Entscheidungsstichwort (Thema)

bedingte Klageerhebung. Klagefrist. Kündigungsschutzklage. Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klage besitzt keine hinreichende Erfolgsaussicht i. S. d. § 114 ZPO, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489)

2. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wahrt nicht die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG.

3. Soweit ein Schriftsatz die formellen gesetzlichen Anforderungen an eine Klageschrift erfüllt, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingt erhobene Klage bestimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (std. Rspr. des BGH, vgl. statt aller BGH, 17 Dezember 2008, XII ZB 185/08, NJW-RR 2009, 433).

4. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für eine Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die Wahrung der Frist des § 4 Satz 1 KSchG besteht, wenn ein mit „Klage und Prozesskostenhilfegesuch” überschriebener Schriftsatz mit der Erklärung, dass Klage erhoben werde und um die Anberaumung eines Gütetermins gebeten werde, eingeleitet wird, im Anschluss daran die Erklärung enthält, der Kläger beantrage zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und werde danach beantragen, die Unwirksamkeit einer Kündigung festzustellen, sich an die Anträge die Begründung einer Kündigungsschutzklage anschließt und der Schriftsatz ordnungsgemäß unterzeichnet ist.

 

Normenkette

KSchG § 4 S. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 20.05.2009; Aktenzeichen 2 Ca 757/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 20. Mai 2009 (2 Ca 757/09) aufgehoben.

Dem Kläger wird für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift vom 17. März 2009 mit Wirkung ab 9. April 2009 Prozesskostenhilfe bewilligt.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm insoweit Rechtsanwalt H2 aus M1 zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts Bocholt ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit seinem am 17. März 2009 beim Arbeitsgericht per Fax eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag, welcher als „Klage und Prozesskostenhilfegesuch” überschrieben ist, erklärte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten folgendes:

Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und bitte um Anberaumung eines Gütetermins.

Ich beantrage zunächst,

dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners zu bewilligen.

Zur Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs verweise ich auf die anliegende Erklärung der Partei über ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse.

Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe werde ich beantragen,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 24. Februar 2009 aufgelöst worden ist,
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. März 2009 hinaus fortbesteht,
  3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

    Hilfsweise wird für den Fall, dass die Feststellungsanträge zu Ziffer 1) und 2) abgewiesen werden, folgender Antrag angekündigt,

  4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Der Schriftsatz enthält im Übrigen ausschließlich eine Begründung der Kündigungsschutzklage (Antrag zu 1) und ist vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet. Dem Schriftsatz beigefügt war die vom Kläger unterzeichnete Prozessvollmacht wegen „Kündigung des Arbeitsverhältnisses”, der befristete Arbeitsvertrag mit der Beklagten vom 17. März 2008, eine Arbeitsanweisung hierzu sowie eine Kopie des Kündigungsschreibens. Für den Prozesskostenhilfeantrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt.

Mit Zwischenverfügung vom 20. März 2009 forderte das Arbeitsgericht die Vorlage des Mietvertrages und/oder von Kontoauszügen bzgl. Miete und Nebenkosten an. Dies wurde fristgerecht am 9. April 2009 vom Kläger eingereicht. Die am 15. April 2009 gerichtsintern erfolgte Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergab, dass Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt werden konnte. Erstmals mit Schreiben vom 28. April 2009 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er eine bedingte Kündigungsschutzklage erhoben habe und deswegen es an ...

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