Kein Betrieb muss sich an diese Norm halten. Sie bietet jedoch eine Menge Ansätze zur Systematisierung. Allein die Existenz und die Diskussion um die Norm tragen schon zur Verbreitung von fundierten Informationen über Verfahren zur berufsbezogenen Eignungsbeurteilung bei. Die Norm erhöht die Markttransparenz und trägt so sicherlich zur fachgerechteren Entwicklung von Eignungsbeurteilungen sowie zur ständigen Verbesserung der Verfahren bei. Sie gibt Leitsätze, die zu einer besseren Kontrolle von subjektiven Entscheidungen beitragen, ohne den Entscheidungsspielraum von Unternehmern oder Entscheidungsgremien einzuschränken. Sie kann dazu beitragen, dass die Informationen bei einer Personalentscheidung abgesicherter, systematischer, nachvollziehbar werden. Es ist ein Irrglaube, dass Personalentscheidungen rein objektiv sein könnten. Dann müssten ja alle Betriebe für gleiche Funktionen gleiche Personen suchen. Stattdessen sollten zunächst eignungsrelevante Informationen gesammelt und so aufbereitet werden, dass ein exaktes und möglichst objektives Bild der Eignung entsteht. Nach Abschluss dieser Eignungsuntersuchung spielen, wie auch bei anderen langjährigen Beziehungen, bei der Entscheidung über die Aufnahme der Arbeitsbeziehung subjektive Faktoren, wie z. B. Sympathie oder die "Chemie" eine Rolle. Letztendlich soll deutlich und kontrollierbar sein, bis wohin Personalentscheidungen auf erhobenen, objektivierbaren Informationen basieren und welche Bedeutung subjektive oder unternehmensstrategische Faktoren hatten.

Kritische Argumente:

  • Gütesiegel:
    Viele Betriebe haben erwartet, dass ein "Gütesiegel" für Tests u. Ä. entsteht. Dies kann so nicht geleistet werden, obwohl die Norm Ansätze dazu bietet.

    Es wird aktuell ein heftiger Kampf des BDP[1] gegen die Produktzertifizierung von Testverfahren geführt. Dies bedeutet, dass auch bei einer Fortschreibung der Norm nicht mit solch einem Gütesiegel zu rechnen sein wird. Schade, denn das würde in der Praxis manches leichter machen. In Großbritannien gibt es solch eine Test-Klassifizierung übrigens!

    Jeder Betrieb muss also vor Einsatz eines standardisierten Verfahrens immer neu prüfen, ob es für die Fragestellung geeignet ist. Dies könnte aus den Test-Manualen für den Praktiker schon deutlich werden. Liest man die Manuale, so kann man feststellen, dass nur ganz wenige veröffentlichte Verfahren den Kriterien, wie sie in der Norm beschrieben sind, standhalten. Noch schwerer wird es bei der Überprüfung der statistischen Absicherung des Verfahrens. Hier kommt man ohne umfassende Kenntnisse nicht aus.

    Wollen Sie normgerecht arbeiten, dann benötigen Sie sicher gute fachliche Kenntnisse, innerhalb des Unternehmens oder von außen durch gute Berater.

  • Zu viel Aufwand:
    Aufwand entsteht, wie bei jedem Qualitätssystem. Experten schätzen den Aufwand als nicht übermäßig ein. In vielen Betrieben wird bereits seit langem weitgehend normkonform gearbeitet – es ist nur nicht im Einzelnen dokumentiert.
  • Monopolisierung für Diplom-Psychologen:
    Sicher haben viele Diplom-Psychologen mit dem Studienschwerpunkt Diagnostik die für Eignungsuntersuchungen notwendigen Kenntnisse bereits im Studium erworben. Diese sollten durch Praxiserfahrungen ergänzt werden. Für Nicht-Psychologen bietet die Norm Hinweise, welches Fachwissen und welche Kompetenzen man sich für professionelle Eignungsbeurteilungen aneignen sollte. Es gibt mittlerweile mehrerer Angebote zur nachträglichen Schulung zum qualifizierten Eignungsdiagnostiker, die auch für Nicht-Psychologen gut zu bewältigen sind (wo, von wem, Umfang, Dauer, Kosten – s. u.).
  • Zu akademisch:
    Das mag für viele Leser so erscheinen. Wenn man als Praktiker aber genau liest, wird man merken, dass die Norm hervorragende praktische Anleitungen bietet – zumindest, wenn man erst mal die sprachlichen Begriffe in eine Alltagssprache übertragen hat. Der Text ist eben von Personalfachleuten in prägnanter Fachsprache geschrieben. Damit ist er sicher für andere Berufsgruppen nicht immer sofort eingängig. Dies ist aber bei jeder anderen Norm genauso; so ist z. B. jede technische Norm von technischen Fachleuten für technische Fachleute in prägnanter technischer Fachsprache geschrieben. Hier ist in Zukunft noch Erläuterungsbedarf zu decken und es sind weitere Umsetzungshinweise zu geben. Der vorliegende Text soll dazu beitragen.
  • Umständlich und unsystematisch:
    Diesem Argument ist schwer zu widersprechen. Der derzeitige Text ist ein Produkt seiner Entstehungsgeschichte. Die Norm ist noch sehr jung, es gibt weltweit keine vergleichbare! Umsetzungshinweise von Praktikern werden in vielen Punkten Klarheiten schaffen – auch dort, wo die Norm nicht ganz eindeutig oder auch widersprüchlich scheint.
  • Die Norm wendet sich nur an externe Berater:
    Diesen Eindruck vermittelt die Wortwahl im Normentext. Die Norm spricht z. B. von "Auftragnehmer". Gemeint sind damit natürlich auch externe Berater. Auftragnehmer i. S. der Norm ist aber ebenso die durchführende Personalabteilung. So steht es in der Einl...

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