Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezahlte Freistellung bei schwerer Erkrankung von Angehörigen. Bezahlte Freistellung nach Tarifvertrag. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 8 Abs. 1 Ziffer 5 MTV Chem. Industrie gewährt bei stationärer Unterbringung der Ehefrau des Arbeitnehmers dann keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn dieser zur Versorgung minderjähriger Kinder stellvertretend den Haushalt führt. Insoweit liegt keine „Anwesenheit des Arbeitnehmers zur vorläufigen Sicherung der Pflege” i.S.d. Tarifbestimmung vor.

 

Normenkette

MTV Chemische Industrie § 8 Abs. 1 Ziff. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Urteil vom 04.12.2006; Aktenzeichen 5 Ca 2449/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 04.12.2006 – 5 Ca 2449/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Streitwert: 218,18 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die bezahlte Freistellung des Klägers nach § 8 Abs. 1 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages der Chemischen Industrie (im Folgenden: MTV).

Der Kläger ist bei der Beklagten zu einer Vergütung von monatlich ca. 2.400,– EUR brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die Chemische Industrie Anwendung.

Die Ehefrau des Klägers befand sich am 16. und 17.03.2006 entsprechend einer vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 16.03.2006 (Bl. 4 d.A.) in stationärer Krankenhausbehandlung. Unter Berufung auf die Regelung des § 8 Abs. 1 Ziff. 5 MTV beantragte der Kläger für diese beiden Tage bezahlten Sonderurlaub. Die Beklagte stellte ihn für diese Tage unter Fortzahlung der Vergütung frei, rechnete sie hingegen auf den tariflichen Urlaubsanspruch des Klägers an. Eine bezahlte Freistellung nach § 8 Abs. 1 Ziff. 5 MTV lehnte sie hingegen ab.

In der Tarifbestimmung lautet es wie folgt:

§ 8

Freistellung von der Arbeit

I.

Freistellungskatalog

Dem Arbeitnehmer ist ohne Anrechnung auf seinen Urlaub und ohne Verdienstminderung Freizeit wie folgt zu gewähren:

1.

bei seiner Eheschließung

2 Tage

2.

anlässliche der Geburt seines Kindes bei nichtehelichen Kindern ist der Vaterschaftsnachweis durch eine Bescheinigung des Jugendamtes zu erbringen, andernfalls ist der gewährte Freistellungstag als Urlaubstag anzurechnen. Ist die Anrechnung auf den laufenden Jahresurlaub nicht möglich, erfolgt die Verrechnung im folgenden Urlaubsjahr

1 Tag

3.

bei Teilnahme an der Hochzeit seiner Kinder, Stief- oder Pflegekinder sowie der goldenen oder diamantenen Hochzeit der Eltern oder Stiefeltern

1 Tag

4.

bei seiner silbernen Hochzeit

1 Tag

5.

bei schwerer Erkrankung von zur Hausgemeinschaft gehörenden Familienmitgliedern, sofern der Arzt bescheinigt, dass die Anwesenheit des Arbeitnehmers zur vorläufigen Sicherung der Pflege erforderlich ist.

bis zu 2 Tage

6.

bei Tod seines Ehegatten

3 Tage

7.

bei Tod seiner Eltern oder Kinder; sowie bei Tod seiner Stiefeltern, Schwiegereltern, Geschwister, Stiefkinder oder Pflegekinder, falls sie mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebten

2 Tage

8.

bei der Teilnahme an der Beisetzung von Stiefeltern, Schwiegereltern, Geschwistern, Stiefkindern, Schwiegerkindern oder Pflegekindern, die nicht mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebten

1 Tag

9.

bei Arbeitsjubiläen nach 25-, 40- und 50jähriger Betriebszugehörigkeit

1 Tag

Mit der am 18.09.2006 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Freistellung an diesen beiden Tagen auf den tariflichen Jahresurlaub anzurechnen. Hierzu hat er die Ansicht vertreten, bereits nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung komme es darauf an, dass die Pflege des Erkrankten durch die Präsenz des zur Freistellung Berechtigten gesichert werden sollte, wobei eine Sicherung auch dadurch erfolgen könne, dass der Arbeitnehmer zur Versorgung der Kinder anstelle des Erkrankten den Haushalt führe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den dem Kläger für den 16. und 17.03.2006 gewährten Urlaub auf den dem Kläger zustehenden Jahresurlaub anzurechnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine bezahlte Freistellung nach der Tarifbestimmung seien nicht gegeben. Die Pflege der Ehefrau des Klägers im Krankenhaus sei auch ohne dessen Anwesenheit im Haushalt sichergestellt gewesen. Die Haushaltsführung und Beaufsichtigung der Kinder während der Erkrankung eines anderen Familienmitgliedes werde von der tariflichen Regelung nicht erfasst. Entsprechend könne sich ein ärztliches Attest auch nur auf die Erkrankung des Patienten und die Notwendigkeit der Pflege beziehen, nicht aber auf die Erforderlichkeit der Haushaltsführung und Kinderbetreuung.

Durch Urteil vom 04.12.2006, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Krefeld die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 218,18 EUR festgesetzt. Das Ge...

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