Beteiligte

Bundesanstalt für Arbeit

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. August 1972 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Förderung seiner Ausbildung zum Fachlehrer für den musisch-technischen Unterricht an Volks- und Realschulen in Hamburg.

Der Kläger hat eine abgeschlossene Lehre als Flugmotorenschlosser (Triebwerkmechaniker). Er war nach Abschluß seiner Lehre in diesem Beruf etwa 3 1/2 Jahre bei der Deutschen Lufthansa tätig. In der Zeit vom 13. April 1970 bis zum 28. Januar 1972 nahm er an einem Lehrgang der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung Hamburg (Schulbehörde) teil, der die Ausbildung zum Fachlehrer für den musisch-technischen Unterricht an Volks- und Realschulen zum Inhalt hatte. Am 28. Januar 1972 hat der Kläger die Abschlußprüfung dieses Lehrganges bestanden und damit endgültig die Lehrbefähigung für musisch-technische Unterrichtsfächer erworben.

Den Antrag des Klägers vom 20. August 1970, seine Teilnahme an dem vorgenannten Lehrgang nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu fördern, lehnte die Beklagte ab, weil der Berufswechsel des Klägers wegen des besonderen Bedarfs an Flugmotorenschlossern arbeitsmarktpolitisch nicht zweckmäßig sei (Bescheid vom 9. November 1970, Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1971).

Mit Urteil vom 18. November 1971 hat das Sozialgericht (SG) Hamburg die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger Förderungsleistungen für die Teilnahme an dem Lehrgang für die Zeit von 20. August 1970 bis zum Abschluß der Maßnahme nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Das SG hat in dem Lehrgang für den Kläger eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung gem. § 41 AFG gesehen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg mit Urteil vom 11. August 1972 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das LSG in wesentlichen ausgeführt:

Die Teilnahme des Klägers an dem in Rede stehenden Lehrgang sei inhaltlich eine berufliche Umschulung i. S. des § 47 AFG. Der Kläger könne zwar in dem Unterrichtsfach „Werken” eine Reihe von Kenntnissen aus seinem früheren Beruf verwerten. An die Stelle der seinen früheren Beruf kennzeichnenden speziellen Kenntnisse und Erfahrungen beim Bau und bei der Reparatur von Flugzeugtriebwerken träten nunmehr aber seine Kenntnisse und Fertigkeiten einmal im Fach „Leibesübungen” sowie die allgemeinen Kenntnisse in Pädagogik, Psychologie, Verwaltung, Politik und ähnlichem. Das neu erworbene Wissen in diesen Bereichen habe größeres Gewicht und mehr praktische Bedeutung für seine jetzige Tätigkeit als Lehrer als die aus seinem früheren Beruf mitgebrachten Kenntnisse. Deshalb erfülle die Ausbildung des Klägers inhaltlich nicht die Merkmale der beruflichen Fortbildung nach § 41 AFG. Ihre Förderung als Umschulung scheitere aber daran, daß der Kläger nicht Arbeitsuchender i. S. von § 47 AFG sei. Der Begriff der Arbeitsuche sei zwar nicht gleichbedeutend mit dem der Arbeitslosigkeit i. S. der §§ 100 ff AFG. Es müsse jedoch als rechtserheblich verlangt werden, daß der Umschüler ernsthaft eine Arbeit suche. Nur wer willens und in der Lage sei, eine (neue) Stellung anzunehmen, könne als Arbeitsuchender angesehen werden. Das bedeute, daß derjenige nicht Arbeitsuchender sei, der ausschließlich an einer Arbeit interessiert sei, die er erst nach Abschluß einer längeren Ausbildung verrichten könne. So sei es im Falle des Klägers; ihm sei nicht daran gelegen, einen anderen Arbeitgeber zu finden; auch habe er nicht in einen anderen Beruf überwechseln wollen, den er ohne weitere Ausbildung hätte ausüben können. Der Kläger betreibe die Umschulung vielmehr nur aus Neigung und Eignung für den Lehrerberuf. Er habe nicht zu befürchten gebraucht, dass er seine gute Stellung bei der Deutschen Lufthansa verlieren würde.

Das LSG hat schließlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 AVG verneint. Bei der Ausbildung des Klägers habe es sich nicht um eine Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift gehandelt.

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt. Er räumt ein, dass seine Ausbildung möglicherweise nicht einmal als Grenzfall im Sinne der beruflichen Fortbildung angesehen werden könne. Er halte jedoch die Voraussetzungne der Förderung nach § 47 ABS. 1 AFG für erfüllt, weil seine Teilnahme an dem bezeichneten Lehrgang als berufliche Umschulung angesehen werden müsse. Nach seiner Auffassung müßten die Leistungen zu Umschulungszwecken sowohl Arbeitnehmern, die in Arbeit stehen, als auch Arbeitslosen gewährt werden. Bei ersteren erfolge die Förderung dann, wenn durch solche Maßnahmen die berufliche Beweglichkeit verberssert werde. Dies treffe auch für den Kläger zu. Der Auffassung des LSG, dass derjenige nicht als Arbeitssuchender angesehen werden könne, der sich erst nach Abschluss einer längeren Ausbildung in den Beruf begebe, könne nicht zugestimmt werden. Der Begriff des Arbeitssuchenden könne nicht in einem so engen zeitlichen Zusammenhang gesehen werden. Arbeitssuchender sei vielmehr jeder, der im Wege der Umschulung einen neuen Beruf anstrebe, auch wenn die Maßnahme längere Zeit dauere. Die vom LSG vertretene Auffassung könnte im übrigen dadurch umgangen werden, dass der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß löse, um dadurch die gesetzlichen Leistungen bei einer Umschulung zu erhalten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. November 1971 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie teilt die Auffassung des LSG, daß es sich bei der Bildungsmaßnahme, an der der Kläger teilgenommen habe, um eine Maßnahme der beruflichen Umschulung i. S. von § 47 AEG gehandelt habe, für dessen Förderung es jedoch an der Voraussetzung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit i. S. des § 36 AFG fehle. Im übrigen liege auch eine interessengebundene Maßnahme i. S. des § 43 Abs. 2 AFG vor. Die Lehrerausbildung sei eine originäre Pflicht der Schulbehörde.

II

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Förderung durch die Beklagte.

Eine Förderung kommt hier nur in Betracht, wenn der Lehrgang, an dem der Kläger teilgenomnen hat, die Voraussetzungen einer förderungsfähigen Maßnahme der beruflichen Fortbildung (§§ 41 ff AFG) oder der beruflichen Umschulung (§ 47 AFG) erfüllt. Die Anwendung des § 40 AFG, d. h. die Förderung einer beruflichen Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen, scheidet im vorliegenden Fall von vornherein aus. Die Auffassung des LSG, daß es sich bei den von Kläger durchlaufenen Lehrgang nicht um einen Ausbildungsgang i. S. des § 40 AFG handelt, ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger kann unter dem Gesichtspunkt einer beruflichen Fortbildung nach § 41 AFG gleichermaßen keine Förderung beanspruchen, weil seine Teilnahme an den Lehrgang der Schulbehörde zur Ausbildung zum Fachlehrer vom Inhalt her nicht dem Bereich der beruflichen Fortbildung, sondern dem der beruflichen Umschulung zuzuordnen ist. Der Kläger war vor Eintritt in den Lehrgang Flugmotorenschlosser (Triebwerkmechaniker); er strebte das Ziel des musisch-technischen Fachlehrers an Volks- und Realschulen an. Dem LSG ist darin beizupflichten, daß die Tätigkeit des Volksschullehrers gegenüber derjenigen des Flugzeugmotorenschlossers eine solche mit neuem Inhalt i. S. des § 47 AFG ist, weil nunmehr entscheidend die pädagogischen Aufgaben des Lehrers an allgemeinbildenden Schulen im Vordergrund der Tätigkeit stehen. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß Kenntnisse und Erfahrungen aus dem früheren Arbeitgsgebiet verwendet werden und dies auch erwünscht ist. Gegenüber dem vom Kläger früher ausgeübten handwerklichen Beruf ist der des Lehrers ein Beruf mit neuem Inhalt, weil das Schwergewicht dieser neuen beruflichen Tätigkeit grundsätzlich anderer Natur ist. Für diese Betrachtung ist es unerheblich, daß mit der beruflichen Umschulung möglicherweise ein beruflicher Aufstieg verbunden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. insbes. Urteil von 21. Mai 1974 – 7 RAr 15/72 –).

Die Teilnahme des Klägers an den Lehrgang der Schulbehörde Hamburg mit dem Ziel der Qualifikation zum Lehrer für den musisch-technischen Unterricht an Volks- und Realschulen ist jedoch keine Umschulungsnaßnahme, die von der Beklagten gefördert werden muß. Allerdings scheitert der Anspruch des Klägers auf Förderung nicht etwa deshalb, weil er – wie das LSG ausgeführt hat – nicht als „Arbeitsuchender” i. S. des § 47 Abs. 1 AFG anzusehen ist. Das LSG verkennt diesen Begriff, wenn es meint, der Kläger scheide aus dem Kreis der Arbeitsuchenden nach § 47 Abs. 1 AFG aus, weil er (zunächst) ausschließlich am Fortgang und Abschluß seiner Umschulung und nicht an der Aufnahme einer Arbeit interessiert sei. Mit dem Begriff des Arbeitsuchenden wird in § 47 Abs. 1 AFG – anders als in § 42 AFG für die berufliche Fortbildung – der Personenkreis umschrieben, der für eine Umschulungsförderung durch die Beklagte in Betracht kommt. Dieser Begriff wird in Bereich der Arbeitsvermittlung (§§ 13 und 14 AFG) ebenfalls verwendet. Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 39 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung – AVAVG – (vgl. BSG 26, 155) hat als arbeitsuchend jede Person zu gelten, die eine Tätigkeit, für die Arbeitskräfte eingestellt zu werden pflegen, ausüben kann. Der Senat ist insoweit der Definition in Nr. 31 der Richtlinien der Beklagten für die Arbeitsvermittlung vom 3. September 1962 (ANBA S. 467) gefolgt. Arbeitsuchender ist hiernach auch derjenige, der erst in der Zukunft eine Beschäftigung eingehen will, sofern er nur den Wunsch auf Vermittlung in eine berufliche Tätigkeit dem Arbeitsamt gegenüber geäußert hat. Eine Änderung dieser Rechtslage war mit der Neufassung im AFG nicht beabsichtigt. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines AFG sollten nämlich die Regelungen in §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 AFG inhaltlich den Bestimmungen der §§ 37 Abs. 1, 39 Abs. 1 AVAVG entsprechen (vgl. BT-Drucks. V/2291, S. 52 ff sowie S. 62 zu § 11 und zu § 12 AFG). Dies wird durch den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit zu dem Entwurf eines AFG (zu BT-Drucks. V/4110) klargestellt. Der Ausschuß hat in § 11 des Regierungsentwurfs (dem späteren § 13 AFG) das Wort „Arbeitnehmer” durch das Wort „Arbeitsuchender” ersetzt, um zu verdeutlichen, daß sich die Arbeitsvermittlung auch auf Personen erstreckt, die bisher nicht Arbeitnehmer waren (vgl.zu BT-Drucks. V/4110 zu § 11 Abs. 1). Daraus folgt aber, daß im Rahmen der Arbeitsvermittlung jede Person als Arbeitsuchender anzusehen ist, die – ohne Rücksicht darauf, ob und in welcher Weise sie bisher beschäftigt gewesen ist – gegenüber dem Arbeitsamt den Willen bekundet, in der Zukunft auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung aufzunehmen. Dabei ist nicht erforderlich, wovon das LSG offenbar ausgeht, daß der Arbeitsuchende unmittelbar dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Der Senat hat nämlich zum Begriff des arbeitsuchenden Arbeitnehmers i. S. des § 39 AVAVG ferner entschieden, daß es der Annahme und Führung eines Arbeitsgesuches nicht entgegensteht, wenn das Leistungsvermögen des Arbeitsuchenden eingeschränkt oder vorübergehend aufgehoben ist (BSG 26, 155, 158). Der Arbeitsuchende muß als solcher vermittlungsfähig sein, dazu gehört aber nicht die Verfügbarkeit i. S. des Arbeitslosenversicherungsrechts (§ 76 AVAVG; § 103 AFG). Es erscheint geboten, diese umfassende Auslegung des Begriffs „Arbeitsuchender” in § 13 AFG demselben Begriff in § 47 Abs. 1 AFG zukommen zu lassen. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist etwas dafür zu entnehmen, daß hier mit dem Begriff „Arbeitsuchender” eine andere Personengruppe umschrieben werden sollte, als in § 13 AFG. Allerdings bezieht sich die Arbeitsvermittlung nach § 13 AFG auf die „Begründung von Arbeitsverhältnissen” zwischen Arbeitsuchenden und Arbeitgebern; sie ist also auf eine Begründung arbeitsrechtlicher Vertragsverhältnisse gerichtet. Demgegenüber braucht die Umschulung – dem reinen Wortlaut des § 47 Abs. 1 AFG nach – nur das Ziel zu haben, dem Arbeitsuchenden den Übergang in eine andere „geeignete berufliche Tätigkeit” zu ermöglichen. Ob hieraus rechtlich die Folgerung gezogen worden kann, daß der Begriff des Arbeitsuchenden in § 47 Abs. 1 AFG über den des § 13 AFG hinausgeht, kann für den vorliegenden Fall dahinstehen. Jedenfalls erfaßt er auch den in § 13 AFG beschriebenen Personenkreis. Im übrigen würde es dem Sinn und Zweck der Umschulungsmaßnahmen widersprechen und die Förderung sogar praktisch ausschließen, wenn man den an einer Umschulungsmaßnahme teilnehmenden Personen generell die Eigenschaft als Arbeitsuchende abspricht, weil sie während ihrer Teilnahme nicht an der Aufnahme einer Beschäftigung interessiert sind. Ein arbeitsuchender Teilnehmer an einer Umschulungsmaßnahme kann gerade während der Umschulung dem Arbeitsmarkt unmittelbar nicht zur Verfügung stehen, wenn das mit dieser Maßnahme beabsichtigte Ziel, die berufliche Beweglichkeit zu sichern oder zu verbessern, nicht gefährdet werden soll. Dieser Auffassung steht die Vorschrift des § 47 Abs. 3 AFG nicht entgegen. Danach ist die Umschulung so früh wie möglich durchzuführen, wenn durch sie eine Arbeitslosigkeit beschäftigter Arbeitsuchender vermieden werden kann. Abgesehen davon, daß damit nur ein besonderer Fall dringlicher Notwendigkeit zu Umschulungsmaßnahmen beschrieben wird, kann diese Vorschrift nicht dahin verstanden werden, daß bei beschäftigten Arbeitsuchenden die konkrete Bedrohung durch Arbeitslosigkeit Voraussetzung der Förderung ist. Hierin kommt lediglich der Wille des Gesetzgebers in Form einer Handlungsanweisung an die Beklagte zum Ausdruck, daß diese verpflichtet ist, berufliche Umschulungsmaßnahmen im Falle einer erkennbar drohenden Arbeitslosigkeit so früh wie möglich durchzuführen (vgl. auch BT-Drucks. V/2291, S. 68 zu § 47 Abs. 2). Die Umschulung ist aber nach § 47 Abs. 1 Satz. 1 AFG schon dann zu fördern, wenn sie „nur” die berufliche Beweglichkeit verbessert; sie muß nicht gleichzeitig zur Verhinderung einer erkennbar drohenden Arbeitslosigkeit bestimmt sein.

Infolgedessen hindert der Umstand, daß der Kläger während der Zeit seiner Umschulung nicht an der Aufnahme einer Berufstätigkeit interessiert ist, er also erst in der Zukunft, nämlich nach Abschluß der Umschulung, wieder berufstätig sein will, nicht, ihn von Anfang an als Arbeitsuchenden zu betrachten. Ob die Eigenschaft des Klägers als Arbeitsuchender i. S. des § 47 AFG allerdings etwa deshalb zu verneinen ist, weil die von ihm angestrebte Tätigkeit nur im Rahmen eines Beamtenverhältnisses ausgeübt werden könnte, kann für den vorliegenden Fall – wie oben bereits ausgeführt – dahingestellt bleiben; denn selbst wenn man alle Voraussetzungen des § 47 AFG iVm der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 85 – AFuU 1969 –) als erfüllt ansieht und der Kläger seine Eignung für die Fachlehrertätigkeit durch das vom LSG festgestellte Bestehen der Abschlußprüfung dargetan hat (§ 36 AFG; vgl. Urteil des Senats vom 19. März 1974 – 7 RAr 9/73 –), steht seinem Förderungsanspruch der Ausschlußtatbestand des § 43 Abs. 2 AFG entgegen. Der von ihm besuchte Lehrgang ist nämlich auf die Zwecke eines Betriebes oder Verbandes i. S. dieser Vorschrift, die auch für die Umschulungsförderung gilt (§ 47 Abs. 1 Satz 2 AFG), ausgerichtet.

Nach den Feststellungen des LSG wird die Ausbildung (Umschulung) zum Fachlehrer von der Schulbehörde des Stadtstaates Hamburg betrieben. Die Lehrgänge wurden von der Schulbehörde eingerichtet, weil sie nicht in der Lage war, die musisch-technischen Fächer in ihren Schulen mit entsprechend qualifizierten Lehrkräften ausreichend zu besetzen. Daraus folgt, daß entweder die Schulbehörde als Verwaltung im engeren Sinne oder die dieser übergeordneten Stadt Hamburg Träger des bezeichneten Lehrganges ist; beide sind „Betrieb oder Verband” i. S. des § 43 Abs. 2 AFG (vgl. die Entscheidung des Senats vom 19. März 1974 – 7 RAr 32/72). Wenn auch die Trägerschaft für eine Bildungsmaßnahme die Interessengebundenheit im Sinne dieser Vorschrift noch nicht zu ergeben braucht, so ist eine solche Trägerschaft im Zusammenhang mit den übrigen mit der Maßnahme verfolgten Zielen und ihrer sonstigen Ausgestaltung ein verstärkender Hinweis darauf, daß die Maßnahme insoweit zweckgebunden ist. Die Zweckgebundenheit einer Maßnahme ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats (aaO) insbesondere aus drei Kriterien, nämlich aus der Auswahl des Teilnehmerkreises, dem Inhalt der Schulung und dem besonderen Ausbildungsziel. Hinsichtlich der Auswahl des Teilnehmerkreises ist es nicht von Bedeutung, daß Zugang zu diesen Lehrgängen nicht nur oder nicht einmal in erster Linie Bedienstete des Landes Hamburg, sondern auch außenstehende Bewerber hatten. Gerade in den Fällen, in denen ein Betrieb oder Verband freie Stellen, deren Besetzung eine bestimmte Qualifikation des Stelleninhabers erfordert, nicht mit eigenen – heranzubildenden – Bediensteten besetzen kann, ist es zwangsläufig, daß Außenstehende für die Bildungsmaßnahme angeworben werden. Vorliegend wird das Merkmal eines bestimmten Personenkreises aus der Zielsetzung der Bildungsmaßnahme als interessengebunden dadurch deutlich, daß die Absolventen der Lehrgänge ausschließlich für eine Tätigkeit in Schuldienst des Landes Hamburg ausgebildet werden. Ferner ist sowohl der Inhalt der Schulung als auch das erklärte Ausbildungsziel eindeutig auf die spätere Tätigkeit als Fachlehrer ausgerichtet (vgl. § 7 der Prüfungsordnung). Die Ausbildung ist ausdrücklich von der üblichen Ausbildung zum Volksschullehrer, die auch in Hamburg normalerweise ein PH-Studium und einen schulpraktischen Vorbereitungsdienst verlangt, abgehoben. Ihr Ziel ist es, Fachlehrer an Volks- und Realschulen heranzubilden, die in zwei Fächern unterrichten können, und zwar entweder in bildnerischen Gestalten, in Werken, in Musik, in Leibeserziehung, Nadelarbeit oder Hauswirtschaft (vgl. § 1 der Prüfungsordnung). Nach den Feststellungen des LSG, insbesondere dem Inhalt der Prüfungsordnung, unterliegt es somit keinem Zweifel, daß die gesamte Ausbildung auf die Interessen der Schulverwaltung der Stadt Hamburg ausgerichtet ist. Die zukünftige Beschäftigung im Schuldienst der Stadt Hamburg entspricht im übrigen der Interessenlage der Teilnehmer des Lehrganges. Selbst wenn in Ausnahmefällen mit dieser Ausbildung eine Beschäftigung auch außerhalb der Schulverwaltung von Hamburg möglich sein sollte, entfiele noch nicht die Interessengebundenheit der Bildungsmaßnahme i. S. des § 43 Abs. 2 AFG (BSG aaO). Die Förderung für die vom Kläger besuchte Maßnahme käme gleichwohl in Betracht, wenn hieran ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse bestünde (§ 43 Abs. 2 letzter Halbsatz AFG). Das ist jedoch nicht der Fall.

Der Begriff des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und nicht nur eine Ermessensregelung, in deren Auslegung die Beklagte im Rahmen der Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens frei wäre. Die Ansprüche auf Förderung beruflicher Bildungsmaßnahmen sind als Rechtsansprüche ausgestaltet. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen in einer einen Rechtsanspruch begründenden Norm wandelt den Rechtsanspruch nicht in eine Ermessensleistung um. In den Motiven zum AFG wird zu den unbestimmten Rechtsbegriffen ausgeführt, daß deren Anwendung in der Praxis wohl Schwierigkeiten machen könnten, was hingenommen werden müsse (vgl. Ausschußbericht zu BT-Drucks. V/4110 I Allgemeines Nr. 2 Seite 3). Die allgemeinen Grundsätze über die Nachprüfbarkeit von Ermessenshandlungen der Verwaltung im Rahmen von Bestimmungen, in denen unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, können unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 (GmS – OGB – 3/70, BGHZ 58, 399) nur Anwendung finden, wenn es sich insgesamt um eine Ermessensvorschrift handelt, aus der Rechtsansprüche nicht hergeleitet werden können. Allerdings bedeutet das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs innerhalb einer Rechtsanspruchsnorm nicht ohne weiteres, daß die Verwaltung überhaupt keinen Beurteilungsspielraum besitzt. Wie für den Bereich von Kannleistungen (vgl. ESG 27, 287, 293; 31, 83, 84; 34, 269, 270) hat das Bundessozialgericht (ESG) auch für den Bereich von Rechtsanspruchsnormen der Verwaltung bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs in bestimmten Fällen einen gewissen Beurteilungsspielraum zugebilligt, der hinsichtlich der Einhaltung seiner Grenzen vom Gericht überprüft werden kann (vgl. BSG 17, 79, 84; 19, 123, 127; 20, 73, 77; 23, 206, 208). Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vertritt den Standpunkt, daß der Verwaltung in der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bei Rechtsanspruchsnormen in bestimmten Fällen ein eigenständiger Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (BVerwG, Bd. 39 S. 197, 204 ff; vgl. auch VG Berlin in DVBl 1974, 375. Zum Schrifttum hierzu vgl. Bachhoff zur Frage der Abgrenzung von Beurteilungsspielraum, Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriff, JZ 1955, 97; derselbe auch in JZ 1972, 641; ferner Wolff, Verwaltungsrecht I, 8. Aufl., 179 ff; Ossenbühl, DÖV 1972, 401; DVBl 1974, 309).

Die Kontrolle der Gerichte wird für diesen Bereich als auf die Fragen beschränkt angesehen, ob die Verwaltung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.

Die hier gekennzeichnete Rechtsauffassung auf diesem Gebiete muß auch für das Recht der Arbeitsförderung gelten. Jedenfall dann, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe in einer Weise mit Anspruchsnormen gekoppelt sind, daß deren Anwendungsbereich dadurch von weiteren tatsächlichen „Einschätzungsprärogativen” (vgl. Ossenbühl aaO) abhängig wird, ist der Verwaltung ein gewisser Spielraum in der Beurteilung der Rechtsanwendung auf den einzelnen Sachverhalt einzuräumen. Die Ausübung dieses Beurteilungsspielraumes durch die Verwaltung wird für den Bereich der Förderung der beruflichen Bildung nach §§ 33 ff AFG in Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 39 AFG vorgenommen. Macht die Bundesanstalt von dem ihr bei der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen zustehenden Beurteilungsspielraum durch eine entsprechende Regelung im Rahmen des Satzungsrechts Gebrauch, so beschränkt sich die Kontrolle durch das Gericht darauf, ob die entsprechenden Satzungsbestimmungen von der Ermächtigung gedeckt sind. Durch den Inhalt eines in dieser Weise gesetzeskonformen Satzungsrechts wird der Beurteilungsspielraum der Bundesanstalt in dem oben dargestellten Sinn konkretisiert. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß von § 4 der AFuU 1969 auszugehen ist, in welchem der Begriff „besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse” näher umschrieben wird. In Betracht kommt vorliegend allenfalls die Regelung in § 4 Nr. 3 AFuU 1969; danach besteht ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse i. S. des § 43 Abs. 2 AFG, wenn die Fortbildung oder Umschulung die berufliche Beweglichkeit des Teilnehmers verbessert und Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung oder Mangel an Arbeitskräften auf andere Weise nicht verhütet oder beendet werden kann. Es besteht kein Anlaß, den Regelungsinhalt dieser Bestimmung unter dem Gesichtspunkt des § 39 AFG zu beanstanden. Der Tatbestand des § 4 Nr. 3 AFuU 1969 liegt jedoch – auf den vorliegenden Fall bezogen – nicht vor. Die von der Schulbehörde eingerichtete Bildungsmaßnahme zur Heranbildung der bezeichneten Fachlehrer im musisch-technischen Bereich hat zwar den Zweck, einen „Mangel an Arbeitskräften zu verhüten oder zu beenden”, dieser Mangel ist aber „auf andere Weise” (als durch Förderung seitens der Bundesanstalt für Arbeit) zu beheben. Auf „andere Weise” i. S. des § 4 Nr. 3 AFuU 1969 sind die dort bezeichneten arbeitsmarktpolitischen Schwierigkeiten jedenfalls dann zu beheben, wenn der Betrieb oder Verband, auf dessen Zwecke die Bildungsmaßnahme ausgerichtet ist, selbst eine gesetzliche Verpflichtung zur Beseitigung jener Schwierigkeiten hat. Das ist hier der Fall. Gemäß Art. 7 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Schulpflicht und deren Organisation eine zentrale Aufgabe des Staates. Zur Schulaufsicht i. S. des Art. 7 Abs. 1 GG gehört die Befugnis des Staates zur zentralen Ordnung und Organisation des Schulwesens mit dem Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Dem Staat steht die Schulplanung und die Einwirkung auf Einrichtung, Änderung und Aufhebung der einzelnen öffentlichen Schulen zu (vgl. BVerfGE 26, 238). Nach § 7 des Schulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 9. Dezember 1966 (Hamburgisches GVBl 1966 S. 257) sichert die Freie und Hansestadt Hamburg das Recht der Schulpflichtigen auf den Besuch einer Schule und schafft die Voraussetzungen für die Erfüllung der Schulpflicht. Diese verfassungsmäßigen und gesetzlichen Pflichten der Stadt Hamburg haben zur Folge, daß der im Bereich der Schulbehörde von Hamburg bestehende Mangel an Arbeitskräften von ihr selbst, also „auf andere Weise” als durch Förderung seitens der Bundesanstalt verhütet bzw. beendet werden kann. Ungeachtet der von LSG festgestellten Lage, wonach die Arbeitsplätze in Bereich der Volksschulen von Hamburg ohne die Heranbildung der Fachlehrer nicht ausreichend besetzt werden könnten, muß infolgedessen das besondere arbeitsmarktpolitische Interesse i. S. des § 43 Abs. 2 AFG an einer Förderung dieser Ausbildung verneint werden.

Das bedeutet, daß der Ausschlußtatbestand des § 43 Abs. 2 AFG gegeben ist, so daß aus diesem Grunde der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Förderung des Lehrgangs nicht begründet ist. Da das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 138

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