Leitsatz (redaktionell)

Zur Voraussetzung und Angemessenheit der Verzinsung einer gestundeten Beitragsforderung.

 

Orientierungssatz

Kein Säumniszuschlag für Stundungszeitraum - Beurteilungsspielraum bei Verzinsung gestundeter Beitragsforderung - Angemessenheit der Verzinsung:

1. Die Stundung einer Forderung bedeutet das Hinausschieben der Fälligkeit bei Bestehenbleiben der Erfüllbarkeit. Die Stundung einer Beitragsforderung schließt wegen fehlender Fälligkeit die Erhebung von Säumniszuschlägen für den Stundungszeitraum aus.

2. Aus dem der Kasse/Einzugsstelle nach § 1 Abs 2 und § 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über den Einzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung sowohl für die Zeit vom ersten bis dritten Monat in atypischen Fällen als auch für die Zeit ab dem vierten Monat in Härtefällen eingeräumten Ermessen folgt die Verpflichtung, alle Umstände zu prüfen und in Erwägung zu ziehen, die für eine Ermäßigung des Zinssatzes sprechen könnten, insbesondere die persönlichen, wirtschaftlichen und örtlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers unter Berücksichtigung der Höhe des Anspruchs und des marktüblichen Zinssatzes.

3. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Verzinsung einer gestundeten Beitragsforderung kann nicht von der in § 24 SGB 4 geregelten Höhe der Säumniszuschläge ausgegangen werden. Maßgeblich sind vielmehr die Lage des Kapitalmarkts und die dort üblichen Zinsen sowie besondere Umstände des Einzelfalles. Ab dem vierten Monat kann die in der Verwaltungsvorschrift festgelegte Höhe von 2 vH über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank als vertretbare Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit angesehen werden.

4. Es bleibt offen, ob die Verwaltungsvorschrift den Regelungsgehalt des § 76 Abs 2 Nr 1 S 2 SGB 4 voll ausschöpft und insoweit durch die Ermächtigung in § 1435 RVO gedeckt ist oder ob ab dem vierten Monat neben den Härtefällen weitere atypische Fälle in Betracht kommen.

5. Auf die Säumniszuschläge gemäß § 24 SGB 4 können die §§ 62 Nr 3 und 63 Nr 1 KO weder direkt noch analog angewandt werden.

 

Normenkette

AFG § 183; RVO § 1435; ArblVBeitrEinzV; KO § 63 Nr. 1, § 62 Nr. 3; RV/KVBeitrEinzVwV §§ 5, 1 Abs. 2; SGB IV § 24 Abs. 2 Fassung 1976-12-12, § 76 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 Fassung

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.11.1985; Aktenzeichen L 04 Kr 0077/84)

SG München (Entscheidung vom 05.12.1983; Aktenzeichen S 18 Kr 0119/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte berechtigt war, der Klägerin für eine gestundete Beitragsforderung Säumniszuschläge nach § 24 Abs 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 4) bzw Zinsen nach § 76 Abs 2 Nr 1 Satz 2 SGB 4 in Höhe der Säumniszuschläge aufzuerlegen.

Die Klägerin betrieb von 1974 bis 1977 in S. /C. einen Campingplatz, dessen Verwaltung sie dem G. R. (R.) übertragen hatte. Mit Bescheiden in den Jahren 1975 und 1976 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des R. in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Arbeiterrentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) fest. Diese Bescheide wurden, nachdem Widerspruch, Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde (Beschluß des erkennenden Senats vom 11. September 1981 - 12 BK 17/81 -) erfolglos geblieben waren, bindend.

Durch weiteren Bescheid vom 8. November 1979 stellte die Beklagte die Höhe der Beitragsschuld der Klägerin einschließlich der Umlage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) für die Zeit vom 21. März 1974 bis 15. September 1977 mit 34.249,11 DM fest. Im Hinblick auf den damals noch laufenden Rechtsstreit stundete sie die Forderung gegen Bankbürgschaft unter Hinweis auf Stundungszinsen "in Höhe der Säumniszuschläge nach § 24 SGB 4" (Schreiben vom 12. Dezember 1979). Nach Zustellung des Senatsbeschlusses vom 11. September 1981 wandte sich die Klägerin in der Begründung ihres Widerspruchs gegen die Höhe der Beitragsforderung. Daraufhin setzte die Beklagte die restliche Beitragsforderung auf 12.512,24 DM fest (Schreiben vom 21. Dezember 1981) und stundete sie weiter bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides (Schreiben vom 19. Januar 1982). Mit Bescheid vom 3. März 1982 forderte sie für die Zeit vom 21. November 1979 bis 27. Februar 1982 Säumniszuschläge nach § 24 Abs 2 SGB 4 in Höhe von 6.125,30 DM. Dabei teilte sie mit, daß sie auf die angefallenen Stundungszinsen verzichte. In dem Widerspruchsbescheid vom 14. April 1982 (mit dem der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 8. November 1979 zurückgewiesen und der - gemäß § 86 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- vom Widerspruchsverfahren mitumfaßte - vgl BSG SozR 4100 § 186a Nr 4 - Bescheid vom 3. März 1982 bestätigt wurde) führte die Beklagte ergänzend aus, ihrem Schreiben vom 22. Januar 1980 sei klar zu entnehmen, daß für den Fall, daß das Landessozialgericht (LSG) bzw das Bundessozialgericht (BSG) die Versicherungspflicht bejahe, Stundungszinsen in Höhe der Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1 und 2 SGB 4 berechnet würden. Es könne also nicht davon ausgegangen werden, daß während der Aussetzung des Beitragseinzugs keine Säumniszuschläge zu berechnen wären.

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- München vom 5. Dezember 1983; Urteil des Bayerischen LSG vom 27. November 1985). Hinsichtlich der "Stundungszinsen bzw Säumniszuschläge" hat das LSG den Bescheid der Beklagten vom 3. März 1982 als nicht rechtsfehlerhaft angesehen und das damit begründet, daß die Beklagte der Klägerin bereits mit Schreiben vom 22. Januar 1980 angekündigt hatte, daß sie für die Dauer der Stundung Stundungszinsen in Höhe der Säumniszuschläge erheben werde. Die Beklagte habe im Rahmen des gebundenen Ermessens über die Höhe der angemessenen Verzinsung zu entscheiden gehabt. Die von ihr festgelegten Zinsen in Höhe des Säumniszuschlages nach § 24 SGB 4 sei nicht zu beanstanden. Unzulässig wäre nur die Feststellung eines höheren Zinssatzes als in Höhe des Säumniszuschlages, da sonst der um einen geregelten Zahlungsverlauf bemühte Schuldner höhere Zinsen entrichten müßte als derjenige, der unerlaubt in Verzug gerate. Die Beklagte habe den ihr eingeräumten Rahmen ihres Ermessens nicht überschritten, da die Klägerin in Kenntnis der mitgeteilten Stundungszinsen die Stundung beantragt habe.

Der Senat hat mit Beschluß vom 16. Oktober 1986 auf die Beschwerde der Klägerin die Revision gegen das Urteil des LSG zugelassen, soweit es die Verzinsung der gestundeten Beitragsforderung betrifft.

Die Klägerin hat Revision in dem zugelassenen Umfang eingelegt. Sie trägt vor, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, für gestundete Beiträge Säumniszuschläge zu erheben. Durch die Stundung einer Forderung werde deren Fälligkeit hinausgeschoben. Während der Dauer der Stundung sei der Zahlungspflichtige also nicht "säumig", dh nicht in Zahlungsverzug. Entgegen der Ansicht des LSG, das keinen Unterschied zwischen Stundungszinsen und Säumniszuschlägen mache, liege es keineswegs im Ermessen der Beklagten, ob sie Säumniszuschläge für eine gestundete Forderung erhebe. In jedem Fall würde es auch einen schon sittenwidrig zu nennenden Ermessensfehlgebrauch bedeuten, wenn die Beklagte für eine gestundete und zudem auf ihr Verlangen durch eine Bankbürgschaft abgesicherte Beitragsforderung Stundungszinsen in gleicher Höhe wie Säumniszuschläge verlange. Im übrigen liege in der Gleichstellung einer Stundung mit einer Säumnis, also einer rechtsgrundlosen, schuldhaften Zahlungsverweigerung auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG sowie das Urteil des SG aufzuheben, soweit die Klage

gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. März 1982 (Auferlegung von

Säumniszuschlägen in Höhe von 6.125,30 DM) abgewiesen wurde, sowie diesen

Bescheid der Beklagten aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, es sei durchaus angemessen gewesen, Stundungszinsen nach § 24 SGB 4 mit monatlich eins vH der rückständigen Beiträge festzulegen, weil bei säumigem Beitragseinzug eine erhöhte Belastung der - nicht selten sozialschwachen - übrigen Mitglieder der Solidargemeinschaft drohe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des LSG ist in dem noch streitbefangenen Teil aufzuheben und der Rechtsstreit in diesem Umfang an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte war nicht berechtigt, der Klägerin für den Zeitraum vom 21. November 1979 bis 27. Februar 1982 Säumniszuschläge nach § 24 Abs 2 SGB 4 aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift - die gemäß § 179 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auch für die Beiträge zur BA gilt - kann der Versicherungsträger für jeden angefangenen Monat einen Säumniszuschlag in Höhe von eins vH der rückständigen Beiträge erheben, wenn Beiträge und Beitragsvorschüsse länger als drei Monate fällig sind. Dem stand im vorliegenden Fall aber entgegen, daß die Beklagte der Klägerin bereits am 8. November 1979 die rückständigen Beiträge bis zum Abschluß des damals noch anhängigen und im September 1981 beendeten Rechtsstreits über die Versicherungs- und Beitragspflicht des R. und dann noch weiter bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1982, mithin für den gesamten streitigen Zeitraum gestundet hatte. Die Stundung einer Forderung bedeutet das Hinausschieben der Fälligkeit bei Bestehenbleiben der Erfüllbarkeit (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Aufl, § 271 Anm 4a). Es fehlt also an der Fälligkeit der geforderten Beiträge und damit an einer mit einer Sanktion belegbaren Säumigkeit des Beitragsschuldners. Die Stundung des Beitrages schließt demgemäß die Erhebung von Säumniszuschlägen für den Stundungszeitraum aus (so auch Krauskopf/Schroeder-Printzen, SGB 4 § 24 Anm 1.3.).

Den durch die Stundung der Beitragsrückstände bewirkten wirtschaftlichen Nachteil durfte die Beklagte nur durch Auferlegung von Stundungszinsen ausgleichen. Daß die Beklagte mit dem Bescheid vom 3. März 1982 trotz der Bezugnahme auf § 24 SGB 4 in Wirklichkeit der Klägerin keine Säumniszuschläge, sondern Stundungszinsen in Höhe der Säumniszuschläge auferlegen wollte, entnimmt der Senat noch mit hinreichender Deutlichkeit dem genannten Bescheid.

Die Erhebung von Stundungszinsen ist für die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung in § 76 Abs 2 Nr 1 Satz 2 SGB 4 geregelt. Die entsprechende Regelung für die Beiträge zur BA (für die das SGB 4 nach dessen § 1 Abs 2 hier nicht anwendbar ist) findet sich in § 1 Abs 2 Satz 2 der Verordnung über den Einzug der Beiträge zur BA und über die Höhe der Einzugskostenpauschale (Beitragseinzugsverordnung) vom 27. April 1972 (BGBl I, 754; zuletzt geändert durch VO vom 18. Dezember 1975 BGBl I, 3152), die aufgrund der Ermächtigung in § 183 AFG erlassen wurde.

Nach § 76 Abs 2 Nr 1 Satz 2 SGB 4 "soll" die Stundung von Ansprüchen der Versicherungsträger gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Das Wort "soll" bedeutet, daß in der Regel Stundungszinsen in angemessener Höhe zu erheben sind, der Kasse/Einzugsstelle jedoch in sogenannten "atypischen Fällen" ein Ermessen zusteht, Zinsen in geringerer Höhe zu erheben oder von der Verzinsung ganz abzusehen (vgl zur Bedeutung des Wortes "soll": BSG SozR 1300 § 48 Nr 30 mwN).

In § 1 Abs 2 und § 5 der aufgrund der Ermächtigung in § 1435 RVO erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über den Einzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung (RV/KV-BeitragseinzugsVwV) vom 5. Mai 1972 (BAnz Nr 89) nunmehr idF vom 9. Dezember 1982 (BAnz Nr 232) wird diese Rechtslage (teilweise) dahin konkretisiert, daß in der Regel Zinsen ab dem vierten Monat in Höhe von 2 vH über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu erheben sind, jedoch der Zinssatz dann ermäßigt werden darf, wenn die Verzinsung in der vorgeschriebenen Höhe für den Schuldner mit erheblichen Härten verbunden wäre. Damit wird die Kasse/Einzugsstelle ermächtigt ("sie darf"), den für die Zeit ab dem vierten Monat vorgesehenen Zinssatz zu ermäßigen. Aus dem ihr somit sowohl für die Zeit vom ersten bis dritten Monat in atypischen Fällen als auch für die Zeit ab dem vierten Monat in Härtefällen eingeräumten Ermessen folgt die Verpflichtung, alle Umstände zu prüfen und in Erwägung zu ziehen, die für eine Ermäßigung des Zinssatzes sprechen könnten, insbesondere die persönlichen, wirtschaftlichen und örtlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers unter Berücksichtigung der Höhe des Anspruchs und des marktüblichen Zinssatzes (vgl Meydam in GK-SGB IV §76 Rz 12).

Es kann in dieser Lage des Verfahrens dahinstehen, ob die Verwaltungsvorschrift den Regelungsgehalt des § 76 Abs 2 Nr 1 Satz 2 SGB 4 voll ausschöpft und insoweit durch die Ermächtigung in § 1435 RVO gedeckt ist oder ob ab dem vierten Monat neben den Härtefällen weitere atypische Fälle in Betracht kommen, in denen die Beklagte ihr Ermessen ausüben müßte; denn das LSG hat bisher nicht geprüft, ob überhaupt ein atypischer Fall vorliegt. Die dazu erforderlichen Feststellungen muß es noch nachholen.

Sollte sich dabei ergeben, daß ein atypischer Fall (für die Zeit ab vierten Monat in der Gestalt eines Härtefalles) vorliegt, so wäre der Bescheid aufzuheben, soweit Stundungszinsen erhoben wurden, weil nicht erkennbar ist, ob die Beklagte ihr Ermessen ausgeübt hat. Weder den Ausführungen im Bescheid vom 3. März 1982 und im Widerspruchsbescheid vom 14. April 1982 noch den Feststellungen des LSG kann hierfür ein Hinweis entnommen werden. Das LSG hat die Beklagte allein deshalb für befugt gehalten, Zinsen in Höhe der Säumniszuschläge festzusetzen, weil sie das vorher der Klägerin mitgeteilt hatte. Eine solche Ankündigung berechtigte die Beklagte indes nicht, entgegen der Rechtslage und ohne Prüfung der im Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Umstände zu entscheiden.

Sollte sich jedoch ergeben, daß kein atypischer Fall vorliegt, so ist zu prüfen, ob es sich bei den von der Beklagten berechneten Zinsen um eine angemessene Verzinsung handelt. Bei dem Begriff "angemessen" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung durch den Versicherungsträger gerichtlich voll zu überprüfen ist.

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Verzinsung kann nicht von der in § 24 SGB 4 geregelten Höhe der Säumniszuschläge ausgegangen werden. In § 1 Abs 2 RV/KV-BeitragseinzugsVwV wird nur auf die Abrundungsvorschrift in § 24 Abs 3 SGB 4 Bezug genommen und nicht auf die die Höhe der Säumniszuschläge regelnden Absätze 1 und 2. Maßgeblich sind vielmehr die Lage des Kapitalmarkts und die dort üblichen Zinsen sowie besondere Umstände des Einzelfalles. Ab dem vierten Monat kann die in der Verwaltungsvorschrift festgelegte Höhe von 2 vH über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank als vertretbare Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit angesehen werden. Das LSG wird aber ggfs noch prüfen müssen, welche Verzinsung in der Zeit vom ersten bis dritten Monat angemessen wäre.

Entsprechendes gilt für die Beiträge zur BA. Hier besteht lediglich der Unterschied, daß allein von der aufgrund der Ermächtigung in § 183 AFG erlassenen Beitragseinzugsverordnung auszugehen ist. Diese sieht ebenfalls vor, daß die Stundung nur gegen angemessene Verzinsung erfolgen soll, ab Beginn des vierten Monats Zinsen in Höhe von 2 vH über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu erheben sind und in Härtefällen die Verzinsung ermäßigt werden kann. Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, daß in den ersten drei Monaten Zinsen in angemessener Höhe erhoben werden sollen. Dies hat, wie schon dargelegt, zur Folge, daß sie regelmäßig zu erheben sind, in atypischen Fällen der Beklagten aber ein Ermessen zusteht. Ab dem vierten Monat sind die Zinsen in der ausdrücklich festgelegten Höhe zu erheben, ausgenommen Härtefälle. Mit dem Ausdruck "Härtefall" wird für diese Zeit der atypische Fall konkretisiert. Es handelt sich deshalb ebenfalls um einen unbestimmten Rechtsbegriff und nicht um eine Konkretisierung von Ermessen, wie dies in sogenannten Koppelungsvorschriften gelegentlich der Fall ist (vgl BSGE 34, 269; BSG SozR 4100 § 19 Nr 2 S 6 f).

Das LSG wird also zunächst einmal für die ersten drei Monate prüfen müssen, ob ein atypischer Fall vorliegt, für die Zeit danach, ob es sich um einen Härtefall handelt. In diesen Fällen hätte die Beklagte ein Ermessen, das sie ausüben muß. Da dies nicht geschehen ist, wären die Bescheide auch hinsichtlich der Beiträge zur BA aufzuheben.

Sollte sich jedoch ergeben, daß weder ein atypischer Fall noch ein Härtefall vorliegt, so wäre der angefochtene Bescheid in Höhe der angemessenen Verzinsung für die ersten drei Monate sowie ab dem vierten Monat in Höhe von 2 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank rechtmäßig und zu bestätigen, im übrigen aber aufzuheben.

Ein der gerichtlichen Überprüfung entzogener Beurteilungsspielraum kann der Beklagten nicht zugebilligt werden, weil hierbei eine besondere zu einer "Einschätzungsprärogative" führende Sachkunde oder Sachnähe erforderlich wäre, die ihr nicht zukommt (vgl hierzu BSGE 38, 138, 144 und BSG SozR 4100 § 19 Nr 2).

In der das Verfahren abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

RegNr, 17654

BR/Meuer SGB IV § 24, 23-02-88, 12 RK 50/86 (LT1, OT1-5)

BR/Meuer SGB IV § 76, 23-02-88, 12 RK 50/86 (T)

USK, 8819 (LT1)

ZIP 1988, 731

ZIP 1988, 731-733 (LT1)

Breith 1989, 177-180 (LT1)

Die Beiträge 1988, 280-285 (LT1)

ErsK 1988, 399-400 (T)

ErsK 1988, 437-438 (T)

EzS, 50/163 (LT1)

HV-INFO 1988, 1089-1094 (LT1, OT1-4)

RV 1989, 114-116 (LT1)

SozR 2100 § 76, Nr 1 (LT1)

SozSich 1988, RSprNr 4137 (LT1)

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