Unfallversicherungsschutz von Blutspendern

Blutspender, die nach der Spende einen Imbiss zur Stärkung erhalten, sind nach einem Urteil des SG Lüneburg bei dieser Nahrungsaufnahme unfallversichert.

Der Fall: Zahnbruch beim Imbiss nach der Blutspende

Am 13.4.2018 nahm der Kläger an einer vom Blutspendedienst des G. durchgeführten Blutspendeaktion teil. Als er gegen 18:00 Uhr nach der Blutentnahme den gereichten Imbiss zu sich nahm, barst der Zahn 15, weil die Speise, in die er hineingebissen hatte, einen harten Stein oder Kern enthielt. Aufgrund der Verletzung musste sich der Kläger in die Behandlung der Zahnärztin Dr. H. begeben, die den Zahn mit einer Wurzelbehandlung nebst Extrusion sowie einer Krone retten und dessen beschwerdefreie Nutzbarkeit wiederherstellen konnte. Das im Rahmen der Heilbehandlung erfasste Krankheitsbild zeigte einen vertikalen Bruch eines oberen Backenzahns entlang der Hauptfurche mit Abplatzung eines Höckers. Zu diesem Zeitpunkt wies der Zahn 15 überdies eine kariöse Schwächung auf. Mit Bescheid vom 17.10.2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen in Bezug auf die zahnärztliche Heilbehandlung ab. Grundsätzliche Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei, dass diese wegen eines in ursächlichem Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehenden Gesundheitsschadens erforderlich geworden seien. Nach den vorliegenden zahnärztlichen Unterlagen sei davon auszugehen, dass die Krone des Zahnes 15 schon vor der Blutspende durch Karies zerstört gewesen und der Zahn zum Unfallzeitpunkt devital gewesen sei. Der Gesamtschadensverlauf an den Zahn habe sich daher durch den Vorfall nicht verändert, so dass die zahnärztliche Behandlungsmaßnahme nicht rechtlich wesentlich auf das Ereignis vom 13.4.2018 zurückzuführen sei.

Mit Schreiben vom 8.11.2019 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und betonte, dass die Schädigung des Zahnes durch die plötzlich eingetretene, gewaltsame Krafteinwirkung ausgelöst worden sei. Bis zum schädigenden Ereignis sei der Zahn gesund, unbehandelt und vital gewesen. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos und wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 3.12.2020 zurückgewiesen.

SG: Nahrungsaufnahme nach dem Blutspenden ist versichert

Nach dem Urteil des SG Lüneburg vom 26.4.2022 (Az. S 3 U 144/20) handelte es sich bei dem Geschehen vom 13.4.2018 um einen Arbeitsunfall. Der Kläger erlitt die Zahnverletzung anlässlich einer versicherten Tätigkeit.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13b SGB VII sind Personen kraft Gesetzes unfallversichert, welche Blut, körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden. Dass der Kläger am 13.4.2018 an einer Blutspendeaktion des G. teilnahm, wurde der Beklagten durch dessen Blutspendedienst ausdrücklich bestätigt und ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Bei einer derartigen Handlung umfasst der Versicherungsschutz ebenfalls den nach der Blutentnahme gereichten Imbiss. Zwar stellt die Nahrungsaufnahme grundsätzlich eine private, unversicherte Tätigkeit dar, weil diese vorrangig den Belangen des Versicherten (Lebenserhaltung) dient. Eine Ausnahme gilt - so das Gericht - allerdings dann, wenn sich die Notwendigkeit des Essens oder Trinkens aus den besonderen Umständen der versicherten Tätigkeit ergibt. Nach einer Blutspende sei es allgemein üblich, dass den Spendern von der durchführenden Einrichtung ein Imbiss in Gestalt von Speisen und Getränken offeriert wird. Dieses Angebot dient insbesondere dem Zweck, den mit der Blutentnahme verbundenen Kraft- und Flüssigkeitsverlust auszugleichen, mögliche negative Auswirkungen derselben auf den Kreislauf des Spenders zu verhindern sowie einen sicheren Heimweg zu gewährleisten. Die Nahrungsaufnahme steht mithin aufgrund der besonderen Umstände einer Blutspende in derart enger Beziehung zum Spendevorgang selbst, dass es gerechtfertigt erscheint, diese in den versicherten Risikobereich der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen.

Darüber hinaus war der Kläger im Zusammenhang mit der Blutspende vom 13.4.2018 äußeren Einwirkungen auf den Körper ausgesetzt, die zu einem Gesundheitsschaden führten, indem er beim anschließenden Imbiss auf einen harten Gegenstand biss und dieser zum Bersten des Zahnes 15 führte. Entgegen der Annahme der Beklagten wurde die Zahnschädigung mit der geforderten Wahrscheinlichkeit durch die äußere Einwirkung nach der Blutspende wesentlich mitverursacht und beruht keinesfalls nur auf einem Vorschaden in Gestalt einer Karies.

Wichtig für die Praxis

Das Hauptargument des Unfallversicherungsträgers gegen eine Leistungsverpflichtung ist hier die behauptete Vorschädigung des betroffenen Zahns durch Karies. Diese Argumentationsansätze finden sich bei der Anerkennung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten immer wieder. Das SG geht hier den korrekten Weg und hat sich gutachterlich beraten lassen. Dieses Gutachten ergab zwar eine Vorschädigung durch Karies, jedoch argumentiert das Gericht dann wie folgt weiter:  Nur wenn bei Abwägung der kausalen Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer vorhandenen krankhaften Anlage die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar sei, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einflüsse bedarf, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Erscheinung gleichfalls ausgelöst hätte, liegt eine sogenannte - dann unversicherte - „Gelegenheitsursache“ vor. Dies gelte insbesondere dann, wenn Schadensbilder degenerativer Ursache gegeben sind. Ausschließlich in einem solchen Fall drängen unfallunabhängige Faktoren die Bedeutung des Ereignisses für den Eintritt des Gesundheitsschadens vollständig zurück, so dass diese allein die wesentliche Bedingung für dessen Hervorrufung gesetzt haben. Von einer Konstellation dieser Art könne aber im Fall des Klägers unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen nicht ausgegangen werden.