Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedingung. Erfolgsaussicht. bedingte Klageerhebung. Kündigungsschutzklage. Prozesskostenhilfeantrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die hinreichende Erfolgsaussicht für eine unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Klage gegen eine Kündigung besteht nunmehr wieder.

2. Die Richtigkeit der Auffassung, dass ein solcher Antrag nicht geeignet ist, die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG zu wahren, ist aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz bei der Auslegung und Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen, die eine gerichtliche Geltendmachung verlangen (vgl. BVerfG, 1. Dezember 2010, 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354), zweifelhaft geworden und als offene Rechtsfrage in einem Hauptsacheverfahren erneut zu überprüfen.

3. Dies gilt auch für die Annahme, dass die nachträgliche Zulassung einer solchen Klage nicht möglich ist.

 

Normenkette

KSchG § 4 S. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 05.11.2010; Aktenzeichen 5 Ca 2865/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 5. November 2010 (5 Ca 2865/10) abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 2. November 2010 bewilligt, soweit er sich gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 4.Oktober 2010 wendet.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm im Umfang der Bewilligung Rechtsanwalt S1 aus H1 beigeordnet.

Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Antragsteller keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Kündigungsschutzklage. Er war seit dem 28. Oktober 2010 bei dem Antragsgegner beschäftigt und wurde von diesem mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt mit der Begründung, der Antragsteller habe am 4. Oktober weder seine Arbeit angetreten noch sich gemeldet. Der Zugang der Kündigung ist nicht vorgetragen, sie lag dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 14. Oktober 2010 vor. Mit dem am 21. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und nach deren Bewilligung die Erhebung einer Kündigungsschutzklage angekündigt. Am 2. November 2010 ging die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst vollständigen Belegen ein.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2010 teilte das Arbeitsgericht dem Antragsteller Folgendes mit: „… im o. g. Verfahren wird auf § 4 KSchG hingewiesen.” Es erfolgte keine unbedingte Erhebung der Kündigungsschutzklage. Auch nach Erlass der hier angefochtenen Entscheidung, mit der der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf diese unterbliebene Klageerhebung und die Versäumung der Frist des § 4 S. 1 KSchG zurückgewiesen wurde, hat der Antragsteller weder eine unbedingte Kündigungsschutzklage erhoben noch einen Antrag auf nachträgliche Zulassung einer solchen Klage gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 46 Abs. 2 S. 3, § 78 S. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 S. 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige und als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Dem Antragsteller kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe trotz der unter dieser Bedingung erfolgten Erhebung der Kündigungsschutzklage entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch der erkennenden Kammer nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO insgesamt verweigert werden.

1. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage, 2010, Rn. 408 f. m.w.N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgscha...

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