1 Normzweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift soll vermeiden, dass der Vollstreckungsgläubiger bei gleichem Drittschuldner eine Vielzahl von Pfändungen für die jeweils fällig werdenden Bezüge erwirken muß. Die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nach bestimmten Zeiträumen entstehenden Forderungen sollen vielmehr durch einen einzigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erfaßt werden können (BAG, NJW 1993, 2699 = BAGE 72, 238-247, Rn. 29). Dieser Zweck kann gleichermaßen erreicht werden, wenn das Pfändungspfandrecht an später entstehenden Bezügen mit dem Entstehungszeitpunkt des Gehaltsanspruchs erworben wird, m.a.W. die Gehaltsforderung nur belastet mit dem Pfändungspfandrechtecht entsteht (LG Bonn, 24.10.2007, 5 S 44/07 – Juris).

2 Regelungsgehalt

 

Rz. 2

Die Vorschrift erfasst bei Gehaltsforderungen oder fortlaufenden Bezügen nach allgemeiner Meinung nicht nur bestehende, erst künftig fällig werdende, sondern auch künftige Forderungen (BGH, ZVI 2008, 433 m. w. N.). Insofern erspart dies dem Gläubiger Mühe und dem Schuldner Kosten. Eine Ausnahme gilt dann, wenn durch das Vollstreckungsgericht etwas anderes angeordnet wird (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 242). Die Verwendung des Begriffs "fällig werden" steht dem nicht entgegen. Auch künftige Forderungen werden erst in der Zukunft fällig. Unanwendbar ist § 832 ZPO, wenn Einkünfte durch jeweils selbstständige Tätigkeiten erzielt werden, wie bei z. B. Rechtsanwälten, Notaren und frei praktizierenden Ärzten (Musielak/Voit, § 832 Rn. 2). Aus dem Wort "auch" wird deutlich, dass die Pfändung den Anspruch auf Arbeitseinkommen als einheitliches Ganzes erfasst und sich auch auf Nachzahlungsansprüche für zurückliegende Zeiträume erstreckt (BAG ZInsO 2008, 869 = MDR 2008, 886 = ZVI 2008, 401 m. w. N.; OLG Frankfurt am Main, 16.3.2007, 2 U 100/04 – Juris; Geißler, Rpfleger 1987, 5 m. w. N.).

3 Voraussetzungen der Erstreckung des Pfandrechts

 

Rz. 3

Die Anwendbarkeit der Regelung setzt ein bereits entstandenes Pfandrecht an einer Forderung voraus. Das Pfandrecht entsteht durch die wirksame Beschlagnahme einer Forderung (§ 829 Abs. 3 ZPO). Liegt diese Voraussetzung vor, so ordnet das Gesetz an, dass in den Fällen, in denen die Forderung in fortlaufenden Bezügen besteht, auch die weiteren Bezüge von dem Pfandrecht erfasst werden. Einer weiteren Pfändung der zukünftig entstehenden oder fällig werdenden Forderung bedarf es daher nicht. Erfasst werden Gehaltsforderung oder ähnlich fortlaufende Bezüge (vgl. Rz. 5). Es genügen wiederholte Zahlungen aufgrund eines einheitlichen Rechtsverhältnisses zwischen Schuldner und Drittschuldner. Maßgeblich für diese Beurteilung ist die objektive Verkehrsauffassung. Wird z. B. die Vergütung eines Arbeitnehmers gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen, so wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegenstandslos, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. Wird allerdings später ein neues Arbeitsverhältnis begründet, so erfasst der erste Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dann die Vergütungsansprüche, wenn beide Arbeitsverhältnisse in einem inneren Zusammenhang stehen. Gleiches gilt bei Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses infolge einer Freiheitsstrafe (LG Essen, MDR 1963, 226), ebenso bei Beendigung und Neueinstellung, um die Pfändung zu umgehen (OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 1219; BAG, NJW 1993, 2701 = ZIP 1993, 1103 = DB 1993, 1625 = NZA 1993, 792 = MDR 1993, 1122 = Rbeistand 1993, 60 = WM 1994, 176 = KKZ 1994, 75 = EWiR 1993, 725; BAG, AP Nr. 2 zu § 832 ZPO; LSG Nordrhein-Westfalen, 28.1.1981, L 12 Ar 163/78 – Juris). Hinsichtlich der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von neun Monaten vgl. § 833 Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 4

Die Regelung erfordert nicht, dass im Zeitpunkt der Zustellung des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dem Schuldner bereits eine fällige Gehaltsforderung gegen seinen Arbeitgeber oder Dienstherrn zusteht (vgl. BAG NJW 1993, 2699, 2700 f; BGH, NJW 2003, 1457 = ZVI 2003, 110 = ZInsO 2003, 330 = MDR 2003, 525 = InVo 2003, 192 = BGHReport 2003, 519 = Rpfleger 2003, 305 =  KKZ 2003, 121 =  FamRZ 2003, 1010 =  DGVZ 2003, 118 = JurBüro 2003, 438 =  KTS 2003, 398 = ZAP EN-Nr. 330/2003 = DB 2003, 1509 = ProzRB 2003, 144). Voraussetzung ist lediglich, dass der Rechtsboden der gepfändeten künftigen Gehaltsforderung bereits geschaffen ist. Es genügt infolgedessen, wenn das zugrunde liegende Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht oder mit Wirkung für einen zukünftigen Beginn arbeitsvertraglich vereinbart oder hoheitlich geregelt ist. Bei Kettenarbeitsverträgen bedarf es in den Grenzen von § 833 Abs. 2 ZPO (i. d. F. v. Art. 23 Nr. 23 der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17.12.1997, BGBl. I S. 3039) nicht einmal einer bereits existenten Rechtsgrundlage.

 

Rz. 5

Die Höhe der einzelnen Zahlungsraten muss nicht gleich bleibend sein. Hierunter fallen zunächst Arbeitseinkünfte i. S. d. §§ 850 Abs. 2, 850b ZPO aber auch Ansprüche von Ärzten gegen die Kassenärztliche Vereinigung (OLG Nürnberg, InVo 2003, 78; OLG Celle, InVo 1999, 23), Arbeitnehmersparzulage (BAG, NJW 1977, 75 = DB ...

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