Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung der Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage wegen vorzeitiger Kündigung des Ausbildungsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein vom Auszubildenden geltend gemachter Schadensersatzanspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BBiG es erfordert, dass der Auszubildende gegen eine vom Ausbilder ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG erhebt, ist eine offene Rechtsfrage.

2. Für eine Schadensersatzklage des Auszubildenden ohne Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist jedenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da hinreichende Erfolgsaussicht besteht (entgegen Sächs. LAG, 20. Mai 2015, 4 Ta 29/15 (1), [...]).

3. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010, 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354) zur Berücksichtigung des aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz bei der Auslegung und Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen handelt es sich um eine offene und ausschließlich im Hauptsacheverfahren zu entscheidende Rechtsfrage, ob die gerichtliche Geltendmachung einer Zahlungsforderung auch durch einen Prozesskostenhilfeantrag mit Klageentwurf erfolgen kann (vgl. LAG Hamm, 14. Juni 2011, 14 Ta 768/10, LAGE TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 57).

4. Zwar kann in der Verwendung des Wortes "vorab" ein Anzeichen dafür liegen, dass nur ein Prozesskostenhilfegesuch vorliegt und keine gleichzeitige Klageerhebung. Dies allein reicht jedoch nicht, da mit dem Begriff "vorab" auch eine zügige Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch insbesondere vor Anberaumung eines Termins angeregt sein kann. Es fehlt ohne zusätzliche Anhaltspunkte aus der Verwendung dieses Begriffes allein die Eindeutigkeit dafür, dass lediglich ein Prozesskostenhilfegesuch und nicht gleichzeitig eine Klage erhoben wird.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1; BBiG § 23; TVG § 4 Abs. 4 S. 3; ZPO § 114; GG Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Entscheidung vom 21.07.2015; Aktenzeichen 3 Ca 417/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 21. Juli 2015 (2 Ca 417/15) teilweise abgeändert.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die Anträge zu 2. und 3. aus der Klageschrift vom 28. April 2015 bewilligt. Im Umfang der Bewilligung wird dem Kläger Rechtsanwalt E aus E1 zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug beigeordnet.

Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist teilweise begründet. Für die mit den Anträgen zu 2. und 3. erhobene Klage auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Feststellung des Ersatzes künftiger Schäden besteht hinreichende Erfolgsaussicht. Dies gilt jedoch nicht für den Antrag zu 1., mit dem der Kläger noch offene Ausbildungsvergütung für den Zeitraum September 2014 bis Februar 2015 geltend macht.

1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragsstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 408 f. m. w. N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413, C. I. 2. b) der Gründe; 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489, II. 1. a) der Gründe). § 114 Abs. 1 ZPO sieht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfG, 13. März 1990, a. a. O.; 10. August 2001, 2 BvR 569/01, AP GG Art. 19 Nr. 10, B. I. 1. der Gründe). Der Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei muss vom Gericht aufgru...

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