Rz. 74

Die Nachtarbeitnehmereigenschaft eines Mitarbeiters i. S. d. § 2 Abs. 5 kann sich entweder aus der rechtlichen Verpflichtung des Arbeitnehmers oder aber aus der tatsächlichen Ableistung von Nachtarbeit ergeben.

2.5.1 Aufgrund Arbeitszeitgestaltung (Abs. 5 Nr. 1)

 

Rz. 75

Nachtarbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 sind Arbeitnehmer, die normalerweise aufgrund ihrer Arbeitszeitgestaltung Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben.

Nachtarbeit in Wechselschicht wird durch einen Arbeitnehmer aufgrund seiner Arbeitszeitgestaltung dann geleistet, wenn sein Arbeitseinsatz auf einen bereits im Vorhinein feststehenden Plan erfolgt[1], etwa einen Schichtplan. Der Schichtplan stellt regelmäßig eine schriftliche Weisung des Arbeitgebers dar, mit der er Beginn und Ende der Arbeitszeit des individuellen Arbeitnehmers festlegt.[2]

Die Arbeitszeitgestaltung kann aber ebenfalls auf kollektivrechtlicher Vereinbarung beruhen.[3]

 

Rz. 76

Das Erfordernis, dass der Arbeitnehmer "normalerweise" Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten hat, soll verhindern, dass Arbeitnehmer, die nur ausnahmsweise (z. B. nur einmal im Monat) Nachtarbeit in Wechselschicht leisten, als Nachtarbeitnehmer i. S. d. § 2 Abs. 5 Nr. 1 gelten.[4]

 

Rz. 77

Arbeitnehmer leisten dann Arbeit in Wechselschicht, wenn sie in einem bestimmten Rhythmus von einem betrieblichen Zeitabschnitt in einen anderen wechseln.[5] Dabei ist wesentliches Merkmal, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers regelmäßig wechseln.[6] Den Gegensatz hierzu bildet das permanente Schichtsystem, in der zwar ebenfalls der Arbeitsplatz regelmäßig neu besetzt wird, die einzelnen Arbeitnehmer aber immer zu gleichen Zeiten bzw. in der gleichen Schicht arbeiten.[7]

 

Rz. 78

Damit wird für die Einordnung als Nachtarbeitnehmer nach dieser Tatbestandsalternative auf die planmäßige Einteilung des Arbeitnehmers zur Nachtzeit abgestellt. Entscheidend ist demnach auch nicht, ob der Arbeitnehmer die Nachtarbeit in Wechselschicht bereits erbracht hat, sondern ob dies für die Zukunft vorgesehen ist. Nachtarbeitnehmer ist der Arbeitnehmer demnach bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem er aufgrund der Arbeitszeitgestaltung für Nachtarbeit in Wechselschicht normalerweise vorgesehen ist.

Bezüglich einer tariflichen Ausgleichsregelung ist auf eine hinreichende – dem Gesetzeszweck genügende – Kompensation zu achten. Der gesetzliche Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG wird nur dann verdrängt, wenn die Belastung der Nachtarbeit anhand der jeweils betroffenen Arbeitnehmergruppe und konkreten Arbeitssituation hinreichend kompensiert wird. Zudem ist darauf zu achten, dass Arbeitnehmer, die Nachtschichtarbeit leisten, und solche, die sonstige Nachtarbeit leisten, miteinander vergleichbar sind und daher eine Ungleichbehandlung bei unterschiedlich hohen Zuschlägen vorliegen kann. Eine schlechtere Planbarkeit bei unregelmäßiger Nachtarbeit vermag dies beispielsweise zu rechtfertigen, wenn der Zweck im Tarifvertrag entsprechend erkennbar ist.[8]

[1] Schliemann, § 2 ArbZG, Rz. 132.
[3] Baeck/Deutsch, § 2 ArbZG, Rz. 108.
[4] BT-Drucks. 12/6990.
[7] Baeck/Deutsch, § 2 ArbZG, Rz. 65.

2.5.2 Tatsächliche Leistung von Nachtarbeit (Abs. 5 Nr. 2)

 

Rz. 79

Gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 kann auch die tatsächliche Ableistung von Nacharbeit die Nachtarbeitnehmereigenschaft begründen. Wenn der Arbeitnehmer Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet, gilt er auch als Nachtarbeitnehmer i. S. d. § 2 Abs. 5.

 

Rz. 80

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob erst dann die Nachtarbeitnehmereigenschaft zu bejahen ist, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich an 48 Tagen Nachtarbeit leistete oder ob dies bereits zu einem früheren Zeitpunkt anhand einer Prognoseentscheidung vorliegen könnte. Der Wortlaut spricht eher dafür, dass die Nachtarbeitnehmereigenschaft erst nach der Leistung der geforderten 48 Tage Nachtarbeit bejaht werden kann. Dies lässt auch der Vergleich mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 5 Nr. 1 vermuten.[1] Darauf begründete Ansprüche des Arbeitnehmers könnten mithin erst nach Ablauf der 48 Tage geltend gemacht werden. Nach Sinn und Zweck des Arbeitsschutzes ist der Anwendungsbereich aber auszudehnen auf Arbeitnehmer, bei welchen mit Sicherheit zu erwarten ist, dass sie die Voraussetzungen erfüllen werden.[2]

 

Rz. 81

Da Arbeitnehmer, die in Wechselschicht arbeiten und nicht bereits nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 Nachtarbeitnehmer sind, ebenso schutzbedürftig sind wie Arbeitnehmer, die zwar nicht in Wechselschicht arbeiten, aber dennoch Nachtarbeitnehmer sind, ist aus teleologischer Betrachtung heraus eine Anwendung der Alternative Nr. 2 auch auf Arbeitnehmer, die Wechselschicht leisten, geboten.[3]

[1] Schliemann, § 2 ArbZG, Rz. 136.
[2] Neumann/Biebl, § 2 ArbZG, Rz. 30; Roggendorff, § 2 ArbZG, Rz. 65.
[3] Schliemann, § 2 ArbZG, Rz. 134.

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