Bewerbungsunterlagen sichten: darauf kommt es an

Anschreiben, Foto, Lebenslauf, Zeugnisse: Die meisten Unternehmen fordern noch sehr umfangreiche Bewerbungsunterlagen. Doch welche sind tatsächlich wichtig und vor allem aussagekräftig für die Personalauswahl? Werfen wir gemeinsam einen Blick in die Bewerbungsmappe.

Die Sichtung der Bewerbungsunterlagen stellt zumeist den ersten Schritt im Prozess der Personalauswahl dar und dient überwiegend der Vorselektion der Bewerbenden. Die Bewerbungsunterlagen umfassen in der Regel ein Foto, Anschreiben, Lebenslauf, Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse der Bewerbenden sowie in selteneren Fällen Referenzen. Dabei werden im Zuge der Digitalisierung die klassischen, papierbasierten Bewerbungsunterlagen zunehmend durch zeitgemäße, onlinebasierte Formate ersetzt.

Bewerbungsfoto und Anschreiben: besser gar nicht erst beachten

Das Bewerbungsfoto kann helfen, einen ersten äußerlichen Eindruck der Bewerbenden zu erhalten, einen großen diagnostischen Nutzen besitzt es jedoch nicht. Das liegt daran, dass das Äußere der Bewerbenden in den seltensten Fällen eine reelle Anforderung für die zu besetzende Stelle darstellt. Darüber hinaus ruft es leicht einen Halo-Effekt hervor: Ein bestimmtes Merkmal einer Person sticht besonders hervor, bleibt in Erinnerung und überstrahlt somit sämtliche andere Attribute einer Person. So werden beispielsweise attraktivere Personen allein aufgrund ihres Aussehens als kompetenter und geeigneter für eine Stelle eingeschätzt.

Eine vergleichbar geringe diagnostische Aussagekraft besitzt das Anschreiben, bei welchem Bewerbende auf einer halben bis ganzen Seite ihre Motivation und Eignung für die Stelle schildern. Problematisch ist hierbei, dass ungewiss bleibt, inwiefern die genannten Eigenschaften der Kandidatinnen und Kandidaten mit ihren oder seinen tatsächlichen Kompetenzen übereinstimmen oder ob beim Verfassen auf Selbstdarstellungstaktiken aus Ratgeberliteratur zurückgegriffen wurde. Zudem kann nicht überprüft werden, ob das Anschreiben von den Bewerbenden überhaupt selbst formuliert wurde.

Insgesamt empfiehlt sich, das Lichtbild und Anschreiben gar nicht erst anzuschauen beziehungsweise zu lesen, wenn man eine objektive und valide Bewertung der Eignung der Bewerbenden vornehmen möchte.

Lebenslauf: Welche Informationen sagen am meisten aus?

Der Lebenslauf beinhaltet insbesondere Angaben zu beruflichen und akademischen Erfahrungen der Bewerbenden, welche anhand der Schul-, Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse belegt werden können. Weiterhin machen viele Kandidatinnen und Kandidaten Angaben zu sozialem Engagement, Auszeichnungen (z. B. Stipendien) oder weiteren berufsrelevanten Kenntnissen (z. B. EDV-Kenntnissen).

Von den verschiedenen Inhalten des Lebenslaufs ermöglichen die Schul- und Ausbildungszeugnisse mit Abstand die beste Prognose der beruflichen Leistung. Im Vergleich dazu ist die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen deutlich begrenzt. Das liegt daran, dass Arbeitszeugnisse oftmals von den Betroffen selbst verfasst werden, wohlwollend formuliert werden müssen und es bei unerfahrenen, HR-fernen Verfasserinnen und Verfassern an Kenntnissen zu den Zeugnisformulierungen mangelt. Dies schränkt die Objektivität und Vergleichbarkeit der Arbeitszeugnisse insgesamt deutlich ein. Weitere Aspekte aus dem Lebenslauf wie sportliche Aktivitäten, Führungserfahrung, soziales Engagement und Lücken verfügen über keine bis geringfügige Vorhersagekraft der beruflichen Leistung.

E-Recruiting: auf liberale Vorselektion achten

Eine Alternative zu papierbasierten Bewerbungsunterlagen, die in vielen Organisation längst gang und gäbe ist, ist das E-Recruitment – also die Vorselektion von Kandidatinnen und Kandidaten über das Internet. Dazu zählen unter anderem E-Mail-Bewerbungen und Online-Bewerbungsformulare. Während bei ersterem Bewerbende Ihre Bewerbungsunterlagen per E-Mail an das betreffende Unternehmen versenden, füllen Kandidatinnen und Kandidaten bei letzterem ein Online-Formular mit circa 10 bis 20 berufsrelevanten Fragen aus.

Internetgestützte Bewerbungen haben insbesondere den Vorteil, dass sie eine ökonomische und objektivere Vorselektion von Bewerbenden erlauben. So werden zum einen durch die automatisierte Vorselektion per Computer personelle und zeitliche Ressourcen gespart. Allerdings gilt auch hier, wie bei den klassischen Bewerbungsunterlagen, dass die Vorselektion möglichst liberal erfolgen sollte, um einen Beta-Fehler (Ablehnung eigentlich geeigneter Bewerbender) zu vermeiden. Zum anderen wird durch den Wegfall von Anschreiben und Lichtbild in Online-Bewerbungsformularen sichergestellt, dass nur solche Informationen der Bewerbenden erhoben werden, die auch eine nachgewiesene Aussagekraft (Durchschnittsnoten, Vielfalt der Berufsverfahren, Fachkompetenz) für die Eignung besitzen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bewerbungsunterlagen nur eine eingeschränkte Aussagekraft liefern können. Daher wird empfohlen, ergänzende Methoden wie Online-Testverfahren oder Einstellungsinterviews zur Auswahl der Bewerbenden einzusetzen (Methodenmix).

Referenzen: Kanning, U. P. (2018). Standards der Personaldiagnostik. Hogrefe
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