Leitsatz (amtlich)

1. Ansprüche von Ärzten gegen die Kassenärztliche Vereinigung auf Abschlagszahlungen für ärztliche Leistungen unterliegen dem Pfändungsschutz für „Arbeitseinkommen” nach § 850 ZPO.

2. Solche monatlichen Abschlagszahlungen stellen „fortlaufende Bezüge” i.S.d. § 832 ZPO dar.

3. Die Pfändung fortlaufender Bezüge i.S.d. § 832 ZPO ist nicht schon deshalb unwirksam, weil die gepfändete Forderung zum Zeitpunkt der Pfändung an einen anderen Gläubiger abgetreten war.

4. Die Hinterlegungsstelle eines AG kann die Hinterlegung ablehnen, wenn auf Grund eindeutiger Rechtslage objektiv keine Ungewissheit darüber besteht, wem der zu hinterlegende Betrag zusteht; daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich der Hinterleger bei der Einschätzung als ungewiss auf die Auskunft eines Rechtskundigen stützen kann.

 

Normenkette

ZPO §§ 832, 850; BGB § 372; HinterlO § 3

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Aktenzeichen 313 E)

 

Tenor

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Der Geschäftswert wird auf 3.683,89 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 3 HinterlO, § 23 EGGVG ist zulässig (I), aber nicht begründet (II).

I. Auslöser des Verfahrens ist die Weigerung derHinterlegungsstelle des AG Straubing, einen von der Antragstellerin bereit gestellten (Teil-)Betrag i.H.v. 26.763,37 DM (umgerechnet 13.683,89 Euro) zur Hinterlegung anzunehmen (Beschluss des AG Straubing – Hinterlegungsstelle – vom 21.8.2001, Az. HL 14/01).

Die hiergegen eingelegte Sachaufsichts-Beschwerde wies der Direktor des AG Straubing zurück (Bescheid vom 11.10.2001, Gz. 313 E HL 14/01).

Auch mit ihrer weiteren Sachaufsichts-Beschwerde zum Präsidenten des LG Regensburg hatte die Antragstellerin keinen Erfolg (Bescheid vom 26.2.2002, Gz. 313 E [HL 14/01 AG Straubing]).

Die Antragstellerin beantragt deshalb eine gerichtliche Entscheidung des OLG mit dem Ziel

1. die vorausgegangenen Bescheide aufzuheben und

2. die Hinterlegungsstelle beim AG Straubing anzuweisen, den angediendten (Teil-)Betrag zur Hinterlegung anzunehmen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig (§ 3 HinterlO, §§ 23, 24 EGGVG), die einmonatige Einlegungsfrist (§ 26 Abs. 1 EGGVG) ist gewahrt. Das OLG Nürnberg, in dessen Bezirk das LG Regensburg seinen Sitz hat, ist zur Entscheidung zuständig (§ 25 Abs. 1 EGGVG).

Der RechtsbeheIf der Antragstellerin bleibt jedoch ohne Erfolg.

II. Der angegriffene Bescheid des Präsidenten des LG Regensburg ist nichtig und entspricht sowohl i.E. als auch in der Begründung der Sach- und Rechtslage. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die eingehenden Ausführungen in den Gründen des Bescheids Bezug.

Im Hinblick auf die nach wie vor vorhandenen Bedenken der Antragstellerin gegen den vom Landgerichtpräsidenten (in Übereinstimmung mit den vorausgegangenen Entscheidungen) vertretenen Standpunkt hält es der Senat jedoch für zweckmäßig, die auch nach seiner Ansicht eindeutige Rechtslage noch einmal klarzustellen.

1. Bei den gepfändeten Ansprüchen der Schuldnerin handelt es sich um „Arbeitseinkommen” i.S.d. § 850 ZPO.

Zu dieser aus sozialen Gründen besonders geschützten Einkunfts-Kategorie zählen nach § 850 Abs. 2 ZPO nicht nur Einkünfte aus Arbeitsverhältnissen im engeren Sinne, sondern auch „sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen”. Hierunter fallen auch die Ansprüche von Kassenärzten gegen die Kassenärztliche Vereinigung aus ärztlichen Leistungen, somit auch die im konkreten Fall gepfändeten Ansprüche der Schuldnerin gegen die Antragstellerin auf monatliche Abschlagszahlungen.

Die Einstufung solcher „Arbeitseinkommen” als Einkünfte i.S.d. § 850 Abs. 2 ZPO, kann spätestens seit dem Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 5.12.1985 – IX ZR 9/85, BGHZ 96, 324 = MDR 1986, 404 = NJW 1996, 2362 = JZ 1986, 500 mit Anm. Brehm) als völlig h.M. in der vollstreckungsrechtlichen Praxis gelten (vgl. Zöller/Stöber, 23. Aufl., § 850 ZPO Rz. 9; Wieczorek-Lüke, 3. Aufl., § 850 ZPO Rz. 68; Thomas/Putzo, 24. Aufl., § 850 ZPO Rz. 7; Glasow, Rpfleger 1987, 289 ff.). Die Antragstellerin zeigt denn auch keine einzige Fundstelle in Rechtsprechung oder Lit. auf, die eine andere Rechtsmeinung vertritt.

Es mag zwar sein, dass die Antragstellerin selbst „seit jeher” davon ausgeht, dass ärztliche Honorarforderunoen nicht mit dem Arbeitseinkommen von Nichtselbstständigen gleichgesetzt werden können, und dass dieser Standpunkt „von verschiedenen Banken und Finanzämtern uneingeschränkt anerkannt” wird (vgl. Schreiben vom 17.8.2001). Diese Rechtsansicht entspricht jedoch in Bezug auf kassenärztliche Vergütungen und deren Einordnung als Arbeitseinkommen i.S.d. § 850 Abs. 2 ZPO aus den dargelegten Gründen nicht (mehr) der Rechtslage.

2. Bei den gepfändeten Ansprüchen der Schuldnerin handelt es sich zugleich um „fortlaufende Bezüge” i.S.d. § 832 ZPO.

Hierzu hat si...

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