Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorschaden. wesentliche Mitursache. besondere Anstrengung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur "Gelegenheitsursache" und zur Bedeutung der "Lebenszeitverkürzung um ein Jahr" bei der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Versicherten.

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage der wesentlichen Mitverursachung des Todes eines Versicherten durch die Anstrengung beim Schlachten bei bestehender Vorschädigung des Herzens.

2. Eine "Gelegenheitsursache" liegt vor, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar ist, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurft hätte, dh jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

3. Die Frage der unfallbedingten Lebenszeitverkürzung um ein Jahr stellt sich überhaupt nur, wenn die feststehende tödliche Folge der unfallabhängigen Krankheit bereits absehbar ist.

 

Normenkette

RVO § 589 Abs 1 Nr 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 26.02.1986; Aktenzeichen L 17 U 116/83)

SG Köln (Entscheidung vom 21.04.1983; Aktenzeichen S 18 U 362/80)

 

Tatbestand

Der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) und 3) erlitt als Bauklempner im Februar 1968 durch einen Arbeitsunfall einen Schienbeinbruch. Die Beklagte stellte als Folgen des Arbeitsunfalles mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH fest (Bescheid vom 12. April 1972): "Venöse Zirkulationsstörung im Sinne eines postthrombotischen Syndroms am linken Ober- und Unterschenkel sowie Bewegungseinschränkung und glaubhafte Beschwerden im linken Sprunggelenk nach festknöchern verheiltem Schienbeinbruch links". Durch Bescheid vom 27. März 1974 gewährte sie dem Ehemann der Klägerin zu 1) Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH, da insofern eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei, als sich stärkere Krampfadern oberhalb des linken Sprunggelenkes entwickelt hätten, die zu Stauungserscheinungen und stärkerer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit führten; außerdem lägen entzündliche Reizerscheinungen durch die Stauungsdermatose vor.

Am 25. Oktober 1978 führt der Ehemann der Klägerin zu 1) für Herrn H P, der im Unternehmensverzeichnis der Beigeladenen geführt wurde, eine Hausschlachtung durch. Nach den Angaben von Herrn P und der Klägerin geriet er dabei in erhebliche Atemnot, brach zusammen und verstarb innerhalb einer Stunde.

Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche der Hinterbliebenen ab, da der Ehemann der Klägerin zu 1) nicht an Spätfolgen des Arbeitsunfalles im Jahre 1968 gestorben sei (Bescheide vom 10. Juli 1980; Widerspruchsbescheide vom 16. Oktober 1980).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 21. April 1983), da nur die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Lungenembolie auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei, daß aber die erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht bestehe.

Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 1986 folgenden Vergleich geschlossen: "1. Die Beklagte und die Beigeladene verpflichten sich für den Fall, daß rechtskräftig ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistung zuerkannt werden sollten, ihm Rahmen ihrer Zuständigkeit auch diejenigen Leistungen zu gewähren, die im vorliegenden Rechtsstreit nicht berufungsfähig sind. 2. Die Kläger sind mit dieser Regelung einverstanden und sehen den Rechtsstreit insoweit als erledigt an".

In derselben mündlichen Verhandlung haben die Kläger danach uneingeschränkt beantragt, die Berufungsbeklagte, hilfsweise die Beigeladene, zur Zahlung von Hinterbliebenenleistungen gemäß § 589 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu verurteilen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 26. Februar 1986 die Berufung der Klägerin zu 3) als unzulässig verworfen sowie die Berufungen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) als unzulässig verworfen, soweit sie Sterbegeld und Überführungskosten betreffen, im übrigen die Berufungen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ua ausgeführt:

Der Berufungsantrag betreffe sämtliche Leistungen nach § 589 Abs 1 RVO, also auch Sterbegeld, Überführungskosten und Überbrückungshilfe sowie die Waisenrente für die Klägerin zu 3), die im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung ihre Ausbildung zum Bürokaufmann seit mehr als 2 Jahren abgeschlossen und auch das 18. Lebensjahr vollendet gehabt hätte. Hinsichtlich dieser von der Berufung ausgeschlossenen Ansprüche habe der Berufungsantrag jedoch einen nicht mehr anhängigen Teil des Rechtsstreites betroffen, da die Kläger insoweit einen Vergleich geschlossen hätten, der hinsichtlich der von ihm erfaßten Ansprüche den Rechtsstreit vollständig erledigt habe.

Die Beklagte habe Hinterbliebenenleistungen nicht zu gewähren, weil nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, daß der Tod des Versicherten auf dem Arbeitsunfall im Jahre 1968 beruhe. Die im Verfahren gehörten Sachverständigen hätten überwiegend zwar die Möglichkeit eingeräumt, daß auch eine Lungenembolie den Tod verursacht haben könne, wobei dieser als Fernwirkung des postthrombotischen Syndroms aufzufassen wäre; sie hätten jedoch ohne jede Ausnahme nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen ausgeschlossen, daß die generalisierte arterielle Erkrankung ebenfalls Folge des postthrombotischen Syndroms sein könne. Soweit also der eingetretene Tod mit Wahrscheinlichkeit auf die arterielle Verschlußkrankheit bzw einen Herzinfarkt zurückgeführt werden könne, fehle es mit Sicherheit an jedem ursächlichen Zusammenhang mit den Unfallfolgen. Die Lungenembolie scheide zwar nicht mit Sicherheit als Ursache aus; die bestehende Möglichkeit habe sich aber nicht zur Wahrscheinlichkeit verdichtet.

Auch die Beigeladene könne nicht zur Rentengewährung verurteilt werden. Mit den gehörten Sachverständigen halte es der Senat für wahrscheinlich, daß die generalisierte Arteriosklerose den Tod über eine Herzrhythmusstörung oder einen frischen Infarkt verursacht habe. Obwohl damit feststehe, daß der Versicherte aus innerer Ursache den Tod erlitten habe, halte es der Senat zugleich für erwiesen, daß auch der Schlachtvorgang, also die arbeitnehmerähnliche Tätigkeit, den Tod des Versicherten zum konkreten Zeitpunkt verursacht habe. Es handele sich um einen Unfall, dh ein körperlich schädigendes, zeitlich begrenztes Ereignis, das von der betriebsbezogenen Streßsituation herrühre. Die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfall und dem Tod sei damit gegeben. Das zeitliche Zusammentreffen zwischen einer ganz erheblichen körperlichen Anstrengung bei einem auch seelisch belastenden Vorgang (Streßsituation) und dem Todeseintritt spreche im vorliegenden Fall dafür, daß der Tod durch den Schlachtvorgang ausgelöst worden sei. Der geschwächte und vorgeschädigte Organismus des Versicherten möge für die täglichen Spaziergänge, die Wildfütterung und ähnliches noch belastbar gewesen sein; der außergewöhnlichen Anstrengung des Schlachtens sei er jedenfalls nicht mehr gewachsen gewesen. Für ihn wäre die Anstrengung ungewöhnlich gewesen. Wirkten innere Ursachen und Ereignisse aus der versicherten Tätigkeit gemeinsam so auf einen Versicherten ein, daß der Tod eintrete, genüge jedoch eine punktuelle Erfassung des Ereignisses mit Blick nur auf den Todeszeitpunkt nicht, um die Ursache gewichten zu können; denn die versicherte Arbeitsleistung möge lediglich eine Gelegenheitsursache für den Tod gewesen sein. Das sei dann der Fall, wenn der Schaden auch ohne äußere Einwirkung hätte entstehen können und in ungefähr gleichem Ausmaß und etwa demselben Zeitpunkt, also in naher Zukunft auch eingetreten wäre. Wenn nämlich eine Krankheitsanlage so leicht ansprechbar sei, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedürfe, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit den Tod auslösen würde, fehle es an einem wesentlichen Ursachenzusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Trete ein Tod im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall ein, werde der Wertbegriff der rechtlich wesentlichen Ursache und die Abgrenzung von der Gelegenheitsursache danach beurteilt, ob das Ereignis den Tod um mindestens ein Jahr beschleunigt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es jedoch nicht wahrscheinlich, daß der Versicherte wenigstens ein Jahr länger gelebt hätte, wenn er nicht für Herrn P das Schwein geschlachtet hätte. Seine generelle Gefährdung und Anfälligkeit bei geringsten Anlässen habe fortbestanden. Der Tod des Versicherten hätte demnach im Verlauf der zwölf Monate nach seinem Verscheiden am 25. Oktober 1978 bei geringfügigsten Anlässen auch ohne für Außenstehende erkennbare Sonderursache eintreten können. Auch wenn der Tod am 25. Oktober 1978 aus "relativem" Wohlbefinden eingetreten sein sollte, erlaube das noch nicht den Schluß, daß dieses Wohlbefinden für ein weiteres Jahr angehalten hätte und der Tod nicht eingetreten wäre. Es fehle somit an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinne; die objektive Beweislast treffe die Hinterbliebenen.

Der Senat hat durch Beschluß vom 23. April 1987 (2 BU 67/86) die Revision gegen das Urteil des LSG zugelassen.

Die Kläger haben dieses Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung ua ausgeführt: Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Jahresüberlegung keine unabdingbare Anspruchsvoraussetzung, sondern allenfalls eine Hilfsüberlegung, wenn nicht anderweitig die Mitursächlichkeit eines Arbeitsunfalls feststellbar sei. Aufgrund der Vernehmung der Gerichtssachverständigen hätte die Beigeladene verurteilt werden müssen. Aber nicht nur der Schlachtvorgang mit erheblicher Anstrengung des Versicherten sei Todesursache. Ebenso hatte der Verstorbene zu dessen Lebenszeit aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom Februar 1968 ein postthrombotisches Syndrom am linken Ober- und Unterschenkel, das sich herzwärts entwickeln konnte. Diese Prognose habe sich erfüllt. Insbesondere hätte es eines eingehenden wissenschaftlich begründeten Sachverständigengutachtens bedurft, welches aber in dieser Form nicht von Prof. H erstattet worden sei. Das Berufungsgericht hätte auch insofern § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beachten müssen und nicht die gestellten Beweisanträge rigoros übergehen dürfen. Die Berufung der Kläger zu 2) und 3) und der Klägerin zu 1) sei auch hinsichtlich der nicht berufungsfähigen Leistungen zulässig gewesen, weil in erster Instanz fehlerhaft die Beiladung unterblieben sei.

Die Kläger beantragen, die Urteile der Vorinstanzen, LSG vom 26. Februar 1986, SG Köln vom 21. April 1983, sowie die Bescheide der Revisionsbeklagten vom 13. März 1980 und 10. Juli 1980 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Oktober 1980 aufzuheben und die Revisionsbeklagte zur Zahlung der gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen an die Kläger zu verurteilen, hilfsweise, die Beigeladene zur Zahlung der gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen an die Kläger zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, da die Wahrscheinlichkeit für eine ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall im Jahre 1968 und dem Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) nicht gegeben sei.

Die Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Auch sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, da die Hausschlachtung nur eine Gelegenheitsursache für den Eintritt des Todes des Ehemannes der Klägerin zu 1) gebildet habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, soweit sie Sterbegeld und Überführungskosten sowie die Hinterbliebenenrente der Klägerin zu 3) betrifft. Dies folgt bereits daraus, daß die Kläger vor dem LSG mit der Beklagten und der Beigeladenen einen Vergleich geschlossen haben, der den Rechtsstreit insoweit erledigt hat. Die Kläger können deshalb auch im Revisionsverfahren nicht mehr rügen, das Verfahren vor dem SG sei verfahrensfehlerhaft und die Berufung deshalb hinsichtlich dieser Ansprüche nach § 150 Nr 2 SGG statthaft gewesen.

Im übrigen ist die Revision insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Bei Tod durch Arbeitsunfall ist ua vom Todestage an den Hinterbliebenen eine Rente nach den §§ 590 bis 599 RVO zu gewähren (s § 589 Abs 1 Nr 3 RVO).

Soweit das Berufungsgericht Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten verneint hat, weil der Ehemann der Klägerin zu 1) nicht durch den Arbeitsunfall im Jahre 1968 gestorben ist, ist das Urteil rechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG hat es aufgrund der Beweisaufnahme als ausgeschlossen angesehen, daß eine zum Tode führende arterielle Verschlußkrankheit bzw ein Herzinfarkt mit dem Arbeitsunfall im Jahre 1968 im ursächlichen Zusammenhang steht. Das Berufungsgericht hat es zwar als möglich, nicht aber - wie für die Annahme der haftungsausfüllenden Kausalität erforderlich - als wahrscheinlich angesehen, daß der Ehemann der Klägerin an einer auf den Unfall im Jahre 1968 zurückzuführenden Lungenembolie gestorben ist. Die diesem Beweisergebnis zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen und die darauf beruhende freie richterliche Beweiswürdigung hält die Revision zwar für unzutreffend, greift sie aber nicht substantiiert mit begründeten Verfahrensrügen an. Den Vorwürfen, es hätte eines eingehenden wissenschaftlich begründeten Sachverständigengutachtens bedurft und das Berufungsgericht hätte auch insofern § 103 SGG beachten müssen und nicht die gestellten Beweisanträge rigoros übergehen dürfen, liegt keine, wie für eine Verfahrensrüge erforderlich, eingehende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des LSG zugrunde (s BSG SozR 1500 § 164 Nr 28). Es ist insbesondere nicht dargelegt, weshalb sich das LSG trotz der ihm erhobenen und gewürdigten Beweise zu einer weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Die Verweisung auf Beweisanträge im Berufungsverfahren allein reicht grundsätzlich nicht aus, da sie vor dem Urteil des LSG gestellt sind und deshalb einer Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des mit der Revision angegriffenen Urteils des LSG nicht erkennen lassen können.

Der Ehemann der Klägerin zu 1) hat im Unfallzeitpunkt beim Schlachten des Schweines nicht in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO zu Herrn H P gestanden; er war aber für Herrn H P wie ein Beschäftiger tätig geworden und deshalb nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert.

Soweit das LSG Entschädigungsansprüche gegen die für das landwirtschaftliche Unternehmen des Herrn H P zuständige Beigeladene verneint hat, ist seine Begründung nicht frei von Widersprüchen und mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht vereinbar.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß "auch der Schlachtvorgang, also die arbeitnehmerähnliche Tätigkeit, den Tod des Versicherten zum konkreten Zeitpunkt verursacht hat". Das LSG begründet diese, auch von Professor Dr. H bei seiner Vernehmung als Sachverständiger in der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 1986 dargelegte Auffassung mit der "betriebsbezogenen Streßsituation", mit der "außergewöhnlichen Anstrengung des Schlachtens", welcher der Ehemann der Klägerin zu 1) nicht mehr gewachsen gewesen sei, da die "Anstrengungen ungewöhnlich" gewesen seien. Das LSG führt in diesem Zusammenhang auf Seite 13 seiner Urteilsbegründung aus: "Die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfall und dem Tod ist damit gegeben". Diesen tatsächlichen Feststellungen des LSG und der sich daran anschließenden Beweiswürdigung des Berufungsgerichts könnte und müßte eigentlich nach der ständigen Rechtsprechung zur Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung entnommen werden, daß die außergewöhnlichen Anstrengungen des Schlachtvorganges insbesondere iVm der betriebsbezogenen Streßsituation eine wesentliche Bedingung des Todes gewesen sind und deshalb - wie das LSG auch ausführt - die haftungsausfüllende Kausalität zu bejahen ist. Das LSG hat insoweit zutreffend nicht verkannt, daß der Annahme des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) und der nach § 539 Abs 2 RVO versicherten Tätigkeit nicht deshalb zu verneinen ist, weil der Organismus des Versicherten geschwächt und vorgeschädigt war (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl S 488b; Krasney Soziale Sicherheit 1971, 101, 104). Dennoch erlauben die Feststellungen des LSG über den Schlachtvorgang und dessen Bewertung als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Streßsituation keine abschließende Entscheidung des Senats zugunsten der Kläger, weil nach den weiteren Ausführungen des LSG nicht davon ausgegangen werden kann, daß das LSG die Wertung der Vorgänge beim Schlachten als wesentliche Todesursache im Einklang mit der Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung getroffen hat.

Unmittelbar an den zitierten Satz "die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfall und dem Tod ist damit gegeben" schließt das LSG im rechtlichen Widerspruch hierzu den Satz an: "Damit liegt jedoch, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit (sogenannte haftungsbegründende Kausalität) nicht allein deshalb vor, weil die versicherte Tätigkeit unter mehreren Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne eine Bedingung und damit eine Mitursache ist." Entgegen der unmittelbar davor getroffenen Wertung, daß die haftungsausfüllende Kausalität gegeben sei und deshalb nicht nur eine Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne vorliegt, sondern eine Ursache im Rechtssinne gegeben sei, ist dieser zweite zitierte Satz - vor allem im Zusammenhang mit späteren Ausführungen - dahin zu verstehen, daß es sich bei der versicherten Tätigkeit für den Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) nur um eine sogenannte Gelegenheitsursache gehandelt habe, die dann gegeben sei, wenn der Schaden auch ohne äußere Einwirkung hätte entstehen können und im ungefähr gleichen Ausmaß und etwa demselben Zeitpunkt, also in naher Zukunft auch eingetreten wäre, wenn es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedürfe, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit den Tod auslösen würde. Der Widerspruch zu der unmittelbar vorausgegangenen rechtlichen Wertung liegt darin, daß das LSG zunächst ausgeführt hat, der Schlachtvorgang habe den Tod des Versicherten zum konkreten Zeitpunkt verursacht, die haftungsausfüllende Kausalität sei gegeben. Ist dies der Fall, dann kann der Schlachtvorgang - die versicherte Tätigkeit - aber nicht nur eine sogenannte Gelegenheitsursache sein. Entweder ein Vorgang hat den Tod verursacht, dann ist er keine Gelegenheitsursache, oder er ist eine Gelegenheitsursache, dann hat er den Tod nicht verursacht.

Aber auch die Ausführungen des LSG zur Gelegenheitsursache lassen einerseits notwendig tatsächliche Feststellungen vermissen und widersprechen andererseits vorausgehenden Feststellungen; sie erlauben dem Senat deshalb ebenfalls keine abschließende Entscheidung iS einer Zurückweisung der Revision der Kläger zu 1) und 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist - wovon auch das LSG zunächst im wesentlichen ausgegangen ist - für den Fall, daß die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar ist, daß die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf, sondern daß jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Brackmann aaO S 488t mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung des BSG und der Literatur). Das LSG hätte demnach feststellen müssen, daß die Vorschädigung des Herzens des Ehemannes der Klägerin zu 1) so stark gewesen ist, daß jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis auch den Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) hätte bedingen können. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen für eine abschließende Entscheidung des Senats nicht aus. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat es sich beim Schlachten nicht um ein "alltäglich vorkommendes ähnlich gelagertes Ereignis", sondern um "ungewöhnliche", "außergewöhnliche" Anstrengungen in einer "betriebsbezogenen Streßsituation" gehandelt. Das LSG hat den Ehemann der Klägerin zwar für die "täglichen Spaziergänge, die Wildfütterung und ähnliches noch belastbar", ihn aber den außergewöhnlichen Anstrengungen des Schlachtens nicht mehr gewachsen angesehen. Danach ist aber nicht ersichtlich, daß die Vorschädigung so stark war, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurft hätte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit den Tod ausgelöst haben würde. Die Auffassung des LSG, der Schlachtvorgang sei nur eine sogenannte Gelegenheitsursache, kann sich auch nicht auf das für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität in der Rechtsprechung des BSG gebrauchte Kriterium der sogenannten Lebenszeitverkürzung um ein Jahr stützen. Das LSG führt auf Seite 16 seiner Urteilsbegründung aus: "Tritt ein Tod im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall ein, wird der Wertbegriff der rechtlich-wesentlichen Ursache und die Abgrenzung von der Gelegenheitsursache danach beurteilt, ob das Ereignis den Tod um mindestens ein Jahr beschleunigt hat. ...... Der Senat hält es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht für wahrscheinlich, daß der Versicherte wenigstens ein Jahr länger gelebt hätte, wenn er nicht für Herrn P das Schwein geschlachtet hätte". Das LSG stellt es unzutreffend darauf ab, ob es wahrscheinlich sei, "daß der Versicherte wenigstens ein Jahr länger gelebt hätte" (Seite 16 des LSG-Urteils) und der Tod des Versicherten "hätte im Verlauf der 12 Monate nach seinem Verscheiden am 25. Oktober 1978 bei geringfügigen Anlässen oder ohne für Außenstehende erkennbare Sonderursache eintreten können" (Seite 17 des LSG-Urteils). Die Frage der unfallbedingten Lebenszeitverkürzung stellt sich überhaupt nur, wenn die feststehende tödliche Folge der unfallabhängigen Krankheit bereits absehbar ist (BSG Beschluß vom 17. August 1966 - 2 RU 225/65 -; Brackmann aaO S 489h/489i). Das LSG hat jedoch schon nicht festgestellt, daß die tödliche Folge der Herzerkrankung des Ehemannes der Klägerin zu 1) absehbar war. Die unfallbedingte Lebensverkürzung um ein Jahr bildet auch im übrigen keine Ausnahme von dem allgemeinen Ursachenbegriff der Unfallversicherung, sondern nur einen besonderen Anwendungsfall der in der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre (BSG SozR 3100 § 1 Nr 21; Brackmann aaO S 489f). Für sie ist somit auch kein Raum, wenn schon im übrigen die wertende Abwägung der zusammenwirkenden, zum Tode führenden Bedingungen die Schlußfolgerung ermöglicht, die Unfallfolgen seien eine Mitursache des Todes (BSGE 25, 49, 50; Brackmann aaO; s auch BSGE 22, 200, 203; BSG Urteil vom 12. Oktober 1973 - 2 RU 164/72 - und Beschluß vom 17. August 1966 - 2 RU 225/65 -). Deshalb können Unfallfolgen den Tod des Verletzten verursacht haben, selbst wenn der Versicherte auch ohne diese Unfallfolgen vor Ablauf eines Jahres gestorben wäre; Voraussetzung ist lediglich, daß sie den Eintritt des Todes wesentlich mitbewirkt haben (BSG Kompaß 1965, 196; BSG Urteil vom 12. Oktober 1973 aaO; Brackmann aaO S 489f I). Die gegenteilige Auffassung des LSG würde dazu führen, daß zB ein Versicherter, der durch einen Sturz von einem Hochhaus tödlich verunglückt, dennoch nicht durch den Arbeitsunfall ums Leben gekommen wäre, wenn er unabhängig von dem Arbeitsunfall aufgrund eines Krebsleidens mit Sicherheit innerhalb eines Jahres nach diesem Unfall verstorben wäre (s auch Brackmann aaO S 489g).

Die aufgezeigten fehlenden tatsächlichen Feststellungen des LSG, die der Senat selbst nicht nachholen kann, lassen eine abschließende Entscheidung nicht zu.

Der Rechtsstreit war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung zur Revision der Klägerin zu 3) folgt aus § 193 SGG.

Über die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) hat das LSG zu entscheiden.

 

Fundstellen

BSGE, 220

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