Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. medizinische Vorsorge für Mütter und Väter. keine Einbeziehung von pflegenden Angehörigen

 

Orientierungssatz

Die Einbeziehung pflegender Angehöriger, die Mutter oder Vater weder im biologischen noch funktionellen Sinn sind, in den Kreis der Leistungsberechtigten für Mütter- bzw. Vätermaßnahmen nach § 24 SGB 5 ist durch Gesetzesauslegung nicht möglich.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.07.2006; Aktenzeichen B 1 KR 62/06 B)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine stationäre Vorsorge für Mütter.

Die 1961 geborene, als Kassiererin in Teilzeit berufstätige kinderlose Klägerin pflegt in ihrem Haushalt ihren an multipler Sklerose erkrankten Lebensgefährten; diesem ist die Pflegestufe II zuerkannt.

Vom 25.11. bis 16.12.1998 absolvierte die Klägerin auf Kosten der Beklagten eine stationäre Vorsorgemaßnahme für Mütter im Evangelischen Mütterkurheim B W (Kurbericht SG-Akte S. 34). Obwohl dadurch die vorhandenen orthopädischen Beschwerden nicht behoben werden konnten, fühlte sich die Klägerin subjektiv erholt; der Kurerfolg habe zwei Jahre angehalten. Mittlerweile leide sie aber erneut, neben orthopädischen Beschwerden, an einem psychophysischen Erschöpfungszustand, einer chronisch reaktiven Depression, Bluthochdruck und Übergewicht.

Am 16.8.2002 beantragte die Klägerin eine stationäre Kur vom 5. bis 26.11.2002 im E O (Verwaltungsakte s. 2). Sie legte ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin W vom 12.8.2002 vor. Darin ist (u. a.) ein psychophysischer Erschöpfungszustand mit Somatisierungen diagnostiziert.

Mit Bescheid vom 5.9.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Medizinische Leistungen in Form einer Mütter-Maßnahme könnten nur zur Verfügung gestellt werden, wenn das Behandlungsziel z. B. durch die am Wohnort mögliche ärztliche Behandlung nicht zu erreichen sei. Hier seien die wohnortnahen ambulanten Therapiemöglichkeiten aber nicht bzw. nicht vollständig ausgeschöpft. Außerdem lägen keine dringenden medizinischen Gründe für eine Maßnahme vor Ablauf der gesetzlichen Vierjahresfrist vor.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, da sie berufstätig sei und ihren an multipler Sklerose erkrankten Partner (Verlobten) pflege, könne sie eine ambulante, wohnortnahe Rehabilitation wegen Doppelbelastung nicht wahrnehmen. Losgelöst von häuslichen Pflichten und familiären Sorgen könne der Kurverlauf körperliche und nervliche Erholung bringen. Die Kur könne sie nach Ablauf der Vierjahresfrist Anfang 2003 antreten. Sie wolle ihren Erschöpfungszustand bessern, Abstand von familiären Problemen gewinnen und mehr zu sich selber finden sowie ihre Kräfte erholen (Verwaltungsakte S. 11).

Die Beklagte holte die Stellungnahme des Allgemeinarztes W vom 1.10.2002 ein. Darin ist ausgeführt, die Pflege des Partners, der an fortgeschrittener multipler Sklerose leide, sei nur noch durch eine erhebliche Überforderung möglich. Die Klägerin leide seit Jahren (u. a.) an einem psychophysischen Erschöpfungszustand und einer chronischen reaktiven Depression. Er habe die Klägerin mit einer Brille und einer Ellenbogengelenksbandage versorgt; außerdem habe sie an einem Ernährungskurs teilgenommen. Fachärztliche Behandlungen oder Heilmittelanwendungen seien nicht wahrgenommen geworden. Mit der Kur sollten eine bessere Beweglichkeit erreicht und der psychische Zustand stabilisiert werden. Außerdem solle die Klägerin allgemein ihre Kräfte erholen. Eine ambulante Vorsorgemaßnahme reiche nicht aus, weil der Partner der Klägerin weiterhin gepflegt werden müsse und die Klägerin ihre Berufstätigkeit (mit reduzierter Stundenzahl) aufrechterhalte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.1.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe bislang keine ambulanten Maßnahmen am Wohnort zur Besserung ihrer Beschwerden in Anspruch genommen. Dazu gehöre zum Beispiel auch eine fachärztliche Mitbehandlung, bei der über Art und Umfang weiterer Therapien entschieden werde. Die Notwendigkeit einer stationären Vorsorge für Mütter könne ausschließlich mit medizinischen Aspekten begründet werden. Zeitliche oder organisatorische Probleme bei der Wahrnehmung ambulanter Maßnahmen am Wohnort begründeten keinen Anspruch auf eine stationäre Leistung. Da die Beschwerden der Klägerin in erster Linie auf die Belastungen bei der Pflege ihres Lebensgefährten zurückzuführen seien, kämen auch Leistungen der Krankenkasse zur Urlaubs- oder Verhinderungspflege in Betracht, um die Beanspruchung zu vermindern. Die Herausnahme aus dem häuslichen Umfeld und die Entlastung von häuslichen Pflichten sei auch auf anderem Wege möglich. Dafür sei eine stationäre Vorsorge für Mütter nicht zwingend notwendig.

Am 5.2.2003 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart; zur Begründung wiederholte sie ihr bisheriges Vorbringen. Die Beklagte trug vor, eine stationäre Heilmaßnahme könne gewährt werden, wenn eine ambulante Behandlung bzw. eine ambulante Vorsorge am Kurort nicht ausreiche...

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