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers hat nur in dem Fall keine Bedeutung, in dem der Arbeitnehmer einem Tarifvertrag unterfällt und die Tarifvertragsparteien in Ausübung der ihnen in § 4 Abs. 4 EFZG gegebenen Öffnungsklausel die Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts ändern: Es ist ihnen möglich, nicht die individuelle Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, sondern eine bestimmte Durchschnittsstundenzahl, z. B. die betriebsübliche oder die gesetzliche Arbeitszeit, für maßgeblich zu erklären. Hier kann also eine von der individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers abweichende Arbeitszeit der Entgeltfortzahlung zugrunde gelegt werden.[6]

 

Rz. 13

Zu berücksichtigen ist die "regelmäßige" Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Dabei stellt das BAG auf eine "gewisse Stetigkeit" der Arbeitszeit des Arbeitnehmers ab, die dann gegeben ist, wenn über einen längeren Zeitraum keine nennenswerten Schwankungen der individuellen Arbeitszeit nach oben oder nach unten zu verzeichnen waren.[7]

 

Rz. 14

Bei einer verstetigten, also stets konstant gleich bleibenden Arbeitszeit bereitet die Feststellung der maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit keine Schwierigkeiten.[8] Ist eine feste Bruttomonatsvergütung vereinbart, ist diese dem Arbeitnehmer bis zur Dauer von 6 Wochen fortzuzahlen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG).

 

Rz. 15

Unterliegt hingegen die individuelle Arbeitszeit unregelmäßigen Schwankungen und kann deshalb der Umfang der ausgefallenen Arbeit nicht exakt bestimmt werden, bedarf es der Festlegung eines vergangenheitsbezogenen Referenzzeitraums, dessen durchschnittliche Arbeitszeit maßgeblich ist.[9] Dabei ist sinnvollerweise auf den Durchschnitt der vergangenen 12 Monate abzustellen.[10]

 

Rz. 16

Ist Bestandteil der festen Monatsvergütung die Vergütung für eine bestimmte Zahl von arbeitsvertraglich vereinbarten Mehrarbeitsstunden einschließlich tariflicher Überstundenzuschläge, so sind die Überstunden als regelmäßig verlängerte Arbeitszeit bei der Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts zu berücksichtigen; sie sind Teil der "verstetigten" Arbeitszeit. Lediglich die Überstundenzuschläge sind wegen § 4 Abs. 1a EFZG nicht entgeltfortzahlungspflichtig und mithin aus dem dem Arbeitnehmer geschuldeten Betrag herauszurechnen.[11]

 

Rz. 17

Haben die Arbeitsvertragsparteien statt einer Bruttomonatsvergütung eine Stundenvergütung vereinbart, so gelten die oben dargestellten Grundsätze zur individuellen Arbeitszeit entsprechend mit der Maßgabe, dass der vereinbarte Stundensatz mit den während der Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Stunden zu multiplizieren ist. Entscheidend ist auch hier, dass von der individuellen Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers auszugehen ist.[12] Auch hier gilt im Übrigen, dass bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitszeitstunden auf den zurückliegenden 12-Monats-Zeitraum zurückgegriffen werden kann und so eine den Parteiinteressen entsprechende Durchschnittsberechnung zugrunde zu legen ist.[13]

 

Rz. 18

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