Neben den gesetzlichen Vorschriften können die Schranken des Direktionsrechtes auch individualrechtlicher Natur sein, d. h. sich aus Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Hier muss insbesondere der Arbeitsvertrag betrachtet werden. Ggf. werden etwaige Maßnahmen des Unternehmens ausgeschlossen. Ist dies der Fall, kann von dieser arbeitsvertraglichen Regelung nicht einseitig durch den Arbeitgeber abgewichen werden. Dies kann z. B. bei der Einführung eines neuen Vergütungsmodells oder bei geänderten Prozessen eine Änderung der vereinbarten Tätigkeit der Fall sein. Hier kann z. B. eine Änderungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer abgeschlossen werden. Stimmt der Arbeitnehmer nicht zu, kann eine kollektivrechtliche Ablösung oder in engen Grenzen auch eine Änderungskündigung als einseitige Maßnahme des Arbeitgebers in Betracht kommen.

Insofern wird auch diskutiert, die Tätigkeitsbeschreibungen in Arbeitsverträgen möglichst offen zu formulieren. Gerade die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens kann auch zu einer Transformation verschiedener Geschäftsbereiche führen. Oftmals wird das Thema Digitalisierung dabei eine große Bedeutung haben. Mit offenen Tätigkeitsbeschreibungen im Arbeitsvertrag oder weit formulierten Versetzungsklauseln hat ein Arbeitgeber einen größeren Spielraum, die Transformation einseitig durch das Direktionsrecht umzusetzen. Es müssen aber die arbeitsrechtlichen Grenzen einer Versetzungsklausel beachtet werden.

 
Praxis-Beispiel

Der "klassische" Verkäufer

Verkauft ein Einzelhandelsunternehmen seine Produktpalette zukünftig auch über einen Online-Shop und werden in diesem Zuge Filialen geschlossen, so fallen im Unternehmen verschiedene Arbeitsplätze weg oder wandeln sich. Es werden z. B. einerseits weniger Verkäufer in den Filialen benötigt, andererseits aber wird eine Online-Beratung via Chat oder Video eingeführt, sodass Online-Berater benötigt werden.

Ob einem Verkäufer dann per Direktionsrecht zukünftig die neuen Aufgaben eines Online-Beraters zugewiesen werden können, wird dann anhand der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag geprüft. Ist diese Beschreibung weit gefasst oder eine entsprechende Versetzungsklausel vorgesehen, steht der Arbeitsvertrag diesem Wandel nicht entgegen. Vielmehr kann der Arbeitgeber die neuen Tätigkeiten einseitig zuweisen. Zu beachten wäre jedoch ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Für Arbeitgeber gibt es aber auch eine Kehrseite der Medaille. Kann durch Direktionsrecht der Verkäufer als Online-Berater eingesetzt werden, kann eine betriebsbedingte Kündigung dieses Verkäufers bei einer Filialschließung nicht mehr ohne Weiteres ausgesprochen werden. Dies sollte bei der Festlegung einer weiten Tätigkeitsbeschreibung oder einer Versetzungsklausel bedacht werden.

Ein oftmals nicht beachtetes Rechtsinstitut kann im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie ebenfalls eine erhebliche Rolle spielen: die betriebliche Übung. Die betriebliche Übung ist ein Rechtskonstrukt, dass die Gleichbehandlung bei einer dauerhaften Unternehmenspraxis sicherstellen soll. Die mehrfache Gewährung einer Leistung durch den Arbeitgeber kann als Angebot für die Zukunft mit Bindungswirkung für den Arbeitgeber verstanden werden, sofern der Arbeitnehmer daraus geschlossen haben durfte, dass er diese auf Dauer erhält. Sollen nun Maßnahmen eingeführt werden, die ggf. ökologisch sinnvoller sind, kann dies aber einer bisherigen Übung widersprechen. Dies bedeutet zwar nicht, dass alles, was bisher gewährt wurde, auch weiter gewährt werden muss. Vielmehr müssen die Voraussetzungen der betrieblichen Übung im Einzelfall genau geprüft werden.

Dieses Rechtsinstitut hat innerhalb der Nachhaltigkeit 2 Dimensionen.

  • Gerade wenn eine in den letzten Jahren oder sogar Jahrzehnten gewachsene und für Teile der Belegschaft vorteilhafte betriebliche Übung aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten geändert werden soll, muss zunächst geprüft werden, wie dies arbeitsrechtlich durchgesetzt werden kann (z. B. Betriebsvereinbarung oder Änderung der individuellen Arbeitsverträge). Hierbei gibt es mittlerweile Stimmen, die eine erleichterte Möglichkeit der Änderung einer betrieblichen Übung aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten fordern. Z. B. soll eine Änderung, die zu einem nachweisbaren Beitrag zum Klimaschutz führt, durch den Arbeitgeber einseitig abgelöst werden können. In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung sind jedoch keine Besonderheiten aufgrund der Nachhaltigkeitsdebatte bekannt, sodass hiervon aktuell abgeraten werden muss.
  • Die zweite Dimension ist die einseitige Einführung von Vorteilen für die Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber im Bereich der Nachhaltigkeit. Dies geschieht – wie weiter unten gezeigt wird – um die Arbeitnehmer in der Nachhaltigkeitsstrategie "mitzunehmen". Gerade da diese Maßnahmen oftmals freiwillige Leistungen des Arbeitgebers darstellen, ist es wichtig, diese Leistungen unter einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen, zu befristen oder eine Widerrufsmöglichk...

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