4.2.1 Tatbestandsvoraussetzungen für eine Heranziehung des Arbeitnehmers

 

Rz. 51

Nach § 42d Abs. 3 S. 4 EStG kann das Betriebsstätten-FA den Arbeitnehmer im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft durch LSt-Nachforderungsbescheid in Anspruch nehmen, wenn der Arbeitgeber die LSt nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat (S. 4 Nr. 1) oder wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene LSt nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat, es sei denn, der Arbeitnehmer hat den Sachverhalt dem FA unverzüglich mitgeteilt (S. 4 Nr. 2).

 

Rz. 52

Bei der Möglichkeit der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer durch den Einbehalt der LSt von seiner Schuld frei wird, während das Risiko der Abführung der LSt zulasten des FA geht. Anders formuliert lautet der Grundsatz: Ist die LSt vom Arbeitslohn einbehalten worden oder gilt sie aufgrund einer Nettolohnvereinbarung (hierzu Rz. 54) als erhoben, so ist der Arbeitnehmer von seiner LSt-Schuld auch dann befreit und kann die Anrechnung der als LSt erhobenen ESt auf seine ESt-Schuld nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG verlangen, wenn der Arbeitgeber die einbehaltene LSt weder angemeldet noch abgeführt hat.[1] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG nur dann, wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene LSt nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat.[2] Es handelt sich um eine Haftung des Arbeitnehmers kraft Mitwisserschaft. Das FA hat dem Arbeitnehmer diese Kenntnis nachzuweisen.[3]

 

Rz. 52a

Es reicht also für eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nicht aus, dass er lediglich weiß, dass der Arbeitgeber die angemeldete LSt nicht abgeführt hat. Kann der Arbeitnehmer als Gesamtschuldner herangezogen werden, weil er von der Nichtanmeldung positive Kenntnis hat, so kann er seiner Inanspruchnahme durch das FA aufgrund von § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG nur noch entgehen, indem er dem FA den Sachverhalt unverzüglich mitteilt.

4.2.2 Ausschluss einer Inanspruchnahme des Arbeitnehmers

 

Rz. 53

Ein Arbeitnehmer kann nicht als Gesamtschuldner herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber die LSt vorschriftsmäßig einbehalten hat. Damit ist der LSt-Anspruch des Fiskus aus der Sicht des Arbeitnehmers grundsätzlich erfüllt. Dies lässt sich im Umkehrschluss aus der Ausnahmevorschrift des § 42d Abs. 3 Nr. 2 EStG (Rz. 52) folgern. Damit ist die LSt i. S. v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erhoben und infolgedessen auf die ESt-Schuld des Arbeitnehmers anrechenbar.[1] Das Risiko, dass der Arbeitgeber die LSt nicht anmeldet und abführt, trägt das FA. Denn der Arbeitgeber ist sein Beauftragter.[2]

 

Rz. 54

Weiterhin ist eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Fall einer sog. Nettolohnvereinbarung ausgeschlossen.[3] Unter einer Nettolohnvereinbarung ist eine Abrede zwischen den Parteien eines Dienstverhältnisses des Inhalts zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dadurch einen zusätzlichen Lohn zuwendet, dass er auch die im LSt-Abzugsverfahren nach den Merkmalen der LSt-Karte zu erhebende LSt trägt.[4] Die Folge einer solchen Vereinbarung ist, dass der Arbeitgeber mit der Auszahlung des Nettolohns aus der Sicht des Arbeitnehmers die LSt i. S. v. § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 EStG vorschriftsmäßig einbehalten hat.[5] Allerdings darf ein Arbeitnehmer bei einer Nettolohnvereinbarung nur dann von einem vorschriftsmäßigen LSt-Einbehalt ausgehen, wenn er dem Arbeitgeber die für den LSt-Abzug erforderliche LSt-Karte ausgehändigt hat (bzw. ELStAM mitgeteilt hat).[6] Damit ist die LSt i. S. v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erhoben und auf die ESt-Schuld des Arbeitnehmers anrechenbar. Der Arbeitnehmer kann nur noch ausnahmsweise nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG herangezogen werden, wenn er weiß, dass der Arbeitgeber die LSt nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat und den Sachverhalt auch nicht unverzüglich dem FA anzeigt.[7]

[2] Krüger, in Schmidt, EStG, 2022, § 42d EStG Rz. 20.
[7] BFH v. 28.2.1992, VI R 146/87, BStBl II 1992, 733 ausführlich zu den Voraussetzungen und den steuerlichen Folgen einer Nettolohnvereinbarung; R 39b.9 LStR 2023, der ausführliche Beispiele zur Berechnung der LSt im Fall einer Nettolohnvereinbarung enthält; s. a. BFH v. 3.9.2015, VI R 1/14, BFH/NV 2016, 110; Krüger, in Schmidt, EStG, 2022, § 39b EStG Rz. 13.

4.2.3 Ausübung des Auswahlermessens durch das Finanzamt

 

Rz. 55

Ist einer der beiden in Rz. 51f. behandelten Tatbestände nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 und 2 EStG erfüllt, die eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers erlauben, so muss das FA sein Auswahlermessen ausüben, ob es die LSt gegen den Arbeitnehmer durch LSt-Nachforderungsbescheid oder gegen den Arbeitgeber durch Haftungsbescheid geltend machen will.

 

Rz. 56

Die ordnun...

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