Entscheidungsstichwort (Thema)

Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bei Beschwerde gegen Abmahnung oder einzelne Anspruchsvoraussetzungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig, wenn eine Beschwerde eines Arbeitnehmers eine Abmahnung betrifft.

Das gleiche gilt, wenn mit ihr eine Vortrage aufgegriffen wird, die auch im Rahmen eines Verfahrens zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte überprüft werden muß.

Eine einzelne Voraussetzung eines Rechtsanspruches kann nicht isoliert im Beschwerdeverfahren von der Einigungsstelle entschieden werden.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 85 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 21.04.1988; Aktenzeichen 27 BV 31/88)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. April 1988 – 27 BV 31/88 – abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Mit Schreiben vom 27.08.1987 erteilte die Antragsgegnerin der Mitarbeiterin … eine Abmahnung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 5 d.A.). Die Mitarbeiterin beschwerte sich mündlich bei dem Antragsteller. Mit Schreiben vom 15.09.1987 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und begehrte die Zurückziehung der Abmahnung. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen (Bl. 6 d.A.). Mit Schreiben vom 05.10.1987, in dem die Forderung auf Zurückziehung der Abmahnung wiederholt wurde, teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, daß er die innerbetrieblichen Verhandlungsmöglichkeiten als ausgeschöpft ansehe und nunmehr die Einigungsstelle anrufen werde. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 7 d.A.).

In dem vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Entscheidung über die Beschwerde der Mitarbeiterin

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, daß die Beschwerde der Mitarbeiterin nicht die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte zum Gegenstand habe, vielmehr sei es der Mitarbeiterin darum gegangen, daß bei der subjektiven Vorwerfbarkeit einer objektiv fehlerhaften Tourenabrechnung die saisonalbedingten Mehrbelastungen sowie die Mehrbelastungen durch Personalausfälle in ihrer Abteilung berücksichtigt werden müßten. Auch sei es der Mitarbeiterin bei der Beschwerde darum gegangen, daß er, der Antragsteller, darauf hinwirken solle, daß in den Abteilungen vergleichbare Grundsätze bei der Erteilung von Abmahnungen beachtet würden.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, daß Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch der Mitarbeiterin … sei, diese hätte selbst gegen die Abmahnung vor dem Arbeitsgericht vorgehen können. Die von dem Antragsteller angeführten Gesichtspunkte hinsichtlich der Mehrarbeit und der zusätzlichen Belastung der Mitarbeiterin sowie der Ungleichbehandlung bei der Erteilung der Abmahnungen könnten bei einer individual-rechtlichen Überprüfung der Abmahnung berücksichtigt werden.

Von der weiteren Darstellung des Vorbringens der Beteiligten in erster Instanz wird in entsprechender Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Durch Beschluß vom 21.04.1988 hat das Arbeitsgericht den Richter am Arbeitsgericht … zum Vorsitzenden der bei der Antragsgegnerin zu bildenden Einigungsstelle zur Entscheidung über die Beschwerde der Mitarbeiterin … bestellt. Ferner hat es die Zahl der Beisitzer auf jeweils zwei festgesetzt. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl. 21–27 d.A.) verwiesen.

Gegen diesen ihr am 26.05.1988 zugestellten Beschluß hat die Antragsgegnerin am 08.06.1988 Beschwerde eingelegt, die sie zugleich begründet hat.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, daß die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei, da mit der Beschwerde der Mitarbeiterin … ein Rechtsanspruch verfolgt würde. Es liege in der Natur der Sache, daß bei der Beurteilung des Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers auch die Ursachen hierfür mit zu berücksichtigen seien. Dies gelte auch für das von dem Antragsteller behauptete angebliche unterschiedliche Abmahnsystem innerhalb der verschiedenen Abteilungen. Im übrigen könnten kollektive, gar mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten niemals Gegenstand einer individualrechtlichen Beschwerde eines einzelnen Arbeitnehmers sein. Auch seien Abmahnungen keine Fragen der Ordnung des Betriebes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Andere Mitbestimmungstatbestände des § 87 BetrVG seien nicht erkennbar. Auch sei nicht erkennbar, worüber die Einigungsstelle überhaupt zu befinden habe. Ein konkreter Entscheidungsrahmen sei nicht vorhanden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, daß er nie einen Zweifel darüber gelassen habe, daß es ihm bei der Anrufung der Einigungsstelle nicht um einen individuellen Rechtsanspruch der Mitarbeit...

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