Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. Sanierungsbedarf. Kündigungsfrist. Annahmefrist. zwingendes Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Änderungskündigung ist insgesamt unwirksam, wenn ihr Änderungsangebot mehrere Änderungen vorsieht, von denen nur eine sozial ungerechtfertigt ist.

2. Eine Änderungskündigung ist unwirksam, wenn die angebotenen Änderungen vor Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft treten sollen.

3. Eine Änderungskündigung, die mit Sanierungsbedarf begründet wird, ist sozial ungerechtfertigt, wenn ihr Änderungsangebot neben Entgeltkürzungen auch Änderungen vorsieht, deren Sanierungseffekt weder ersichtlich noch vorgetragen ist – wie die Einführung einer bislang nicht vorgesehenen Vertragsstrafe oder die Unterwerfung unter eine jeweilige „Arbeitsordnung”.

4. Eine Änderungskündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn ihr Änderungsangebot auch Abmachungen enthält, die gegen zwingendes Recht verstoßen – etwa gegen §§ 4, 4a EFZG oder § 11 BurlG.

5. Es bleibt offen, ob es zur Unwirksamkeit einer Änderungskündigung führt, wenn der Arbeitgeber mit ihr eine Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Annahmefrist verbindet.

6. Es dürfte unzulässig sein, Vergütungsbestandteile in einem Umfang von über 30 % des Einkommens unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen.

 

Normenkette

KSchG § 2; BUrlG § 11; EFZG § 4; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 23.08.2001; Aktenzeichen 7 Ca 1910/01)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen die am 23.08.2001 verkündeten Urteile des Arbeitsgerichts Aachen – 7 Ca 1818/01 und 7 Ca 1910/01 – werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die nicht tarifgebundenen Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung. Die beklagte oHG ist ein Speditionsunternehmen, das im Mai 2001 ca. 73 Arbeitnehmer, davon 68 gewerbliche, in ihrem betriebsratslosen Betrieb beschäftigte. Die Kläger, denen gegenüber inzwischen eine mehrmonatige Kündigungsfrist einzuhalten ist (Kläger zu 1: drei Monate, Kläger zu 2: 5 Monate), waren bei ihr seit September 1991 (Kläger zu 1) bzw. August 1986 (Kläger zu 2) ohne schriftlichen Arbeitsvertrag als Kraftfahrer in der 6-Tage-Woche tätig gegen eine arbeitstägliche Grundvergütung von 170,86 DM zuzüglich „Einsatzprämie” von 54,16 DM. Sie hatten Anspruch auf 35 Werktage Urlaub im Jahr, dessen Vergütung auf der Basis einer 5-Tage-Woche berechnet wurde. Mit Schreiben vom 30.03.2001 kündigte die Beklagte den Klägern wie allen ihren Kraftfahrern „zum nächst zulässigen Termin” aus betriebsbedingten Gründen und bot innen an, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzusetzen, wenn sie den als Anlage beigefügten Arbeitsvertrag innerhalb von 14 Tagen unterschrieben zurückreichten. Der im Entwurf „beigefügte Arbeitsvertrag” enthält 18 Ziffern (Ziffern 13 bis 15 sind zweimal vergeben) und sieht ein Inkrafttreten zum 01.05.2001 vor (Präambel); ferner eine Reduzierung der Grundvergütung auf 165,– DM (Ziff. 7) und der Einsatzprämie auf 50,– DM (Ziff. 8), wobei letztere den in Ziffer 14 enthaltenen Regeln über Sonderzahlungen unterworfen sein sollte (freiwillig, ohne Anspruch und nicht für Arbeitnehmer in gekündigter Stellung) und – abweichend von der bisherigen Praxis einen Arbeitseinsatz voraussetzte, noch dazu in einer Entfernung von mehr als 10 km vom Sitz der Beklagten entfernt. Für den Urlaub sieht der Arbeitsvertragsentwurf eine Reduzierung auf 30 Werktage ohne Abgeltungspflicht i.S.d. § 7 Abs. 4 BUrlG für den vertraglichen Mehrurlaub vor (Ziff. 11); er enthält ferner einen Zustimmungsvorbehalt für Lohnabtretungen mit Kostenübernahme durch den Arbeitnehmer (Ziff. 12), einen Zustimmungsvorbehalt für Nebentätigkeiten (Ziff. 12), Regelungen zur Meldepflicht im Krankheitsfall und zum Umfang der Kraftfahrerpflichten (Ziff. 13), eine Vertragsstrafe (zweite Ziff. 13), einen Hinweis auf eine Arbeitsordnung, die Bestandteil des Arbeitsvertrages sein soll (zweite Ziff. 14), eine Schriftformklausel (zweite Ziff. 15) und anderes mehr. Mit Schreiben vom 08.04.2001 teilte die Beklagte den Klägern mit, der „neue Arbeitsvertrag” werde noch wie vereinbart ergänzt – u. a. dadurch, daß im Urlaubs- und Krankheitsfall die entfallende Einsatzprämie durch ein Ausfallgeld in Höhe von 25,– DM ersetzt und der Urlaubsanspruch bei längerer Betriebszugehörigkeit staffelweise aufgestockt werde. Alle bis auf sechs Kraftfahrer haben das Änderungsangebot vorbehaltlos, der Kläger zu 1 hat es unter Vorbehalt, der Kläger zu 2 hat es nicht angenommen. Der Kläger zu 1 hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30.03.2001 nicht geändert wird.

Der Kläger zu 2 hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30.03.2001 nicht beendet wird;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fern-LKW-Fahrer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt erst- und zweitinstanzlich Klageabweisung und verweist auf i...

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