Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Beschluss vom 28.01.1988; Aktenzeichen 5 BV 76/87)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 28.01.1988 – 5 BV 76/87 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Der Antragsteller, der in dem Wuppertaler Betrieb der Antragsgegnerin gebildete Betriebstat, hat zusammen mit den Betriebsräten anderer Betriebe eine Betriebsvereinbarung mit der Antragsgegnerin abgeschlossen. In § 6 Nr. 3 dieser Betriebsvereinbarung ist u.a. bestimmt, daß Arbeitnehmer „bei Hochzeit der Kinder” einen bezahlten freien Tag erhalten (wegen des Gesamtwortlauts der Betriebsvereinbarung siehe Bl. 4–10 d.A.).

Die bei der Antregsgegnerin beschäftigte Arbeitnehmerin L. beantragte im Hinblick auf diese Bestimmung für den 22.09.1987 einen freien Tag, da an diesem Tag ihr Stiefsohn heiratete. Frau L. war erst durch die Eheschließung vom 16.12.1985 Stiefmutter des damals bereits 28 Jahre alten Bräutigams geworden, der schon damals einen eigenen Hausstand in einem anderen Ort führte. Die Antragsgegnerin war auch nach Einschaltung des Antragstellers durch die Arbeitnehmerin nicht bereit, diesem Begehren Rechnung zu tragen.

Nachdem der Antragsteller zunächst beschlossen hatte, die Einigungsstelle anzurufen, hat er sodann das vorliegende Beschlußverfahren anhängig gemacht. Vor dem Arbeitsgericht hat er zuletzt beantragt,

festzustellen, daß die Antragsgegnerin bei Fallgestaltungen wie im „Fall L.” verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer aufgrund § 6 Ziff. 3 der Betriebsvereinbarung vom 01.10.1972 bei Hochzeit der Kinder einen bezahlten freien Tag zu gewähren, hilfsweise,

festzustellen, daß unter „Kinder” in der Betriebsvereinbarung vom 01.10.1972 unter § 6 Ziff. 3 auch Adoptivkinder, Stiefkinder und Pflegekinder zu verstehen sind.

Mit Beschluß vom 28.01.1988 hat des Arbeitsgericht diese Anträge zurückgewiesen. Die Anträge seien wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Auf die (Entscheidungs-)Gründe wird verwiesen.

Mit der Beschwerde beantragt der Antragsteller nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, daß die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Arbeitnehmern gemäß § 6 Ziff. 3 der Betriebsvereinbarung vom 01.10.1972 bei Hochzeit der Stiefkinder einen bezahlten freien Tag zu gewahren. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses, die Beschwerdebegründung vom 02.05.1988 (Bl. 55–58 d.A.) und die Beschwerdeerwiderung vom 06.06.1988 (Bl. 64–68 d.A.). Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das Protokoll des Anhörungstermins vom 16.06.1988 (Bl. 69–71 d.A.) und den sonstigen Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

B

Die Beschwerde des Antragstellers hat im Ergebnis keinen Erfolg. I. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts muß der nunmehr zur Beurteilung anstehende (eingeschränkte) frühere Hilfsantrag als letztlich zulässig angesehen werden.

Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung von Betriebsvereinbarungen sind im Beschlußverfahren auszutragen (vgl. Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, BetrVG, 15. Auflg., § 77, Rdnr. 71, Dietz – Richardi, BetrVG, 6. Auflg. § 77, Rdn. 157).

Das für einen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse ist allerdings nur denn gegeben, wenn die Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Ob diese Voraussetzung hier gegeben ist, könnte nach dem Wortlaut des vom Antragsteller gestellten Antrags zweifelhaft sein. Das Bundesarbeitsgericht hält indes Anträge der vorliegenden Art dahin ausdeutber, daß zugleich die Feststellung begehrt werden soll, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Betriebsvereinbarung mit dem vom Betriebsrat behaupteten Inhalt durchzuführen, was auf die Feststellung eines Rechtssverhältnisses hinausläuft (BAG AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972). Eine solche Auslegung des Antrags ist auch hier geboten. Der Antragsteller reklamiert in der Beschwerdebegründung unter Zitierung (u.a.) des v.g. Beschlusses ausdrücklich einen Anspruch auf Erfüllung der Betriebsvereinbarung.

Der Antrag ist entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht deshalb unzulässig, weil der Antragsteller mit der Durchführung des vorliegenden Verfahrens gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) verstieße.

Ein konkreter Streitfall hat sich bereits ergeben. Bei der Größe allein des Wuppertaler Betriebs sind weitere Streitfälle in der Zukunft wahrscheinlich. Eine Heirat bzw. eine Wiederheirat von Personen mit Kindern, was im Normalfall dazu führt, daß die Kinder Stiefkinder des anderen Ehegatten werden, ist ein häufig vorkommender Fall. Ein Rechtsschutzinteresse an einer allgemeinen Klärung, wie in Fällen dieser Art entsprechend der Betriebsvereinbarung zu verfahren ist, kann dem Antragsteller daher nicht abgesprochen werden. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, daß es vorausichtlich in der Vielzahl der Fälle (Stiefkinder, die zum Haushalt gehören) nicht zu einem Streit kommen ...

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