0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand (Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz) v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 975) wurde mit Wirkung zum 1.7.2022 – neben den beiden neuen Regelungen in § 255i und § 255j – auch eine dritte neue Regelung mit § 255h in das SGB VI eingefügt; diese Vorschrift beinhaltet die Regelungen zum Auf- bzw. Abbau des vorzeitig wieder in Kraft gesetzten Ausgleichsbedarfs i. S. d. § 68a i. V. m. § 255g (vgl. auch Gesetzesmaterialien: BT-Drs. 20/1680 S. 28 f = BR-Drs. 170/22 S. 23 ff.).

Gültig ist die Vorschrift i. d. F. v. 28.6.2022 ab 1.7.2022.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Inhaltlich regelt die Vorschrift den Auf- bzw. Abbau des Ausgleichsbedarfs im Zusammenspiel mit der Schutzklausel nach § 68a und der Niveauschutzklausel nach § 255g. Abs. 1 enthält die Regelungen für die Fallkonstellationen für den Aufbau des Ausgleichsbedarfs. Abs. 2 bis 4 beinhalten Regelungen für den Abbau des Ausgleichsbedarfs. Abs. 5 regelt die Rechtsfolgen eines unveränderten Ausgleichsbedarfs. Abs. 6 schließlich regelt die Festlegung des Ausgleichsbedarfs im Sonderfall nach § 255i.

 

Rz. 3

Sinn der übergangsrechtlichen Vorschrift ist es, den Auf- und Abbau des Ausgleichsbedarfs in der Phase vom 1.7.2022 bis zum Ablauf des 1.7.2025 zu regeln, und zwar im Zusammenspiel mit der Schutzklausel nach § 68a und der Niveauschutzklausel nach § 255g.

 

Rz. 4

Eine Vorgängervorschrift existiert nicht.

 

Rz. 5

Korrespondierende Regelungen finden sich §§ 68, 68a sowie in den §§ 255e, 255g und 255i.

 

Rz. 6

Die Deutsche Rentenversicherung hat im Anwendungsbereich des SGB VI umfangreiche Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) geschaffen; zu § 255h liegen GRA aktuell (Stand: 30.9.2022) jedoch (noch) nicht vor.

2 Rechtspraxis

2.1 Aufbau des Ausgleichsbedarfs (Abs. 1)

 

Rz. 7

Im Zusammenspiel mit der Schutzklausel nach § 68a und der Niveauschutzklausel nach § 255g regelt § 255h Abs. 1 Fallkonstellationen für den Aufbau des Ausgleichsbedarfs.

 

Rz. 8

Der zeitliche Anwendungsbereich bezieht sich auf Fallgestaltungen bei der Ermittlung des aktuellen Rentenwerts in der Zeit vom 1.7.2022 bis zum Ablauf des 1.7.2025. Der zeitliche Anwendungsbereich ergibt sich aus der Anwendungsmaxime des § 255e, der die übergangsrechtlichen Regelungen zur Niveauschutzklausel – also das Sicherungsniveau vor Steuern nach § 154 Abs. 3a – für die Zeit vom 1.7.2019 bis zum 1.7.2025 enthält. Das Sicherungsniveau vor Steuern ist nach § 154 Abs. 3 (i. d. F. v. 28.6.2022, gültig ab 1.7.2022) nach wie vor nur bis zum Jahr 2025 garantiert. An der Gültigkeitsdauer dieser Haltelinie hat der Gesetzgeber auch durch das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 975) keine Änderung vorgenommen, weil sich die komplizierten Finanzierungsfragen (noch) nicht klären ließen. Es steht aber zu erwarten, dass die Haltelinie "Steuer" in einem späteren Gesetzgebungsverfahren auch über das Jahr 2025 fortgeschrieben wird (vgl. zu den Hintergründen der vorerst beibehaltenen Befristung der Haltelinie "Steuer" i. S. d. § 154 Abs. 3, 3a bis 2025: Fragen und Antworten zum Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz des BMAS, abrufbar im Internet: https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Gesetzliche-Rentenversicherung/Fragen-und-Antworten-Rentenanpassungsgesetz/faq-rentenanpassungsgesetz.html – zuletzt abgerufen am 30.9.2022; vgl. im Übrigen auch die Komm. zu § 255e Rz. 16).

 

Rz. 9

Ist der nach § 68 berechnete aktuelle Rentenwert geringer als der bisherige aktuelle Rentenwert, so ordnet Abs. 1 in der Rechtsfolge an, dass bei der Berechnung des Ausgleichsfaktors nach § 68a Abs. 2 die Niveauschutzklausel nach § 255e unbeachtet bleiben muss.

 

Rz. 10

Der Ausgleichsfaktor nach § 68a Abs. 2 errechnet sich, indem der nach § 68 berechnete – kleinere – aktuelle Rentenwert durch den bisherigen aktuellen Rentenwert geteilt wird. Dies erfolgt unabhängig von der Höhe des für die Einhaltung des Mindestsicherungsniveaus erforderlichen aktuellen Rentenwerts nach § 255e Abs. 2. Bei der Berechnung des Aufbaus des Ausgleichsbedarfs ist die Haltelinie für das Mindestsicherungsniveau von 48 % nicht zu beachten, da diese beim Abbau des Ausgleichsbedarfs beachtet wird (so die ausdrücklichen gesetzgeberischen Erwägungen, vgl. BT-Drs. 20/1680 S. 28 = BR-Drs. 170/22 S. 23, 24).

2.2 Abbau des Ausgleichsbedarfs bei Unterschreiten des Mindestsicherungsniveaus (§ 255e Abs. 2) – Abs. 2

2.2.1 Grundregel (Satz 1)

 

Rz. 11

Ergibt die Berechnung des aktuellen Rentenwertes nach § 68, dass dieser höher ist als der bisherige aktuelle Rentenwert, aber kleiner als der nach § 255e Abs. 2 berechnete aktuelle Rentenwert, so ordnet Satz 1 die Rechtsfolge an, dass keine Verrechnung unterbliebener Minderungswirkungen (Ausgleichsbedarf) mit Erhöhungen des aktuellen Rentenwerts erfolgen. Eine Verrechnung unterbliebener Minderungswirkungen kann dann nicht erfolgen, weil die Anpassung des aktuellen Rentenwerts dann nicht gemindert werden kann, da ansonsten das Mindestsicherungsniveau nicht mehr eingehalten würde. Es ist daher immer eine Verglei...

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