Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob eine Witwenrente nach dem bis zum 31. Dezember 1985 geltenden (= alten) oder nach dem ab 1. Januar 1986 geltenden (= neuen) Hinterbliebenenrentenrecht zu berechnen ist.

Die am 8. März 1928 geborene Klägerin war seit November 1976 mit dem am 8. Mai 1928 geborenen Karl Otto R. (im folgenden: Versicherter) verheiratet. Dieser erlitt am 8. September 1984 einen Schlaganfall und war anschließend pflegebedürftig. Nach einer Venenoperation und 14-tägiger Bewußtlosigkeit verstarb er am 31. August 1986.

Mit Bescheid vom 10. November 1986 bewilligte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin für die Zeit ab 1. September 1986 Witwenrente. Im Bescheid wurde u.a. ausgeführt, das eigene Einkommen der Klägerin in Gestalt einer Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung übersteige zwar den Freibetrag; im ersten Jahr nach dem Tode des Versicherten ruhe jedoch die Hinterbliebenenrente nicht. Der Widerspruch der Klägerin, mit welchem sie eine Berechnung der Hinterbliebenenrente nach altem Recht (ohne Einkommensanrechnung) begehrte, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 8. April 1987 mit der Begründung zurückgewiesen, aufgrund des Todesfalles am 31. August 1986 seien das neue Hinterbliebenenrentenrecht und damit auch die Anrechnungsvorschrift des § 58 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzuwenden, weil vor dem Tode des Versicherten eine gemeinsame übereinstimmende Erklärung über die Anwendung des am 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts gemäß Art 2 § 17a Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) i.d.F. des Art 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz -HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl. I S. 1450) nicht abgegeben worden und dem Rentenversicherungsträger oder einer anderen zuständigen Stelle nicht zugegangen sei. Mit Bescheid vom 9. Juli 1987 nahm die Beklagte für die Bezugszeit ab 1. September 1987 eine Neuberechnung der Witwenrente vor, die nunmehr in Höhe von 10 v.H. (vgl. Art 2 § 22b Abs. 2 AnVNG) des Differenzbetrages zwischen der Versichertenrente der Klägerin und dem Freibetrag ruhte.

Das Sozialgericht (SG) Itzehoe hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Dezember 1987). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27. April 1988) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin könne nicht eine Feststellung ihrer Witwenrente nach dem bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Recht beanspruchen. Die Übergangsvorschrift des Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG greife nicht ein. Der Versicherte habe nicht zu seinen Lebzeiten die Erklärung abgegeben, daß seine Witwe Rente nach altem Recht beziehen solle. Der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG sei nicht zu entnehmen, daß nach dem Tod des Versicherten auf seine Erklärung verzichtet oder daß sie von den Hinterbliebenen, den Erben oder sonstigen Personen anstelle des Versicherten abgegeben werden könne. Vielmehr bestätige die Entstehungsgeschichte, daß der Gesetzgeber die Abgabe der Erklärung zu Lebzeiten des Versicherten gewollt habe. Die Möglichkeit, bis zum 31. Dezember 1988 das alte oder das neue Recht zu wählen, bestehe nur zu Lebzeiten des Versicherten, weil er nur während deren Dauer sein Versicherungsverhältnis gestalten könne und nach Eintritt des Versicherungsfalles mit dem Tode des Versicherten das Versicherungsverhältnis nicht mehr umgestaltbar sei. Deshalb seien die Hinterbliebenen, die Erben oder andere Personen nicht mehr in der Lage, an dessen Stelle die Erklärung abzugeben. Daß die Klägerin das Wahlrecht nicht mehr ausüben könne, während lebende Ehegatten dazu noch bis zum 31. Dezember 1988 berechtigt seien, verstoße nicht gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG), weil insoweit verschiedene Sachverhalte vorlägen. Im übrigen ergebe die bei Stichtags- und anderen Übergangsregelungen im Rahmen des Art 3 GG nur beschränkt mögliche verfassungsrechtliche Prüfung keine Beanstandungen. Art 2 § 17a Abs. 2 und § 22b Abs. 2 AnVNG ermöglichten ein "gleitendes Hineinwachsen" in das neue Recht, entsprächen dem verfolgten Ziel und fügten sich in das System der Gesamtregelungen ein. Eine analoge Anwendung anderer Vorschriften wie z.B. des § 28a Abs. 2 Satz 2 AVG sei nicht möglich, weil eine planwidrige Gesetzeslücke nicht vorliege. Der Gesetzgeber habe bewußt, wohl begründet und verfassungsrechtlich bedenkenfrei festgesetzt, daß der Versicherte die verlangte Erklärung zu seinen Lebzeiten abgeben müsse. Es könne offen bleiben, ob der Versicherte in den Monaten vor seinem Tode in geistiger Umnachtung gelebt und von da an eine ständige Geschäftsunfähigkeit vorgelegen habe. Selbst wenn dann die Erklärung eines Vormundes oder der Klägerin als Vertreterin des Versicherten ausgereicht hätte, habe jedenfalls die Klägerin weder ein Entmündigungsverfahren eingeleitet noch als Vertreterin des Versicherten die Erklärung nach Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG abgegeben. Daß sie nicht die Zeit gehabt habe, sich um die Regelung ihrer Hinterbliebenenversorgung zu kümmern, treffe nicht zu. Nach ihren Angaben seien sie und der Versicherte schon 1985 übereingekommen, die Erklärung abzugeben. Hierfür habe gut ein Jahr Zeit bestanden. Dann aber sei es unbeachtlich, aus welchen Gründen die Eheleute die Wahlmöglichkeit nicht genutzt hätten.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine fehlerhafte Anwendung des Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG. Es sei verfassungsmäßig nicht vertretbar und stelle eine dem Art 3 Abs. 1 GG widersprechende Ungleichbehandlung dar, daß bei dem plötzlichen Tod eines Ehepartners der überlebende Ehegatte an einer Erklärung gemäß Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG gehindert sei, auch wenn die Erklärungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Es sei verfassungswidrig, wenn die Abgabe der Erklärung von der Gesundheit beider Ehegatten abhängig gemacht werde und der Gesetzgeber nicht eine Regelung getroffen habe, um dem überlebenden Ehepartner die Möglichkeit zu geben, bei plötzlichem Tod des Ehepartners die erforderliche Erklärung zu ersetzen. So wie in der ähnlich liegenden Regelung des § 1251a Abs. 2 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hätte auch in der streitigen Frage der Gesetzgeber eine befriedigende Lösung finden können.

Die Klägerin beantragt:die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. April 1988 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 2. Dezember 1987 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1987 sowie des Bescheides vom 9. Juli 1987 zu verurteilen, die Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes Karl Otto R. unter Zugrundelegung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Rechts zu berechnen.

Die Beklagte beantragt:die Revision zurückzuweisen.

Sie erwidert, nach der gesetzlichen Regelung werde eindeutig eine Willenserklärung beider Ehegatten verlangt, die nur im Rahmen gemeinsamer Lebensplanung und damit nur zu Lebzeiten beider Ehegatten abgegeben werden könne. Dürfte das anzuwendende Recht erst nach Eintritt des Versicherungsfalles des Todes bestimmt werden, hätte es der überlebende Ehegatte in der Hand, nach Günstigkeitserwägungen das für ihn vorteilhaftere Recht zu bestimmen. Der Gesetzgeber habe dem überlebenden Ehegatten jedoch kein Wahlrecht einräumen wollen. Der Ausschluß des Wahlrechts für Ehegatten, die sich bis zum Eintritt des Versicherungsfalles noch nicht für die Weitergeltung des alten Rechts entschieden hätten, stelle keine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Ehegatten dar, bei denen der Versicherungsfall noch nicht eingetreten sei und die vom Wahlrecht noch bis zum 31. Dezember 1988 Gebrauch machen könnten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist zulässig und auch begründet. Hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Klage gegen den Bescheid vom 10. November 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1987 bestehen keine durchgreifenden Bedenken, weil die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide bereits insoweit beschwert ist, als bei der ihnen beigefügten Ruhensberechnung eine Entscheidung über die Anrechnung von Einkommen und damit über die Anwendung des neuen Hinterbliebenenrentenrechts jedenfalls dem Grunde nach getroffen worden ist. Die Witwenrente der Klägerin darf jedoch nicht wegen einer Anrechnung von Einkommen nach § 58 AVG i.V.m. Art 2 § 22b Abs. 2 AnVNG (beide i.d.F. des HEZG) herabgesetzt werden, weil für die Rente das bis zum 31. Dezember 1985 geltende - alte - Hinterbliebenenrentenrecht maßgeblich ist. Denn die Klägerin hat - was der erkennende Senat für ausreichend erachtet mit ihrem Widerspruch noch im Jahre 1986, also vor Ablauf der in Art 2 § 17a Abs. 2 Satz 1 AnVNG gesetzten Frist, gegenüber der Beklagten erklärt, daß das alte Hinterbliebenenrentenrecht für sie anzuwenden sei.

Nach dieser mit Wirkung vom 1. Januar 1986 in das Gesetz eingefügten Bestimmung (Art 5 Nr. 2 HEZG) können Ehegatten gegenüber dem für einen der Ehegatten zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum 31. Dezember 1988 übereinstimmend erklären, daß für sie die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden sind, wenn 1) beide Ehegatten vor dem 1. Januar 1936 geboren sind und 2) ihre Ehe vor dem 1. Januar 1986 geschlossen worden ist. Fehlt es - bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen - an übereinstimmenden (inhaltlich deckungsgleichen) Erklärungen in diesem Sinne, findet zwar grundsätzlich das neue Recht Anwendung, wie sich (indirekt) aus Art 2 § 17a Abs. 1 und § 22b Abs. 1 AnVNG ergibt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn einer der Ehegatten vor dem Ablauf der Erklärungsfrist verstorben ist, ohne bis dahin eine Erklärung wirksam abgegeben zu haben. In diesen Fällen kann der überlebende Ehegatte allein die Erklärung, daß das alte Hinterbliebenenrentenrecht anzuwenden sei, wirksam abgeben.

Für die Annahme, daß der Gesetzgeber beim Tod eines der Ehegatten vor Fristablauf dem Überlebenden allein die Erklärung überlassen hätte, wenn er Fallgestaltungen dieser Art nicht - unbewußt übersehen hätte, bestehen sowohl nach der Entstehungsgeschichte als auch nach Wortlaut, systematischem Zusammenhang und Zweck der Vorschrift hinreichend sichere Anhaltspunkte. Für eine unbewußte Regelungslücke spricht bereits, daß andernfalls das neue Hinterbliebenenrentenrecht als Folge des Wegfalls des gesetzlichen Gestaltungsrechts für den Überlebenden sogar dann gelten würde, wenn die Frist nicht ausgeschöpft werden konnte, weil z.B. der Versicherungsfall bereits am 1. Tag der Frist (1. Januar 1986; vgl. LSG Berlin, Urteil vom 23. März 1990 - L 1 An 32/88 -: Tod am 2. Januar 1986) oder während der Frist nach einer Zeit beschränkter oder ausgeschlossener Handlungsfähigkeit infolge längerer und schwerer Krankheit oder geistiger Leistungsminderung eingetreten ist. Nicht nur in diesen, sondern in allen Fällen, in denen einer der Ehegatten innerhalb der Frist (31. Dezember 1985 bis 31. Dezember 1988) verstirbt, steht ein Verlust des gesetzlichen Gestaltungsrechts für den Überlebenden mit der strikten Folge der Anwendung des neuen Hinterbliebenenrentenrechts in einem unlösbaren Wertungswiderspruch zum Regelungskonzept des Gesetzgebers, der nur durch eine "teleologische Extension" im vorbezeichneten Sinne gelöst werden kann.

Das Regelungskonzept des Gesetzgebers wird durch den Zusammenhang zwischen Art 2 § 17a Abs. 1 und Abs. 2, § 22b Abs. 1 und Abs. 2 AnVNG i.d.F. des HEZG verdeutlicht, die sämtlich dem Gedanken des Vertrauensschutzes Rechnung tragen (vgl. den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 10/3519 unter A, Allgemeines I, S. 6 und unter III 3b, S. 13). Der Gesetzgeber sah sich bei der gebotenen Umstellung des alten auf das neue Recht aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Besitzstandswahrung zunächst gehindert, Versicherungsfälle vor dem 1. Januar 1986 in die Neuregelung einzubeziehen. Bei allen Versicherungsfällen vor diesem Stichtag bleibt es künftig bei der Anwendung des alten Hinterbliebenenrentenrechts (Art 2 § 17a Abs. 1 und § 22b Abs. 1 AnVNG i.d.F. des HEZG). Hingegen sollten durch die aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Neuordnung des Hinterbliebenenrentenrechts zum 1. Januar 1986 grundsätzlich alle von diesem Stichtag an eingetretenen Todesfälle erfaßt werden. Zur Erleichterung des Übergangs in das neue Recht war im Regierungsentwurf zum HEZG als Übergangsregelung lediglich vorgesehen, daß bei den Witwenrenten an Witwen, deren Ehe vor dem 1. Januar 1986 geschlossen worden ist und deren Ehemann in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1995 verstirbt, die Anrechnung von Einkommen zeitlich gestuft erfolgt, indem während einer Übergangszeit von fünf Jahren die Anrechnung in einer gemilderten Form durchgeführt wird (Art 2 § 22b Abs. 2 AnVNG i.d.F. des HEZG). Dieses stufenweise Hineingleiten in das neue Recht erschien jedoch angesichts des Alters vieler von der Neuregelung betroffenen Ehepaare nicht ausreichend. Auf Empfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Beschlußempfehlung, BT-Drucks 10/3518 S. 3 und 41/42) ist deshalb Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG als weitere Übergangsregelung zur Milderung des Übergangs in das neue Recht eingefügt worden. Grundidee war, dem Gedanken des Vertrauensschutzes für ältere Ehepaare Rechnung zu tragen. Wer vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geheiratet und seine Lebensplanung im Vertrauen auf den Fortbestand des geltenden Rechts ausgerichtet hatte, sollte nicht um jeden Preis in das durch das HEZG geschaffene Hinterbliebenenrentenrecht hineingezwungen werden, weil mit dem Anrechnungsmodell häufig erhebliche (in nicht wenigen Fällen bis zum völligen Ruhen der Hinterbliebenenrente führende) Nachteile verbunden sind. Dieses schutzwürdige Vertrauen sollte in gebotenem Umfang berücksichtigt werden. Dabei waren auch Gründe der Rechtssicherheit zu beachten, die ein zu langes Nebeneinander von zwei in vielfacher Hinsicht unterschiedlichen Rechtssystemen - etwa nach dem Günstigkeitsprinzip - nicht wünschenswert erscheinen ließen. Zwischen diesen beiden in einem Spannungsverhältnis stehenden Prinzipien - der Notwendigkeit eines angemessenen Vertrauensschutzes einerseits und der Notwendigkeit einer baldigen Umstellung auf das neue Recht andererseits - ist mit Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG ein Kompromiß gefunden worden, der in vertretbarem Maße beiden Prinzipien gerecht wird: Danach blieb es den bei Inkrafttreten des HEZG bereits über 50 Jahre alten Ehegatten überlassen, gemeinsam für das alte Recht der Hinterbliebenenversorgung zu optieren, also vorab - für einen künftigen Todesfall - eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung für die Anwendung des alten Rechts zu treffen. Folgerichtig hat der Gesetzgeber den Ehegatten gemeinschaftlich und "zur gesamten Hand" ein befristetes Gestaltungsrecht (Wahlrecht) zugunsten der Fortgeltung des alten Hinterbliebenenrentenrechts eingeräumt, das grundsätzlich durch übereinstimmende Erklärung beider Ehegatten auszuüben ist. Damit sollte insbesondere auch den Interessen der älteren Frauen Rechnung getragen werden und der Spielraum des einzelnen Versicherten erweitert werden, indem er ggf. auf einen nach neuem Recht möglichen Witwerrentenanspruch verzichtet, um seine Ehefrau die volle Witwenrente zu erhalten (vgl. dazu den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, a.a.O., S. 13).

Der Gesetzgeber wollte damit den Ehegatten eine "sinnvolle" , nach ihren individuellen Verhältnissen, Vorsorgeplanungen und Sicherungsabsichten ausgerichtete Entscheidung gestatten, d.h. nach Umständen, die nur die Ehegatten selbst überschauen konnten. Dabei war von vornherein klar, daß eine Entscheidung für das alte Recht - nicht zuletzt wegen ihrer Unwiderruflichkeit - sorgfältige prognostische Überlegungen erforderte, bei denen eine Vielzahl von Fallgestaltungen zu berücksichtigen war. Die Ehegatten mußten sich zunächst darüber Gedanken machen, wer voraussichtlich von ihnen als erster versterben wird. Ist dies der Ehemann, weil die Ehefrau - bei entsprechendem Altersunterschied und angesichts der allgemein höheren Lebenserwartung von Frauen - voraussichtlich eine höhere Lebenserwartung hat, konnte für die Wahl des alten Rechts schon allein dies maßgeblich sein, weil dann der Ehemann eine Witwerrente ohnehin nicht zu erwarten hatte. Aber auch wenn eine Prognose über das voraussichtliche Vorversterben eines der Ehegatten zu ungewiß war, konnte für die Wahl des alten Rechts allein der Wille des Versicherten maßgeblich sein, seiner Ehefrau die Witwenrente ohne Einkommensanrechnung zu garantieren und dafür auf einen Witwerrentenanspruch neuen Rechts bewußt zu verzichten. Für die bewußte Hinnahme eines fehlenden Witwerrentenanspruchs konnte auch sprechen, daß der Versicherte wegen der eigenen Versorgung auf eine Witwerrente nicht angewiesen sein würde oder wegen der Anrechnung eigenen - höheren - Einkommens eine Witwerrente weitgehend oder in vollem Umfang ruhen würde. Auch und nicht zuletzt an solche Fälle war nach der Gesetzesbegründung gedacht, weil damit berücksichtigt werden konnte, daß ältere Ehegatten häufig auch die soziale Sicherung des überlebenden Partners in ihre Vorsorgeplanung einbezogen hatten. Durch die Anrechnung von eigenem Einkommen auf die Hinterbliebenenrente konnten sich diese Planungen - insbesondere bei der Versorgung der Ehefrau - im nachhinein als unzureichend erweisen, ohne daß die Ehefrau dann noch die Möglichkeit gehabt hätte, ihren nach altem Recht erreichten Versorgungsstandard durch zusätzliche private Sicherungsmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Im übrigen mußten die Ehegatten, sofern sie die im jeweiligen Längerlebensfalle für beide günstigste Lösung finden wollten, ihre Entscheidung vornehmlich danach treffen, ob der überwiegende Unterhalt der Familie zuletzt durch die ggf. vorversterbende Ehefrau geleistet werden und ob der ggf. Längerlebende Einkommen über dem Freibetrag haben würde. Dabei waren die verschiedensten typisierenden Fallgestaltungen zu bedenken (vgl. dazu im einzelnen Michaelis/Blümlein/Heller, DAngVers 1985, 273, 297 f.; Ruland, NJW 1986, 20, 22; Michaelis, Renten für Witwen und Witwer, 1988, S. 44 f.; Hußmann, Amtliche Mitteilung der LVA Rheinprovinz 1986, S. 327 ff.; Kaltenbach/Clausing, Das neue Rentenrecht 1986, S. 35 ff.; vgl. ferner die Entscheidungshilfen für die Ehegatten im Sondermerkblatt der BfA "Wahlrecht für über 50jährige Ehegatten und Geschiedene"). Ferner mußte berücksichtigt werden, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum Eintritt eines Todesfalles noch ändern konnten.

Die praktischen Schwierigkeiten einer solchen Entscheidung, die zunächst voraussetzte, daß die Ehegatten sowohl das alte als auch das neue Recht mit seinen möglichen Auswirkungen kannten, und die komplexe Überlegungen erforderte, waren Gegenstand der Ausschußberatungen (vgl. die Einwendungen der Fraktion der SPD gegen den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP in BT-Drucks 10/3519 S. 13). Angesichts dieser Schwierigkeiten bestand Übereinstimmung dahin, daß die Versicherungsträger durch allgemeine Aufklärung, Merkblätter usw sowie durch individuelle Beratung zu einer "sinnvollen" Entscheidung Hilfestellung geben mußten, ohne allerdings den Ehegatten das in der Prognose liegende Risiko abnehmen zu können. Deshalb mußte in der Übergangsregelung eine ausreichend lang bemessene "Überlegungsfrist" vorgesehen werden, die vom Gesetzgeber dann auch - dem Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung entsprechend - bis 31. Dezember 1988 gewährt worden ist.

Dauer und Zweck der bis Ende 1988 eingeräumten Frist bieten einen entscheidenden Hinweis dafür, daß der Gesetzgeber die Wahlmöglichkeit nicht allen denjenigen nehmen wollte, deren Ehegatte vor Fristablauf verstorben ist, ohne die Erklärung - aus welchen Gründen auch immer - vor seinem Tode abgegeben zu haben. Daß es sich bei der eingeräumten Frist um eine gesetzliche "Frist" handelt, die grundsätzlich bis zu dem gesetzten Endzeitpunkt ausgeschöpft werden darf, ergibt sich schon aus ihrer Ausgestaltung als Ausschlußfrist; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen (Art 2 § 17a Abs. 2 Satz 4 AnVNG). Das den Ehegatten eingeräumte Wahlrecht kann - als gesetzliches Gestaltungsrecht - grundsätzlich auch dann noch bis zum 31. Dezember 1988 ausgeübt werden, wenn die Entscheidung früher möglich gewesen bzw. bewußt aufgeschoben worden ist. Die Frist ist nach ihrem gesetzlichen Zweck unzweifelhaft auch eine Überlegungsfrist, die wegen der Schwierigkeit der anzustellenden Erwägungen und Prognosen vor übereilten und "sinnwidrigen" Entscheidungen schützen und den Ehegatten eine reifliche Überlegung sichern sollte. Dafür spricht insbesondere ihre auffällig lange Dauer von drei Jahren nach Inkrafttreten des HEZG, die vor allem Raum für öffentliche Aufklärungsmaßnahmen und individuelle Entscheidungshilfen bieten sollte. Mit diesen Zwecken wäre es aber schlechterdings unvereinbar, wenn die eingeräumte Frist um so weniger ausgeschöpft werden könnte, je älter, gebrechlicher und hinsichtlich der Entscheidungsbildung hilfebedürftiger die betroffenen Ehepaare bzw. ein Teil von ihnen wäre. Es bedeutete insoweit einen unlösbaren Wertungswiderspruch, wenn der Gesetzgeber gerade denjenigen, bei denen das Risiko eines vorzeitigen Todes am größten war, für das auf diesen Risikofall bezogene Wahlrecht die geringstmögliche bzw. keine Überlegungsfrist gewährt hätte, diese Ehepaare also gerade in eine schnelle und damit zweckwidrige (weil unzureichend vorbereitete) Entscheidung hätte zwingen wollen.

Dafür, daß der Gesetzgeber dem überlebenden Ehegatten das Wahlrecht nicht abschneiden wollte, spricht auch der Wortlaut des Gesetzes im Zusammenhang mit der dazu gegebenen Begründung. Hätte der Gesetzgeber die Erklärungsfrist auf den Todeszeitpunkt des vor Fristablauf Versterbenden begrenzen wollen, hätte eine Formulierung nahegelegen, daß die Erklärung bis zum 31. Dezember 1988 abzugeben sei, bei Tod eines der Ehegatten vor diesem Stichtag spätestens jedoch bis zu dessen Tod. Eine entsprechende Einschränkung enthält das Gesetz jedoch nicht. Auch die Gesetzesbegründung bietet dafür keinen Anhalt. Dort heißt es zu Art 2 § 18 ArVNG (BT-Drucks 10/3519 S. 16) ua:

"Die Erklärung muß vor dem Tode eines der Ehegatten abgegeben sein, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 1988. Damit bleibt den Ehegatten eine ausreichende Überlegungsfrist."

Aus dem Zusammenhang beider Sätze, insbesondere aber aus dem letzten Satz ergibt sich, daß der Gesetzgeber offensichtlich von einer für alle betroffenen Ehegatten in gleichem Umfang bestehenden Überlegungsfrist bis zum 31. Dezember 1988 ausgegangen ist, weil er ansonsten - etwa bei Todesfällen am oder kurz nach dem 1. Januar 1986 - nicht von einer "ausreichenden" Überlegungsfrist hätte sprechen können. Bereits aus der Formulierung "spätestens jedoch" im ersten Satz der Begründung ergibt sich, daß der Gesetzgeber mit dem Erfordernis der Abgabe der Erklärung vor dem Tod eines der Ehegatten nur Todesfälle nach Fristablauf im Auge gehabt haben kann, denn nur bei Todesfällen nach dem 31. Dezember 1988 muß die Erklärung "spätestens jedoch" bis zu diesem Stichtag abgegeben sein. Hingegen hätte, wenn für Todesfälle vor dem 31. Dezember 1988 die Überlegungsfrist auf den Todeszeitpunkt hätte beschränkt werden sollen, die Abgabe der Erklärung bis zum 31. Dezember 1988 durch den Zusatz "spätestens jedoch bis zum Tode eines der Ehegatten" eingeschränkt werden müssen. Hätten die Fälle des vorzeitigen Todes in der Zeit zwischen Fristbeginn und Ende (1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1988) in der Weise geregelt werden sollen, daß bei Nichtausübung des Wahlrechts bis zum Tod eines der Ehegatten für die Hinterbliebenenrente des Überlebenden automatisch das neue Recht gilt, wäre die eingeräumte Überlegungsfrist in diesen Fällen nicht nur - je nach dem Zeitpunkt des Todeseintritts - verkürzt, sondern letztlich ganz und gar beseitigt worden. Denn kein Ehepaar, das das Risiko des Todes eines der Ehegatten vor dem 31. Dezember 1988 und damit den Verlust des Wahlrechts hätte eingehen können (oder wollen), hätte eine Überlegungsfrist in Anspruch nehmen können, sondern hätte die übereinstimmende Erklärung möglichst noch vor dem 31. Dezember 1985 abgeben müssen. Das gilt - wenn auch in erster Linie - nicht nur für alle diejenigen Ehepaare, von denen einer oder beide bei Fristbeginn bereits alt und krank bzw. gebrechlich waren, sondern letztlich für alle von der Übergangsvorschrift betroffenen Ehepaare. Da der Eintritt des Todes nicht sicher vorhersehbar ist, sondern immer eintreten kann (zB durch Unfall, plötzliche Krankheit), hätte letztlich niemand die Erklärungsfrist ausschöpfen können. Der Gesetzgeber hätte dann mit der einen Hand gegeben, was er mit der anderen wieder genommen hätte. Die systematische Unvereinbarkeit dieser Rechtsfolge mit dem Zweck der Vorschrift liegt also insbesondere darin, daß eine allgemein für erforderlich angesehene Überlegungsfrist von drei Jahren um so weniger in Anspruch genommen werden kann, je höher das Risiko ist, das Gegenstand eben dieser Überlegungen sein soll, und widerspricht zudem der Absicht des Gesetzgebers, gerade für ältere Ehegatten und damit erst recht für diejenigen, die dem Todesfalle am nächsten stehen, einem (den Todesfällen vor dem 1. Januar 1986 angenäherten) Vertrauensschutz durch die Ermöglichung der Wahl des alten Rechts Rechnung zu tragen.

Gewichtige Anhaltspunkte für eine Lückenhaftigkeit des Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG und gegen dessen angeblich eindeutigen Wortlaut ergeben sich schließlich auch daraus, daß diese Vorschrift insgesamt nur eine weithin unvollständige Regelung der Ausübung des Wahlrechts durch übereinstimmende Erklärungen der Ehegatten enthält. Es ist z.B. weder geregelt, ob die Erklärungen höchstpersönlicher Art sind oder ob eine gewillkürte Vertretung - auch der Ehegatten untereinander - zulässig ist, ob die Vorschriften über Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit sowie gesetzliche Vertretung, über Willensmängel, über Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden anzuwenden sind (zu diesen und weiteren Fragen umfassend Michaelis/Barkmin, DAngVers 1988, 94 ff.) und wie die Fälle zu behandeln sind, in denen ein Ehegatte willkürlich (also auch dann, wenn die Anwendung des alten Rechts für beide offensichtlich günstiger ist) die Abgabe der übereinstimmenden Erklärung verweigert hat. Eine Reihe von diesbezüglichen Problemen, insbesondere soweit sie mit geistiger Gebrechlichkeit und daran anschließend (vor Fristablauf) eingetretenem Tod eines der Ehegatten zusammenhängen, löst sich allerdings ohne weiteres, wenn - wie hier - ein Fortbestehen des Gestaltungsrechts in der Hand des überlebenden Ehegatten angenommen wird. Auch dies spricht letztlich für die hier vorgenommene Auslegung.

Ein Erlöschen des Gestaltungsrechts beim Tod eines Ehegatten kann auch nicht durch die Überlegung gerechtfertigt sein, daß die Anwendung des neuen Rechts für den Überlebenden stets oder jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle günstiger wäre - das trifft für die den Ehemann häufig überlebenden Ehefrauen ersichtlich nicht zu - oder für die Wahl des alten Rechts nach Beendigung der Ehe kein Grund mehr bestünde. Im Gegenteil spricht der mit der Einräumung des Wahlrechts verfolgte Zweck, dem Vertrauensschutz älterer Ehegatten hinsichtlich der Fortgeltung des alten Rechts Rechnung zu tragen, dafür, daß der Gesetzgeber dem Überlebenden allein das Wahlrecht überlassen hätte, wenn er Todesfälle vor Fristablauf in seine Überlegungen einbezogen hätte. Denn bei vorzeitigem Eintritt des Risikos, auf das das Wahlrecht allein bezogen ist, ist der Grund für das Wahlrecht nicht entfallen, sondern erst recht gegeben. Die ratio legis trifft nämlich in Fällen des Vorversterbens eines der Ehegatten vor dem 31. Dezember 1988 mindestens in gleichem, wenn nicht in stärkerem Maße zu als in Fällen des Todes nach diesem Stichtag. Nur wenn der Überlebende das Wahlrecht allein ausüben kann, kann dem Vertrauensschutz älterer Ehegatten im Blick auf die Fortgeltung des alten Rechts noch angemessen Rechnung getragen werden. Daß bei ihm das prognostische Risiko, das "günstigere" Recht zu wählen, entfällt, weil dann eine Prognose, wer zuerst versterben wird und wie die Einkommensverhältnisse zur Zeit des Todes sein werden, nicht mehr erforderlich ist, steht der Schutzbedürftigkeit seines Vertrauens auf die Fortgeltung des alten Rechts nicht entgegen. Einerseits steht dem Wegfall dieses Risikos der frühzeitige Verlust des Ehepartners (und dessen Beitrages zum Familienunterhalt) gegenüber. Andererseits würde durch den Verlust des Wahlrechts für den Überlebenden die Systematik des Gesetzes, wie sie sich aus den Übergangsbestimmungen ergibt, praktisch in ihr Gegenteil verkehrt. Der Überlebende würde von Gesetzes wegen einschränkungslos dem neuen Hinterbliebenenrentenrecht unterworfen, das der Gesetzgeber aber mit Rücksicht auf den Vertrauensschutz strikt nur für neue Ehen bzw. Altehen mit jüngeren Ehepartnern (zB mit Frauen unter 50) in der Annahme vorgesehen hat, sie könnten sich aufgrund ihres jüngeren Lebensalters noch ohne weiteres auf das neue Recht einstellen. Es würde gerade denjenigen - meist weit über 50 Jahre alten - Hinterbliebenen und insbesondere den Witwen, deren Ehegatte alsbald nach dem 31. Dezember 1985 verstorben ist, jegliche Chance genommen, so behandelt zu werden wie diejenigen Hinterbliebenen (Witwen), deren Ehegatte kurze Zeit vorher - bis zum 1. Januar 1986 - verstorben ist und denen sie daher hinsichtlich des Vertrauens auf die Fortgeltung des alten Rechts am nächsten stehen.

Der Annahme eines von dem überlebenden Ehegatten allein auszuübenden Wahlrechts steht - als sog. Gegenprinzip - auch nicht das Versicherungsprinzip (richtig: Versicherungsfallprinzip) entgegen. Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I 2261) dieses Prinzip praktisch aufgegeben hat, kann es bei gesetzlichen Übergangsregelungen der hier vorliegenden Art, die erklärtermaßen dazu dienen, beim Übergang von altem zu neuem Recht dem Vertrauensschutz Rechnung zu tragen, keine entscheidende Bedeutung haben. Das zeigt bereits die - ebenfalls durch das HEZG geschaffene - Regelung des § 1251a RVO = § 28a AVG, wonach die übereinstimmende und befristete Erklärung von Vater und Mutter, daß der Vater das Kind überwiegend erzogen hat, dann vom Vater allein abgegeben werden kann, wenn die Mutter nach dem 31. Dezember 1985 verstirbt (a.a.O. Abs. 2 Satz 2 i.d.F. des HEZG). Damit sollte erreicht werden, daß die Kindererziehungszeit im Versicherungsverlauf des Vaters und nicht der verstorbenen Mutter berücksichtigt wird. Auch bei diesen die gemeinsame Kindererziehung betreffenden Neuregelungen hat also das Versicherungsfallprinzip nicht nachträglichen Verschiebungen des Versicherungsrisikos entgegengestanden.

Andererseits kann der Ansicht, daß schon angesichts des Fehlens einer dieser Regelung vergleichbaren Ausnahmeregelung in Art 2 § 18 Abs. 3 ArVNG (= Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG) nicht von einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke die Rede sein könne, nicht gefolgt werden. Daß die vorstehend erwähnten Vorschriften sämtlich durch das HEZG geschaffen worden sind, läßt nicht den Schluß zu, daß der Gesetzgeber auch bei Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG die Frage erwogen hat, wann ausnahmsweise eine Erklärung nur eines Ehegatten ausreichend sein soll. Die Sonderregelungen für den Fall des Todes der Mutter nach Ablauf der Kindererziehungszeit, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum HEZG noch nicht vorhanden waren (BT-Drucks 10/2677, S. 3), sind aufgrund von Bedenken des Bundesrates und des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung eingefügt worden und sollten dem Umstand Rechnung tragen, daß es beim Tod der Mutter nach dem 31. Dezember 1985 wegen der Anrechnung eigenen Einkommens des Vaters auf die Witwerrente häufig nicht zu einer derartigen Leistung kommen wird und daher die Kindererziehungszeit beim Tod der Mutter ohne das nachträgliche alleinige Erklärungsrecht des Vaters zumeist verfallen würde (vgl. Urteil des 5. Senats vom 29. Juni 1989 - 5 RJ 23/88 - BSGE 65, 181, 183 = SozR 2200 § 1251a Nr. 4). Daß auch hierbei der Gesetzgeber nicht umfassend die Frage erwogen hat, wann eine Erklärung nur eines Ehegatten ausreichend sein soll, ergibt die weitere Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Nachdem der 5. Senat (a.a.O.) entschieden hatte, daß die entsprechende Möglichkeit für die Mutter, nach dem Tode des versicherten Vaters allein die Erklärung abzugeben, nicht gewollt gewesen sei, hat der Gesetzgeber des RRG 1992 durch "authentische Interpretation" des § 1251a Abs. 2 Satz 2 RVO = § 28a Abs. 2 Satz 2 AVG mit Wirkung ab 1. Januar 1986 klargestellt, daß das Fehlen eines entsprechenden alleinigen Erklärungsrechts der Mutter nicht seiner Regelungsabsicht entsprochen hat (Art 6 Nr. 18, Art 7 Nr. 2 und Art 85 Abs. 2 RRG 1992).

Schon im Hinblick hierauf, aber auch wegen des unterschiedlichen Regelungsgegenstandes der Kindererziehungszeiten (Anrechnung von Kindererziehungszeiten beim Vater statt bei der Mutter) und des unterschiedlichen Erklärungsinhalts (die Erklärung, der Vater habe das Kind überwiegend erzogen, betrifft eine Tatsache und soll der Beweiserleichterung dienen) können - negative - Schlußfolgerungen aus § 1251a Abs. 2 Satz 2 RVO bzw. § 28a Abs. 2 Satz 2 AVG hinsichtlich der Auslegung des Art 2 § 18 Abs. 3 ArVNG bzw. Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG nicht gezogen werden. Eher ist die umgekehrte Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß dann, wenn schon die übereinstimmende Erklärung hinsichtlich der überwiegenden Erziehung durch den Vater von einem Elternteil nach dem Tod des anderen allein abgegeben werden kann, dies um so mehr im Rahmen des Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG zu gelten hätte. Denn in diesen Fällen bedeutet der Verlust des Wahlrechts für den überlebenden Ehegatten, daß es wegen der Anrechnung eigenen Einkommens häufig zu einer erheblich geringeren Hinterbliebenenrente oder gar zu deren völligem Ruhen kommen wird.

Nach allem ist Art 2 § 17a Abs. 2 AnVNG bereits im Wege der teleologischen Extension - einfachrechtlich - dahingehend auszulegen, daß die Erklärung zugunsten der Anwendung des alten Rechts nach dem vor dem 31. Dezember 1988 eingetretenen Tod eines Ehegatten von dem anderen Ehegatten allein abgegeben werden kann, sofern der Verstorbene zu seinen Lebzeiten eine entsprechende Erklärung noch nicht oder nicht wirksam abgegeben hatte. An dieser Entscheidung sieht der erkennende Senat sich auch nicht dadurch gehindert, daß der 5. Senat des BSG zu der § 17a Abs. 2 Satz 1 AnVNG entsprechenden Regelung in § 18 Abs. 3 Satz 1 ArVNG gegenteilig entschieden hat. Denn der 5. Senat hat auf die Anfragen des erkennenden Senats vom 20. Juni 1990 (in den Streitsachen 1 RA 41/88, 55/88, 71/89 und 13/90) sowie des 4. Senats vom 16. August 1990 (in den Streitsachen 4 RA 79/88, 2/89, 2/90, 6/90, 34/90 und 36/90) mit Beschluß vom 12. September 1990 ausgesprochen, daß er an seiner in den Urteilen vom 6. September 1989 (5 RJ 70/88), 15. November 1989 (5 RJ 60/88) und 16. November 1989 (5 RJ 71/88) vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festhält. Auf die vom erkennenden und 4. Senat in den genannten Anfragen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vom 5. Senat gefundene Auslegung braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden. Denn mit der hier vertretenen Auslegung ist bereits "einfachrechtlich", also ohne eine verfassungskonforme Auslegung, eine Lösung gefunden, der verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegenstehen.

Nach allem war der Revision der Klägerin stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518916

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