Rz. 48

Gemäß der Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) Abhängigkeitskranker v. 4.5.2001 – auch Vereinbarung "Abhängigkeitserkrankungen" genannt (veröffentlicht im Internet unter https://www.vdek.com/vertragspartner/vorsorge-rehabilitation/abhaengigkeit/_jcr_content/par/download/file.res/abh_vereinb_040501.pdf) – ist zwischen den stoffgebundenen und den nicht stoffgebundenen Süchten zu unterscheiden. Eine stoffgebundene Sucht i. S. d. Vereinbarung ist die Medikamenten-, Alkohol- oder Drogensucht.

Zu den nicht stoffgebundenen Süchten zählt die Rehabilitation von pathologischen Glücksspielern, die Magersucht/Ess- und Brechsucht und die pathologische Sucht nach Computer- und Internetnutzung. Diese werden jedoch überwiegend über die indikationsspezifische psychiatrische/psychosomatische Rehabilitation therapiert.

Die sonstigen Suchtkrankheiten (z. B. Tabaksucht, Arbeitssucht, Koffeinsucht) sind nicht Gegenstand von speziellen Rehabilitationsleistungen i. S. d. Rehabilitationsträger.

In der Regel beantragt die Sucht-Beratungsstelle (Caritas-Verbände, Diakonische Werke usw.) zusammen mit dem abhängigkeitskranken Versicherten die medizinische Sucht-Rehabilitation über einen individuellen Antrag, dem

  • ein medizinisches Gutachten/ein ärztlicher Befundbericht über die medizinische Notwendigkeit der Rehabilitation mit Prognose und
  • ein aussagekräftiger, fachgerecht erstellter Sozialbericht

beigefügt ist (vgl. § 6 Abs. 1 der Vereinbarung). Ziele sind die Erreichung der Abstinenz und die Behebung von körperlichen und seelischen Störungen. Weiter soll eine dauerhafte Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft erreicht werden.

Hinsichtlich der Behandlung und Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen unterscheidet man folgende 4 Phasen:

2.4.4.3.1 Entzug

 

Rz. 49

Der Rehabilitation von Abhängigkeitskranken geht i. d. R. eine Entzugsbehandlung (§ 3 der Vereinbarung) voraus. Diese Entzugsbehandlung wurde in der Vergangenheit auch als Entgiftungs- oder Akutbehandlung bezeichnet und dauert i. d. R. zwischen 7 und 21 Tagen. Der Patient wird in dieser Zeit von qualifiziertem Fachpersonal betreut ("qualifizierte" Entgiftung).

Die Entgiftung erfolgt in aller Regel auf ärztliche Veranlassung oder als Notfall in den entsprechenden Abteilungen der psychiatrischen Landeskliniken oder der Allgemeinkrankenhäuser. Die Kosten der Entgiftungsbehandlung trägt die Krankenkasse (§ 39 SGB V); eine vorrangige Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers ist bei diesen Krankenhausleistungen nicht gegeben (§ 40 Abs. 4 SGB V wirkt nur bei medizinischen Rehabilitationsleistungen).

Der Entzug kann voll- oder teilstationär erfolgen. Bei Abhängigkeitskranken mit "gut funktionierendem", intakten Umfeld (Familienangehörige usw.) kann der Entzug in Ausnahmefällen auch ambulant durchgeführt werden.

2.4.4.3.2 Entwöhnung

 

Rz. 50

An die Entzugsbehandlung soll sich eine erforderliche Entwöhnungsphase nach Möglichkeit nahtlos anschließen, sofern der Patient entsprechend motiviert ist. Diese als Entwöhnung bezeichnete Phase (§ 4 der Vereinbarung) dauert i. d. R. zwischen 8 und 26 Wochen. Ziel ist, den Versicherten vor allem durch die Einwirkung von Psychologen, Sportlehrern, Sozialarbeitern usw. von seinem schädigenden Suchtverhalten abzubringen.

Bei der Entwöhnung handelt es sich immer um Rehabilitationsleistungen, für die der Rentenversicherungsträger bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (§§ 9 ff.) vorrangig vor der Krankenkasse zuständig ist (§ 40 Abs. 4 SGB V).

2.4.4.3.3 Adaption

 

Rz. 51

Die Adaption schließt sich an den Kernbereich der Entwöhnung an, wenn eine rein suchtklinisch ausgestaltete Leistung zur medizinischen Rehabilitation allein nicht ausreicht. Sie kommt insbesondere für Abhängigkeitskranke mit schweren psychosozialen Störungen in Betracht, die zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bei Beendigung der Entwöhnung ohne besondere Leistungen noch nicht in der Lage sind. Diese psychosozialen Störungen treten insbesondere auf bei langjährigen Abhängigkeitserkrankungen mit

  • zusätzlichen seelischen Störungen,
  • sozialer Entwurzelung,
  • Wohnungslosigkeit,
  • anhaltender Arbeitslosigkeit und
  • ungenügender beruflicher Sozialisation.

Ziel der Adaption ist die Stabilisierung und Verselbstständigung des ehemals Abhängigkeitserkrankten durch allmähliche Verringerung von Therapie und Betreuung. Im Vordergrund der Adaption steht, dass der Patient lernt, sein Leben auf Dauer selbstständig zu gestalten bzw. einzuteilen. Dabei bietet ihm die Adaption einen Rahmen und konkrete Hilfen zur Erprobung und zum Training der Fähigkeiten zur suchtmittelfreien Bewältigung von alltags- und arbeitsrelevanten Anforderungen und Bedarfen (z. B. Berufsorientierung durch unterschiedliche Praktika, Erlernen eines suchtfreien Lebens, Aufbau eines suchtmittelfreien Freundeskreises etc.). Die Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten hierfür ist § 15 SGB VI i. V. m. § 42 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX (Anmerkung: ...

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