Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Aufrechnung der Arbeitgeberin gegen Arbeitseinkommen bei Überschreitung der gesetzlichen Pfändungsgrenzen und fehlendem Beschluss des Vollstreckungsgerichts zur Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von der verdienten Vergütung kann die Arbeitgeberin ohne Rücksicht auf die Pfändungsgrenzen (§ 394 BGB mit §§ 850a ff. ZPO) im Wege der Verrechnung nur Vorschüsse in Abzug bringen; Darlehensraten nebst Zinsen sind keine Vorschüsse.

2. § 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist; bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO, wobei zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag bestimmt.

4. Bezieht ein Pfändungsschuldner mehrere Einkommen, ist bei der Berechnung pfändbarer Anteile jedes Einkommen getrennt zu betrachten (§ 850e ZPO); soweit gemäß § 850e Nr. 2 mehrere Arbeitseinkommen auf Antrag "bei der Pfändung" zusammenzurechnen sind, ist für einen derartigen Beschluss nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur das Vollstreckungsgericht zuständig.

5. Für eine entsprechende Befugnis der Prozessgerichte besteht keine Rechtsgrundlage; auch eine analoge Anwendung des § 850e Nr. 2 ZPO scheidet aus.

 

Normenkette

BGB §§ 387, 394; ZPO § 850 Abs. 1, §§ 850a, 850e; BGB § 394 S. 1, § 611 Abs. 1; ZPO § 850c Abs. 1, § 850e Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 28.08.2013; Aktenzeichen 1 Ca 2313/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.08.2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Az. 1 Ca 2313/12, aufgehoben.

Das klagestattgebende Versäumnisurteil des Amtsgerichts Mainz vom 16.10.2012, Az. 79 C 311/12, wird aufrechterhalten.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Entgeltansprüche des Klägers durch Aufrechnung erloschen sind.

Zwischen den Parteien bestand vom 01.11.2009 bis zum 31.03.2012 ein Arbeitsverhältnis, das durch eine Kündigung der Beklagten aufgelöst worden ist. Der Kläger war als Verkaufsmitarbeiter im Außendienst zu einem Bruttomonatsgehalt von € 1.300,00 angestellt. Der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens betrug zusätzlich € 216,00.

Die Parteien schlossen ab 01.11.2009 einen weiteren schriftlichen Vertrag. Danach war der Kläger als selbständiger Handelsvertreter iSd. §§ 84 ff. HGB für die Beklagte auf Provisionsbasis tätig. Ebenfalls im Zeitraum vom 01.11.2009 bis 31.03.2012 stand der Kläger in einem Vertragsverhältnis als selbständiger Berater mit einer niederländischen Schwestergesellschaft der Beklagten, der Firma J. G. N. BV, die ihm monatlich einen Betrag von € 800,00 auf sein Konto in Deutschland überwies.

Die Beklagte hat gegen den Kläger aus einem früheren Handelsvertretervertrag eine durch Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Mayen vom 17.07.2007 (Az. 06-5916103-0-0) titulierte Hauptforderung ("Darlehensrückzahlung gemäß Vertrag 30019/61 vom 16.12.04") iHv. € 33.358,96 zzgl. Kosten und 11 % Zinsen seit 02.12.2004.

Am 21.12.2009 schloss der Kläger mit der Firma F.-F. P. v. P. Wein- und Sektkellerei GmbH, einer Schwestergesellschaft der Beklagten, einen "Darlehensvertrag" über eine Summe von € 6.770,13. Der Vertrag hat -auszugsweise - folgenden Wortlaut:

Das Darlehen resultiert aus dem Soll-Saldo des Provisionskontos Nr. 20368 - Stand: 30.11.2009 - in Höhe von € 4.288,70 sowie den nicht bezahlten Sozialabgaben gemäß Aufstellung des Personalbüros in Höhe von € 2.481,43.

Für das Darlehen werden 5% keine Zinsen Zinsen berechnet.

Die Belastung der Zinsen erfolgt monatlich.

Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt ab November 2009 in monatlichen Raten von € 50,00, die vom Gehalt bei [der Beklagten] einbehalten werden.

... "

Am 25.06.2010 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über eine Summe von € 41.197,09. Dieser Vertrag hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"Das Darlehen resultiert ersichtlich auf dem Provisionskonto Nr. 30019 sowie dem Darlehenskonto Nr. 9185.

Für das Darlehen werden 7% Zinsen berechnet.

Die Belastung der Zinsen erfolgt monatlich.

Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt ab Juli 2010 in monatlichen Raten von € 150,00 über das Provisionskonto.

...."

Die Beklagte behielt vom abgerechneten Nettoarbeitsentgelt des Klägers in folgenden Monaten folgende Beträge ein:

Monat

Gesamt netto

Einbehalt netto

Auszahlung netto

Mai 2011

€ 870,05

€ 381,57

€ 488,48

August 2011

€ 870,05

€ 447,80

€ 422,25

Januar 2012

€ 875,71

€ 424,57

€ 451,14

Februar 2012

€ 869,41

€ 446,85

€ 442,56

März 2012

€ 330,40

€ 330,40

€ 0,00

SUMME

€ 2.031,19

Mit seiner am 26.07.2012 beim Amtsgericht Mainz eingegangenen Klage verlangte der Kläger von der Beklagten die Zahlung von € 2.031,19 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszi...

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