Rz. 19

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in § 9 AO geregelt. Danach hat eine Person den gewöhnlichen Aufenthalt an dem Ort oder in dem Gebiet, an dem sie sich u. U. aufhält, die erkennen lassen, dass sie dort nicht nur vorübergehend verweilt. Definitionsgemäß kann eine Person, anders als beim Wohnsitz, nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben.[1]

Entscheidend ist der objektive äußere Tatbestand, nicht der Wille der Person. Wille und Absicht einer Person, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen oder dies zu vermeiden, sind belanglos, wenn dies den tatsächlichen Gestaltungen widerspricht.[2] Geschäftsfähigkeit und ein natürlicher Wille sind für den gewöhnlichen Aufenthalt nicht erforderlich. Allerdings sind bei der Bewertung der äußeren Umstände auch die nach außen erkennbaren Absichten und Planungen der Person zu berücksichtigen, da der Aufenthalt und das Verweilen Ergebnisse der Willensbetätigungen sind.[3] Der gewöhnliche Aufenthalt ist, anders als der Wohnsitz, nicht an einen bestimmten Ort gebunden; Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet (z. B. Bundesgebiet) reicht aus. Ein nicht nur vorübergehend im Inland beschäftigter Arbeitnehmer hat – mangels abweichender Anhaltspunkte – typischerweise (zumindest) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Dies gilt auch für im Ausland wohnende Beschäftigte, wenn er aufgrund der Entfernung zwischen der Arbeitsstätte und seinem Heimatort nicht arbeitstäglich dorthin zurückkehren kann. Etwas anderes gilt, wenn dieser "typische Geschehensablauf" nicht vorliegt, weil der Stpfl. "europaweit" tätig ist.[4] Grenzpendler, die sich nur für den jeweiligen Arbeitstag in einem Gebiet aufhalten, haben in diesem Gebiet keinen gewöhnlichen Aufenthalt.[5]

 

Rz. 20

Nach § 9 S. 2 AO ist bei einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als 6 Monaten immer ein gewöhnlicher Aufenthalt anzunehmen (unwiderlegbare Vermutung). Die 6 Monate müssen nicht innerhalb desselben Vz liegen. Begründet wird der Aufenthalt mit der Einreise ins Inland, sofern der Aufenthalt nicht nur vorübergehend ist. Die Frist beginnt nach § 108 AO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB mit dem Tag, der auf den erstmaligen Grenzübertritt folgt. Zur Bestimmung des Aufenthaltsendes vgl. § 188 BGB.

Der Aufenthalt von mehr als 6 Monaten braucht nicht freiwillig zu sein; es genügt z. B. Einsitzen in Strafvollzugsanstalt. Verschiedenartige, aber zusammenhängende Aufenthalte sind zusammenzurechnen.[6]

Der Aufenthalt muss zusammenhängend sein; allerdings schaden kurzfristige Unterbrechungen nicht. Kurzfristigkeit bedeutet Unterbrechung von nicht mehr als 2–3 Wochen. Die Zeit, in der eine kurzfristige Unterbrechung des Aufenthalts bestand, ist bei der Berechnung, ob die 6-Monats-Frist überschritten ist, mitzurechnen.

Trotz Überschreitens der 6-Monats-Frist besteht nach § 9 S. 3 AO kein gewöhnlicher Aufenthalt, wenn der Aufenthalt Besuchs-, Erholungs-, Kur- und ähnlichen Zwecken dient und 1 Jahr nicht überschreitet. Hierunter fällt nicht ein Aufenthalt zu Ausbildungszwecken. Im Ergebnis wird durch diese Regelung ein Aufenthalt im Inland aus privaten Gründen erst dann zu einem gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. § 9 S. 2 AO, wenn er länger als ein Jahr dauert.

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