Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Mai 1984 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der 1935 geborene Kläger, gelernter Gipser, übte nach einer Magenoperation 1971 seinen Beruf noch bis 1978 aus. Seit Oktober 1978 arbeitete er, zuletzt in der Lohngruppe (Arbeitswertgruppe) III des Lohnrahmentarifvertrags I für die Arbeiter der Metallindustrie Nordwürttemberg und Nordbaden, als Pförtner in einem Automobilwerk.

Den vom Kläger im Juli 1978 gestellten Antrag auf Gewährung von Versichertenrente lehnte die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) nach ärztlicher Untersuchung und Begutachtung mit dem streitigen Bescheid vom 20. November 1978 ab: Bei Zustand nach Magenausschneidung, Leberschädigung und Wirbelsäulenbeschwerden könne der Kläger die bisherige „oder eine zumutbare Tätigkeit” noch ausüben.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 29. April 1982). Mit der angefochtenen Entscheidung vom 10. Mai 1984 hat das Landessozialgericht (LSG) nach umfangreicher Sachaufklärung die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ausgeführt: Im Rahmen der Prüfung der BU nach § 1246 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) könne der gesundheitlich nur noch zu vollschichtig leichten Arbeiten mit Einschränkungen fähige Kläger nicht zumutbar auf die von ihm zur Zeit ausgeübte einfache Pförtnertätigkeit verwiesen werden, weil sie tariflich nicht wie eine angelernte Tätigkeit entlohnt werde. Offenbleiben könne, ob es für ihn in seinem früheren Berufsbereich als Gipser Verweisungstätigkeiten gebe. Zumutbar sei dem Kläger dagegen die tariflich in die Arbeitswertgruppe V eingestufte Tätigkeit eines Pförtners in größeren Betrieben der Metallindustrie, die im wesentlichen seiner jetzigen Tätigkeit entspräche und nach kurzer Einarbeitung von ihm vollwertig ausgeübt werden könne. Diese Tätigkeit sei von Qualitätsmerkmalen geprägt und tariflich entsprechend erfaßt. Ebenso komme für den Kläger eine Verweisung auf die Tätigkeit des qualifizierten Pförtners nach Lohngruppe IV Nr. 4.29 Buchst b (Pförtner mit Fernsprechvermittlungsdienst bei mehr als einem Amtsanschluß) des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag der Arbeiter der Länder (MTL-II) in Betracht; die zusätzliche Bedienung einer Telefonzentrale stelle, bei in der Regel nahtlosem Übergang aus einer einfachen Pförtnertätigkeit, keine besondere Belastung dar. Ob die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze in dieser für den Kläger nicht berufsfremden Tätigkeit zu ermitteln sei, sei bei uneinheitlicher und im übrigen nicht überzeugender höchstrichterlicher Rechtsprechung ungeklärt. Die vorsorglich angestellten Ermittlungen – Anfragen beim Landesarbeitsamt Baden-Württemberg, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände – hätten im übrigen ergeben,. daß im Bereich der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein etwa 185 Arbeitsplätze vorhanden seien, auf denen überwiegend Arbeiten der Lohngruppe V Nr. 4.29 Buchst b a.a.O. zu erledigen seien. Das reiche aus, um die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu verneinen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die Offenheit des Arbeitsmarktes vom Verhältnis der möglichen Bewerber zu den vorhandenen Arbeitsplätzen abhängig zu machen, sei ebenfalls bedenklich. Stelle man die Zahl der in der Berufsordnung der Pförtner und Hauswarte in Baden-Württemberg 1982 beschäftigten 14.966 Arbeitnehmer den 398 Stellensuchenden für die Tätigkeit eines Pförtners gegenüber, so lasse sich auch für den kleinen Ausschnitt der qualifiziertem Pförtner im öffentlichen Dienst nicht von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ausgehen. Der Kläger sei nach allem nicht berufsunfähig.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er bringt vor, das LSG verkenne den Aussagewert von Stufen in der summarischen Arbeitsbewertung und in der analytischen Arbeitsbewertung (Arbeitswertgruppen) und habe den qualitativen Wert der ihm noch zumutbaren Verweisungstätigkeiten fehlerhaft festgestellt. Ziehe man den Teil des Arbeitswerts, der auf die Belastungen und Erschwernisse entfalle, vom Gesamt-Arbeitswert der Tätigkeit eines Pförtners ab, so verbleibe für den qualitativen Teil ein Arbeitswert von nur 9,75. Dieser Wert sei jedoch der Arbeitswertgruppe IV zuzuordnen. Es könne daher keine Rede davon sein, daß die Tätigkeit eines Pförtners in größeren Betrieben der Metallindustrie wegen ihres qualitativen Werts einem sonstigen Ausbildungsberuf gleichstehe. Im übrigen beruhe die Entscheidung des LSG auf einer fehlerhaften Würdigung der erhobenen Beweise und auf mangelhafter Sachaufklärung. Eine allgemeine Beschreibung von Pförtnertätigkeiten im öffentlichen Dienst sei nicht geeignet, die besonderen Anforderungen einer konkreten Tätigkeit aufzuzeigen, zumal „gehobene Pförtner” noch zusätzliche Arbeiten zu verrichten hätten. Das Gericht hätte sich deshalb mit einer Auskunft des Landesarbeitsamtes nicht zufrieden geben dürfen. Übersehen worden sei, daß Pförtnertätigkeiten im öffentlichen Dienst unter Umständen im Schichtdienst verrichtet werden müssen; das könne der Kläger nicht. Schließlich legten die vom LSG erhobenen Beweise zwingend den Schluß nahe, daß der Arbeitsmarkt für „gehobene Pförtner” als verschlossen anzusehen sei. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände schätze die Anzahl der Pförtner mit Fernsprechvermittlungsdienst bei mehr als einem Amtsanschluß auf nur etwa 100 Arbeitsplätze. Exakte Angaben könne auch dieser Verband nicht machen. Mit dem Ausbau des telefonischen Durchwahlsystems seien entsprechende Arbeitsplätze im übrigen weggefallen. Auch habe das LSG nicht ermittelt, welche anderen Tätigkeiten sogenannte gehobene Pförtner zusätzlich zu verrichten hätten. Ob er, Kläger, diese zusätzlichen Arbeiten objektiv verrichten könne, sei entscheidungserheblich.

Der Kläger beantragt,

  • das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Mai 1984 sowie das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. April 1982 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 20. November 1978 zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. August 1968 zu gewähren;
  • hilfsweise,

    das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Mai 1984 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung für einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

Die Revision des Klägers ist i.S. der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz begründet.

Nach § 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen. Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen und geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fertigkeiten herabgesunken ist. Dabei umfaßt nach Satz 2 a.a.O. „der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist”, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit „zugemutet werden können”. Das bedeutet, daß der Gesetzgeber dem Versicherten einen Anspruch auf Rente wegen BU nicht schon dann einräumt, wenn er seinen – versicherungspflichtig ausgeübten – „bisherigen Beruf” (= „bisherige Berufstätigkeit”) aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auszuüben in der Lage ist. Vielmehr verlangt das Gesetz von dem Versicherten, daß er, immer bezogen auf seinen „bisherigen Beruf”, einen „zumutbaren” beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente mit einer geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden gibt (vgl. z.B. BSG 41, 129, 131 = SozR 2200 § 1246 Nr. 11). Erst wenn der Versicherte in diesem Sinn nicht auf einen anderen Beruf „verwiesen” werden kann, ist er berufsunfähig i.S. des Gesetzes. „Zugemutet werden” i.S. von § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO können dem Versicherten alle von ihm – nach seinen gesundheitlichen Kräften und seinen beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten – ausführbaren, auch „berufsfremden” Tätigkeiten, die nach ihrer im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung – Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb –, d.h. nach ihrer Qualität dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (vgl. z.B. BSG in SozR Nr. 22 zu § 45 RKG; BSGE 38, 15, 3 = SozR 2200 § 1246 Nr. 4; BSGE 41, 129, 132 = SozR 2200 § 1246 Nr. 11; SozR § 1246 Nr. 27, 29 und in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. November 1985 – 4a RJ 51/84). Zur praktischen Ausführung dieser Rechtssätze ist das BSG aufgrund einer Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten der Arbeits- und Berufswelt, wie sie u.a. auch in Tarifverträgen Ausdruck finden, zu der generellen Feststellung gelangt, daß sich die Arbeiterberufe in drei nach ihrer Leistungsqualität – nicht nach der Entlohnung oder nach dem Prestige – hierarchisch geordnete Gruppen aufgliedern: Die unterste Gruppe mit dem Leitberuf des Ungelernten, die mittlere Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten (mit „sonstiger”, d.h. nicht dem Facharbeiter entsprechender Ausbildung) und die Gruppe mit dem Leitberuf des Gelernten (Facharbeiter). Darüber steht die – zahlenmäßig kleine – Gruppe mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion, dem der besonders qualifizierte Facharbeiter gleichzubehandeln ist („Vierstufen-Schema”, vgl. z.B. BSGE 43, 243, 245 = SozR 2200 § 1246 Nr. 16; BSGE 45, 276, 278 = SozR 2200 § 1246 Nr. 27, 29, 51, 85, 86 und 95 sowie in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa SozR 2200 § 1246 Nr. 126). Als i.S. von § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des BSG jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren Gruppe angenommen. Hiernach kann z.B. ein Versicherter, der nach seinem bisherigen Beruf in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters fällt, auf Tätigkeiten in die Gruppe, mit dem Leitberuf des Angelernten (sonstiger Ausbildungsberuf) verwiesen werden, nicht auf die Gruppe mit dem Leitberuf des Ungelernten (BSGE 43, 243, 246 = SozR 2200 § 1246 Nr. 16 und 21 und fortan in ständiger Rechtsprechung, vgl. z.B. BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107 mit zahlreichen Nachweisen).

Das LSG ist hiervon zutreffend ausgegangen, wenn es den Kläger mit Rücksicht darauf, daß er 1978 den erlernten Facharbeiterberuf eines Gipsers allein aus gesundheitlichen Gründen aufzugeben genötigt war, in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters eingestuft und ihn deshalb nicht mehr auf die von ihm tatsächlich noch ausgeübte Tätigkeit eines „einfachen Pförtners” für verweisbar erachtet hat. Diese Tätigkeit gehört nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die den erkennenden Senat gemäß § 163 SGG binden, wegen ihrer geringen Qualität in die Gruppe mit dem Leitberuf des Ungelernten.

Was die Verweisung des Klägers auf eine „gehoben” oder „qualifizierte” Pförtnertätigkeit betrifft – das LSG diskutiert in diesem Zusammenhang die Tätigkeiten eines Pförtners in größeren Betrieben der Metallindustrie oder im öffentlichen Dienst mit Fernsprechvermittlung bei mehr als einem Amtsanschluß –, so wird aus den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht ganz klar, welche Anforderungen diese Tätigkeit stellt und welche berufliche Qualität sie hat. Das LSG hat im einzelnen ausgeführt, daß die Anforderungen an den Beruf des gehobenen Pförtners in der Metallindustrie „in wesentlichen Punkten der jetzigen Tätigkeit des Klägers … entsprechen”; sie lägen nur in einigen Punkten „etwas höher”; daher könne der Kläger den Beruf eines gehobenen Pförtners schon nach kurzer Einarbeitung vollwertig ausüben. Bei Fehlen wesentlicher Unterschiede in der Qualität der beiden Pförtnertätigkeiten ließe sich bei Anwendung des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO freilich eine unterschiedliche rechtliche Behandlung nicht rechtfertigen. Im übrigen muß fraglich erscheinen, ob sich die Tätigkeit eines gehobenen oder qualifizierten Pförtners in der Nähe einer Hilfsarbeit einordnen läßt. Der „gehobene” Pförtner übt in einem größeren Betrieb regelmäßig eine wichtige Funktion aus, die häufig eine längere Einarbeitung, Einübung und Bewährung voraussetzt. Häufig wird der Pförtner deshalb nicht im Arbeiter-, sondern im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Außer erheblichen beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten hat der „gehobene” Pförtner über Autorität, Gewandtheit und sicheres Auftreten sowie über besondere Zuverlässigkeit zu verfügen. Zu alledem führt das Berufungsgericht nichts aus. In ihrer Tragweite nicht ganz eindeutig sind auch die Ausführungen des LSG; nach denen der Kläger auf gehobene Pförtnertätigkeiten u.a. deshalb verwiesen werden könne, weil er im Hinblick auf die von ihm derzeit ausgeübte Beschäftigung „nicht berufsfremd sei”: Sofern die jetzige Tätigkeit des Klägers den Charakter einer unqualifizierten Hilfsarbeit hätte, könnte sie eine Qualifikation für einen Aufstieg „im Beruf” nicht vermitteln. Damit könnte denkbarerweise übereinstimmen, daß der Kläger seine jetzige Tätigkeit bereits eine Reihe von Jahren ausübt, ohne in eine Stellung besserer Qualifikation aufgerückt zu sein.

Indessen braucht diesen Unklarheiten nicht näher nachgegangen zu werden. Auch bei der Annahme, daß der sogenannte gehobene oder qualifizierte Pförtner in die Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten (sonstiger Ausbildungsberuf) einzuordnen ist, vermag der Senat nicht abschließend über den vom Kläger erhobenen Anspruch zu entscheiden.

Nach der vom Großen Senat des BSG entwickelten Rechtsprechung ist in § 1246 RVO die Erwerbsfähigkeit nicht abstrakt, d.h. nicht losgelöst von der Wirklichkeit des Arbeitslebens zu betrachten. Hieraus folgt u.a., daß des leistungsgeminderte Rentenbewerber nicht auf eine Tätigkeit verwiesen werden kann, die es auf dem Arbeitsmarkt entweder nicht oder nur in so geringer Zahl gibt, daß der Arbeitsmarkt als verschlossen angesehen werden muß (vgl. BSGE 30, 167; 30, 197 = SozR Nr. 79 u § 1246 RVO; SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO; BSGE 43, 75, 79 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Diese vom Großen Senat des BSG am Beispiel von Rentenbewerbern aufgestellten Grundsätze, die nur noch zu Teilzeitarbeit fähig sind, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in der weiteren Folge konkretisiert und ausgedehnt. Zwar wird die Übernahme dieser Rechtsprechung auf Vollzeittätigkeiten grundsätzlich abgelehnt: Es sei davon auszugehen, daß es für Vollzeittätigkeiten jedenfalls dann in hinreichender Zahl Arbeitsplätze – gleich ob offen oder ob besetzt – gebe, wenn sie in Tarifverträgen erfaßt seien. Das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, trage die Arbeitslosen-, nicht die Rentenversicherung (BSGE 44, 39 = SozR 2200 § 1246 Nr. 19 und in ständiger Rechtsprechung, vgl. z.B. SozR 2200 § 1246 Nr. 22, 30, 75, 82). Andererseits gelte dieser Grundsatz nicht bei solchen Vollzeit-Arbeitsplätzen, bei denen wegen ihrer Seltenheit zumindest die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bestehe. Als Untergruppen solcher seltener Tätigkeiten hat die Rechtsprechung des BSG herausgestellt:

  • Tätigkeiten, die nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen ausgeübt werden können (BSGE 44, 39, 40 = SozR § 1246 Nr. 19; der erkennende Senat in SozR 2200 § 1246 Nr. 22);
  • Arbeitsplätze, die der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht von der Wohnung aus aufsuchen kann (BSG a.a.O.; der erkennende Senat a.a.O.);
  • Tätigkeiten, bei denen die Zahl der in Betracht kommenden Stellen dadurch nicht unerheblich reduziert ist, daß der Versicherte nur in Teilbereichen des Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann (vgl. z.B. Urteil vom 16. Oktober 1981 – 5b RJ 36/81; SozR 2200 § 1246 Nr. 101; BSGE 56, 64, 67 = SozR a.a.O. § 1246 Nr. 110);
  • Tätigkeiten, bei denen es sich um typische „Schonarbeitsplätze” handele, die regelmäßig leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebs vorbehalten bleiben und somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde außer Betracht bleiben (SozR 2600 § 46 Nr. 1; SozR 2200 § 1246 Nr. 101; Entscheidung vom 8. September 1982 – 5b RJ 28/81);
  • Tätigkeiten, die auf einem Arbeitsplatz ausgeführt werden, der als Einstiegsstelle für Berufsfremde nicht zur Verfügung steht (BSGE 56, 64, 69 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; a.a.O. Nr. 86 und 101; Urteile vom 9. September 1982 – 5b RJ 76/81; vom 26. Januar 1983 – 1 RJ 52/81 – und vom 24. März 1983 – 1 RJ 22/81);
  • Arbeitsplätze, die lediglich an bewährte Mitarbeiter als Aufstiegspositionen durch Beförderung oder Höherstufung vergeben werden (BSGE 51, 50, 52 = SozR 2200 § 1246 Nr. 71; Urteil des erkennenden Senats vom 21. April 1982 – 4 RJ 5/81);
  • besondere Fälle, in denen es naheliegt, daß der Arbeitsplatz trotz seiner tariflichen Erfassung nur in ganz geringer Zahl vorkommt (SozR 2200 § 1241d Nr. 5 = SozR 2200 § 1246 Nr. 84; SozR a.a.O. § 1246 Nr. 82).

Für alle diese Fälle hat das BSG in seiner Entscheidung vom 30. November 1983 (BSGE 56, 64, 69) die Beteiligung der gesetzlichen Rentenversicherung an dem Risiko des Versicherten, keinen Arbeitsplatz mehr zu finden, wie folgt legitimiert: Habe der aus gesundheitlichen Gründen Leistungsgeminderte noch eine – „wenn auch schlechte” – Chance, in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit unterzukommen, so sei er arbeitslos; habe er bei vernünftiger Betrachtung keine solche, auch nur noch schlechte Chance mehr, so sei er „nicht nur arbeitslos”; das beim Träger der Rentenversicherung versicherte Absinken seiner Leistungsfähigkeit schließe ihn in diesem Fall vom Arbeitsmarkt schlechthin aus (vgl. zum einschlägigen Schrifttum z.B. Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl., § 1246 Anm. II 3 E, S. 34d bis 34f; Verbandskomm, Stand: 1. Januar 1983, § 1.246 Anm. 3; Wiegand, SozSich 1978, 13 ff.; Kunze, SozVers 1979, 35 ff.; Wolff, DRV 1980, 23$8 ff; Kolb, DRV 1980, 246 ff.).

Als markanten Unterfall eines seltenen, weil typischen Schonarbeitsplatzes, der im weiten Umfang leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebs vorbehalten wird, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in zahlreichen Erkenntnissen die Tätigkeit eines gehobenen oder qualifizierten Pförtners herausgestellt (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG z.B. SozR 2200 § 1241d Nr. 5 S. 18; Urteile vom 26. Januar. 1983 – 1 RJ 52/81; vom 24. März 1983 – 1 RJ 22/81; vom 15. Mai 1985 – 5b RJ 96/84). Mit dieser Rechtsprechung, die die generellen Gegebenheiten der Berufs- und Arbeitswelt beobachtet, befindet sich das BSG im Einklang mit der Spruchpraxis bereits des Reichsversicherungsamts (RVA). Dieses hat z.B. bereits in der Entscheidung vom 17. Dezember 1906 (AN 1907 S. 465, 466) ausgeführt, daß Pförtnertätigkeiten „in der Regel den Invaliden des eigenen Betriebs vorbehalten werden, also kaum dem für den freien Wettbewerb offenen Arbeitsmarkt zugerechnet werden können” (ebenso in der weiteren Folge, z.B. in der Entscheidung vom 26. Mai 1921, AN 1921, S. 334, 336). Für den vorliegenden Fall scheint diese Rechtsprechung auch in den Ergebnissen der vom LSG durchgeführten Ermittlungen Anhaltspunkte zu finden. Das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg hat dem Berufungsgericht am 22. Juli 1983 auf Anfrage mitgeteilt, daß es sich bei der Tätigkeit des qualifizierten Pförtners um einen „typischen Arbeitsplatz für Leistungsgeminderte” handele. Was aber „Schonarbeitsplätze” anbetrifft, haben gerade in letzter Zeit angestellte empirisch-wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, daß im realen Arbeitsleben „die wenigen Schonarbeitsplätze, die es gibt, dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (stehen)” (Elsner in ZSR 1986, 149, 164).

Für den zu entscheidenden Fall folgt hieraus:

Der Umstand, der in bezug auf Arbeitsplätze eines gehobenen oder qualifizierten Pförtners die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarkts zu untersuchen nötigt, ist sein mögliches „Vorbehaltensein für leistungsgeminderte Angehörige des eigenen Betriebs”. Die Prognose, ob der nicht dem Betrieb angehörende leistungsgeminderte Rentenbewerber eine selbst nur schlechte, aber noch reale Chance hat, eine solche Arbeitsstelle zu erhalten, kann mit dem LSG nicht durch die Gegenüberstellung allein der absoluten Zahlen der vorhandenen Arbeitsstellen und der Bewerber ermittelt werden. Die Zahl insbesondere der vorhandenen besetzten Stellen läßt naturgemäß nicht erkennen, in welchem Umfang sie von Arbeitgebern regelmäßig leistungsgeminderten oder doch schonungsbedürftigen Angehörigen des eigenen Betriebs vorbehalten worden sind und Betriebsfremden nicht oder nur unter Einschränkungen zugänglich sind. Daher sind entsprechende Ermittlungen nachzuholen (vgl. dazu BSGE 56, 69). Hierzu mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Bei der neuerlichen Entscheidung wird das LSG folgendes zu erwägen haben:

Seine Feststellung, im Bereich mehrerer Bundesländer lasse sich eine Zahl von – wohl besetzten – 185 einschlägigen Arbeitsplätzen feststellen, auf denen eine „qualifizierte Pförtnertätigkeit überwiegend zu verrichten” sei, ist nicht eindeutig. Die Formulierung könnte zu verstehen geben, daß nur mehr als 50 v.H. die Tätigkeit eines solchen Pförtners – allein – ausübten. Die Feststellung des LSG läßt aber auch offen, ob auf den von ihm ermittelten Arbeitsplätzen Pförtnertätigkeiten nicht allein, sondern neben anderen Verrichtungen ausgeführt werden müssen, also eine „gemischte Tätigkeit” vorliegt. Hierfür könnte z.B. die dem LSG vom Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg am 25. August 1983 erteilte Auskunft sprechen, nach der zu der Tätigkeit des gehobenen Pförtners „in größerem Umfang Werkschutzaufgaben wie Kontrollgänge und Anlagenüberwachung” hinzuträten. In die gleiche Richtung könnte die Auskunft der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände vom 21. März 1984 deuten, nach welcher „Pförtner mit Fernsprechvermittlungsdienst bei mehr als einem Amtsanschluß … häufig mit dieser Tätigkeit nicht ausgelastet sind, so daß ihnen zusätzliche Tätigkeiten übertragen worden sind, die – weil sie überwiegend ausgeübt werden – auch für die Eingruppierung maßgebend sind”. Hiernach besteht Anlaß, besonders sorgfältig zu prüfen, welche Anforderungen an körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Bewerbers um einen Arbeitsplatz eines gehobenen oder qualifizierten Pförtners gestellt werden. Zu einer solchen Prüfung besteht Anlaß aber auch bei solchen „nicht gemischten” gehobenen Pförtnertätigkeiten, die von vornherein als höherwertige Arbeitsplätze etwa für Angestellte ausgestaltet sind. Das LSG wird ggf. auch nachzuprüfen haben, wie in dem Vorhandensein von mehr als einem Amtsanschluß – so der Tarifvertrag – ein Qualitätsmerkmal liegen kann, das im Rahmen des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO rechtsrelevant sein kann.

Sollte sich ergeben, daß der Kläger nicht auf die Tätigkeit eines gehobenen Pförtners verweisbar ist, wird das LSG zu untersuchen haben, ob nicht andere Tätigkeiten als Verweisungsberufe in Frage kommen. Im angefochtenen Urteil ist dies sogar für den „früheren Berufsbereich” des Klägers ausdrücklich offengelassen worden.

Der Ausspruch im Kostenpunkt war der Endentscheidung in der Sache vorzubehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI605860

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