Methodenmix bei der Personalauswahl in Unternehmen

Das primäre Ziel der Personalauswahl ist es, die geeignetste Bewerberin beziehungsweise den geeignetsten Bewerber für eine bestimmte Stelle zu finden und gleichzeitig keine unqualifizierten Personen durch das Verfahren zu schleusen. Doch gerade in den Zeiten des Fachkräftemangels wird es immer wichtiger, talentierte Kandidatinnen und Kandidaten nicht zu früh aus dem Bewerbungsprozess auszusieben.

Dabei gibt es eine Reihe an verschiedenen Personalauswahlinstrumenten, die Personalverantwortlichen zur Verfügung stehen – das eine mehr das andere weniger sinnvoll, um berufliche Leistung vorherzusagen. Ein Methodenmix hilft dabei, die Qualität der Personalauswahl zu optimieren.

Personalauswahl: Anforderungsanalyse als Basis

Wie Prof. Uwe P. Kanning in seinem Standardwerk (Kanning, U. P. (2018): Standards der Personaldiagnostik; Hogrefe) zusammenfasst, steht zu Beginn eines jeden Auswahlprozesses immer die Frage: Was sind die relevanten Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und andere Charakteristiken, um den Arbeitsaufgaben einer zu besetzenden Stelle gewachsen zu sein? Denn nur, wenn Personalverantwortliche in Organisationen wissen, welchen Anforderungen zukünftige Mitarbeitende gerecht werden müssen, können sie beurteilen, ob eine Person für eine Tätigkeit geeignet ist oder eben nicht.

Entsprechend sollte die Basis einer jeden Personalauswahl eine Anforderungsanalyse bilden. Diese dient dazu, die stellenspezifischen Anforderungen einer Tätigkeit zu identifizieren und daraus ein Anforderungsprofil abzuleiten. Im nächsten Schritt wird überlegt, welche Methoden zur Messung der Anforderungsmerkmale am besten geeignet sind. Beispielsweise lassen sich kognitive Fähigkeiten gut mittels eines kognitiven Leistungstests erfassen, während sich soziale Kompetenzen eher anhand eines strukturierten Einstellungsinterviews oder Assessment Centers untersuchen lassen.

Personalauswahlmethoden kombinieren, um Validität zu steigern

Damit Personalauswahlverfahren einen Mehrwert für Organisationen bieten, ist es essenziell, dass sich Inhalt, Konzeption und Durchführung der eingesetzten Methoden an den drei diagnostischen Gütekriterien orientiert: Objektivität, Reliabilität und Validität. Die Objektivität eines Auswahlverfahrens prüft, ob die Durchführung, Auswertung sowie Interpretation der Ergebnisse unabhängig von der Versuchsleiterin oder dem Versuchsleiter – beispielsweise von der Recruiterin oder dem Recruiter – ist. Die Reliabilität beschreibt die Messgenauigkeit des Auswahlverfahrens. Die Validität kennzeichnet, inwiefern die Personalauswahlmethode in der Lage ist, das zu messen was sie messen soll – im Personalauswahlkontext also zumeist die berufliche Leistung der Bewerbenden. Das heißt, je höher die Validität eines Auswahlverfahrens, desto stärker hängt die Leistung einer Kandidatin beziehungsweise eines Kandidaten im Auswahlverfahren mit seiner/ihrer Arbeitsleistung zusammen.

Die Personalauswahlforschung der letzten Jahre legt dabei nahe, dass ein kombinierter Einsatz verschiedener valider Personalauswahlmethoden hilft, die Validität eines Auswahlverfahrens zu steigern. Das kann man sich so vorstellen, dass ein einzelnes Personalauswahlinstrument wie ein Puzzleteil einen kleinen Beitrag am großen Ganzen – der Arbeitsleistung – vorhersagen kann. Beispielweise wird durch den kombinierten Einsatz eines Einstellungsinterviews und eines Intelligenztests insgesamt eine höhere Validität erzielt, als würde nur eines der beides Verfahren zum Einsatz kommen. Dies liegt insbesondere daran, dass die beiden Methoden jeweils einen anderen Teil der beruflichen Leistung vorhersagen. Ein Methodenmix hilft somit dabei, eine möglichst valide Prognose der beruflichen Leistung der Bewerbenden zu erzielen.

Scientist Practitioner Gap und DIN 33430

Ein häufiges Problem in der Praxis ist, dass die für die Personalauswahl verantwortlichen Personen oftmals überhaupt nicht für diese Aufgabe ausgebildet wurden. Folglich finden viele Kenntnisse und methodische Prinzipien, die in der Personalauswahlforschung seit Jahren bekannt sind, keine oder nur kaum Anwendung in der gelebten Praxis. Zur Etablierung einer professionellen, qualitätsgesicherten Personalauswahl in Unternehmen wurde im Jahr 2002 die DIN 33430 eingeführt. Diese praxisorientierte Prozessnorm definiert die Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen und soll dazu beitragen die Scientist Practitioner Gap – die Lücke zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Praxis – zu schließen.

Personalauswahl: Die häufigsten Fehler

In der Personalauswahl können im Allgemeinen zwei Arten von Fehlern begangen werden. Zum einen können eigentlich ungeeignete Bewerbende ein Stellenangebot bekommen (Alpha Fehler) oder aber geeignete Bewerbende werden als unqualifiziert eingestuft (Beta-Fehler). Die Ursache eines Alpha- bzw. Beta-Fehlers ist oftmals eine fehlende Anforderungsanalyse und eine daraus resultierende mangelnde Kenntnis der beurteilenden Personen über die relevanten Anforderungen der Stelle.

Eine weitere Ursache sind verschiedenste Wahrnehmungsfehler bei den Entscheidungsträgerinnen bzw. Entscheidungsträgern (z. B. Halo-Effekt, Kontrasteffekt), die zu Verzerrungen in der Wahrnehmung führen und somit die Fairness sowie die Aussagekraft eines Auswahlverfahrens einschränken. Gerade in den heutigen Zeiten des Fachkräftemangels kommt dem Beta-Fehler eine immer größere Bedeutung zu. Die Kombination verschiedener Methoden (Methodenmix) sowie eine liberale Vorselektion anhand der Bewerbungsunterlagen, wie wir im Folgenden sehen werden, kann helfen, den Beta-Fehler zu minimieren sowie die Validität der Personalauswahl zu maximieren.


Wie eine agile Arbeitsweise auf die Personalauswahl zu übertragen ist, lesen Sie in unserem Beitrag "Agile Personalauswahl: Definition, Prozess, Leitfaden".


Referenzen: Kanning, U. P. (2018). Standards der Personaldiagnostik. Hogrefe
Schlagworte zum Thema:  Personalauswahl, Recruiting