Eine weitere Möglichkeit, Sonderzahlungen zu flexibilisieren, ist, im Arbeitsvertrag sog. Stichtagsregelungen zu vereinbaren. Dabei wird der Anspruch auf eine einmalige Sonderzahlung bzw. Gratifikation vom Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht, sodass die Sonderzahlung zumindest dann entfällt, wenn der Arbeitnehmer vor dem Stichtag bereits eine Kündigung erhalten hat. Ob die Zahlung einer Gratifikation wirksam unter die Bedingung des ungekündigten Bestands des Arbeitsverhältnisses gestellt werden kann, ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die im Folgenden dargestellt werden.

5.1 Sonderzahlung ohne Entgeltcharakter

Zunächst ist für eine zulässige Stichtagsklausel Voraussetzung, dass die zugrunde liegende Sonderzahlung keine Belohnung für geleistete Arbeit darstellt. Die Sonderzahlung darf also weder "reinen" Entgeltcharakter, noch einen "Mischcharakter" haben. Denn eine Verknüpfung von Stichtagsregelung und einer Zahlung, die der Arbeitnehmer zumindest auch für geleistete Arbeit erhält, würde dazu führen, dass bereits erarbeiteter Lohn wieder entzogen würde – dies stünde aber im Widerspruch zu § 611a BGB.[1]

Das BAG erachtet dagegen arbeitsvertragliche Klauseln, nach denen eine Sonderzahlung nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft und nur den Arbeitnehmern zustehen soll, die zu einem maßgeblichen Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich für zulässig.[2]

 
Praxis-Beispiel

Gratifikation mit Entgeltcharakter

Wird dem Arbeitnehmer für seine Tätigkeit vertraglich "a) ein festes Monatsgehalt", "b) ein 13. Monatsgehalt, auszuzahlen mit dem Novembergehalt", zugesagt, hat die Gratifikation Entgeltcharakter und ist damit anteilig auch dann zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer z. B. zum 30.9. ausscheidet. Eine Stichtagsklausel wäre unwirksam.[3]

5.2 Transparenz

Stichtagsklauseln in Arbeitsverträgen müssen klar und verständlich formuliert sein i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Deshalb sollte klargestellt werden, dass ein Anspruch auf eine im Arbeitsvertrag konkret genannte Sonderzahlung erst bei Erreichen des Stichtags entsteht; denn ansonsten droht die Widersprüchlichkeit und damit Unwirksamkeit.[1]

Zudem muss eine Klausel den genauen Stichtag nennen, an dem das Arbeitsverhältnis noch bestehen oder ungekündigt sein muss.[2]

5.3 Bindungslänge

Die Frage, wie lange ein Arbeitnehmer zulässig über eine Stichtagsklausel gebunden werden darf, richtet sich nach der Höhe und dem Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit der Leistung.

Für die Wirksamkeit von einzelvertraglichen Rückzahlungsklauseln hat die Rechtsprechung Grenzwerte entwickelt, bei deren Überschreitung anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer durch die vereinbarte Rückzahlung in unzulässiger Weise in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübung behindert wird.[1]

Ob für Stichtagsregelungen nun dieselben Maßstäbe anzuwenden sind wie bei Rückzahlungsklauseln, wurde durch das BAG bislang nicht entschieden, aber in seiner Entscheidung vom 24.10.2007[2] angedeutet.

Vorsorglich sollten deshalb folgende "Grenzwerte" beachtet werden:

Eine Sonderzahlung bis zu 100 EUR kann nicht zurückgefordert werden. Eine am Jahresende zu zahlende Gratifikation, die über 100 EUR, aber unter einem Monatsbezug liegt, kann dagegen den Arbeitnehmer bis zum Ablauf des 31.3. des Folgejahres binden. Nur wenn die Gratifikation einen Monatsbezug erreicht, ist eine Bindung des Arbeitnehmers über diesen Termin hinaus zulässig. Hierbei ist für die grundsätzlich 3 Monate betragende Bindungsfrist unschädlich, wenn eine Weihnachtsgratifikation bereits im November ausgezahlt wird.[3]

5.4 Beendigungsgrund

Weiter zu betrachten ist, ob die Stichtagsklausel – wie Rückzahlungsklauseln jedenfalls bei Fortbildungsvereinbarungen – auch danach differenzieren müssen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers herrührt.

Das BAG war jedenfalls der Ansicht, dass es nicht unbillig oder treuwidrig sei, Arbeitnehmer im Fall einer sozial gerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung vom Bezug einer freiwilligen Sonderzahlung auszunehmen.[1] In der Entscheidung vom 18.1.2012 hat das BAG[2]

Folgendes ausgeführt:

"Es ist nicht unangemessen benachteiligend, dass die Weihnachtsgratifikation nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag durch den Arbeitgeber gekündigt ist und die Beendigung damit nicht auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen. Eine Stichtagsregelung ist nicht nur als Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer denkbar. Der Arbeitgeber kann […] unab...

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