Rz. 3

Nach den tatsächlichen, äußeren Umständen muss sich die Person ("jemand") derart an einem Ort oder in einem Gebiet aufhalten, dass darin nicht nur ein vorübergehendes Verweilen zu sehen ist. Die äußeren Umstände müssen auf einen gewöhnlichen Aufenthalt schließen lassen.[1] Diese Voraussetzungen gelten nach dem Wortlaut des S. 1 unabhängig davon, ob der gewöhnliche Aufenthalt im Inland oder Ausland anzunehmen ist. S. 2 dagegen behandelt nur den gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der AO. Liegt der Ort oder das Gebiet nach S. 1 im Geltungsbereich der AO, so hat die Person in diesem Bereich ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts gegeben sind, ist wie beim Wohnsitzbegriff[2] der objektive äußere Tatbestand und nicht der Wille der Person entscheidend. Vor allem sind Wille und Absicht der Person, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen oder nicht, dann belanglos, wenn sie mit der tatsächlichen Gestaltung nicht im Einklang stehen.[3] Deswegen kann auch ein zwangsweiser Aufenthalt ein gewöhnlicher Aufenthalt sein.[4]

Wie ein den tatsächlichen Vorgängen entstehender Wille nicht schadet, so ist für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts auch eine Willensbetätigung keine Voraussetzung.[5] Weder eine Geschäftsfähigkeit noch auch nur ein natürlicher Wille sind für die Anwendung des § 9 S. 2 AO erforderlich, sodass auch willensunfähige Personen wie z. B. Bewusstlose einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen können[6]; anders ist dies m. E. bei § 9 S. 1, AO, bei dem die Absicht des Stpfl. für die Deutung der Umstände maßgeblich ist. Eine natürliche Willensfähigkeit ist danach für § 9 S. 2 AO m. E. nicht erforderlich, wohl aber für S. 1. Bei der Ermittlung und Auswertung des äußeren Tatbestands nach S. 1 sind daher die nach außen sichtbaren Pläne und Absichten des Stpfl. zu berücksichtigen, da der Aufenthalt und das Verweilen Ergebnisse von Willensbetätigungen sind.[7] Da die tatsächlichen Umstände maßgebend sind, kommt der polizeilichen An- und Abmeldung oder der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts allenfalls indizielle Bedeutung zu[8]; sie reichen indes für einen Nachweis i. d. R. nicht aus.

[2] Vgl. § 8 AO Rz. 2.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 9 AO Rz. 2; BFH v. 23.7.1971, III R 60/70, BStBl II 1971, 758.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO, § 9 AO Rz. 2.
[6] Buciek, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 9 AO Rz. 8; a. A. Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rz. 6 unter Hinweis auf BFH v. 3.8.1977, I R 210/75, BStBl II 1978, 118, wonach eine natürliche Willensfähigkeit erforderlich sei.
[7] BFH v. 3.8.1977, I R 210/75, BStBl II 1978, 118; FG Rheinland-Pfalz v. 10.4.1975, III 17/75, EFG 1975, 446; FG Baden-Württemberg v. 23.9.1975, IV 253/73, EFG 1976, 13.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge