Rz. 139

Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG kann zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall vereinbart werden.[1] Voraussetzung ist danach zunächst, dass die an einer Anwendung der ungünstigeren Tarifregelungen Interessierten (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) vom sachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereich des entsprechenden Tarifvertrags erfasst werden und die unmittelbare Anwendung des Tarifvertrags lediglich deshalb nicht erfolgt, weil Arbeitnehmer und/oder Arbeitgeber nicht tarifgebunden sind bzw. der Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde.[2] Im Ergebnis ersetzt also die Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 2 EFZG lediglich die fehlende Tarifbindung.[3]

 

Rz. 140

Damit wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, alle Arbeitnehmer des Betriebs – also auch die nicht tarifgebundenen – im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung gleich zu behandeln.[4]

 
Hinweis

Nicht möglich ist die Übernahme einer verschlechternden Tarifregelung aus einer anderen Branche, weil die maßgebenden tariflichen Vorschriften nur in ihrem Geltungsbereich eine sachgerechte Regelung der Arbeitsbedingungen enthalten.[5]

 

Rz. 141

Eine Übernahme nur der von § 4 Abs. 1, 1a oder 3 EFZG abweichenden Regelungen des Tarifvertrags ist nicht zulässig. Vielmehr muss die gesamte tarifliche Regelung über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall übernommen werden.[6] Nur so ist sichergestellt, dass nicht nur die für den Arbeitnehmer ungünstigen Regelungen des Tarifvertrags zur Anwendung kommen, sondern die gesamte ausgewogene Regelung der Tarifvertragsparteien.

Werden nur einzelne entgeltfortzahlungsrechtliche Regelungen des Tarifvertrags übernommen, kommt nicht § 4 Abs. 4 Satz 2 EFZG zur Anwendung, sondern die einzelnen Bestimmungen sind anhand des Günstigkeitsprinzips auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.[7]

 

Rz. 142

Nicht zulässig ist die Übernahme tarifvertraglicher Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung, da die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsverfassungsgesetzes umfasst ist.[8] Es ist demnach eine Übernahme nur durch einzelvertragliche Vereinbarung möglich. Besteht eine solche einzelvertragliche Vereinbarung, so hat die individualrechtliche Vereinbarung ebenfalls Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen.[9]

 

Rz. 143

Eine bestimmte Form für die einzelvertragliche Vereinbarung ist nicht erforderlich; die Einbeziehung kann also schriftlich, mündlich oder konkludent erfolgen.[10] Jedoch bietet sich auch hier – wie generell bei einzelvertraglichen Vereinbarungen – eine schriftliche Niederlegung an, um ggf. Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.

[2] Wedde/Kunz, EFZG, 4. Aufl. 2015, § 4 EFZG, Rz. 71; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 205; ErfK/Reinhard, 23. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 28.
[3] ErfK/Reinhard, 23. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 28.
[4] Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 204; KassArbR/Vossen, 2. Aufl. 2000, 2.2, Rz. 398.
[5] BAG, Urteil v. 9.7.1980, 4 AZR 564/78, DB 1981, S. 374, AP Nr. 7 zu § 1 TVG Form.
[6] Brecht, EFZ, 2. Aufl. 2000, § 4 EFZG, Rz. 28; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 206.
[7] Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 207.
[8] Brecht, EFZ, 2. Aufl. 2000, § 4 EFZG, Rz. 28; Wedde/Kunz, EFZG, 4. Aufl. 2015, § 4 EFZG, Rz. 72.
[9] Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 208 f.
[10] Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 4 EFZG, Rz. 123; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 209.

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