Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerdeeinlegung in elektronischer Form. Schriftformerfordernis. Übermittlung der Beschwerdeschrift per PDF-Datei als Anhang einer E-Mail

 

Leitsatz (amtlich)

Auch eine als Anhang einer E-Mail übermittelte PDF-Datei, die ein handschriftlich unterzeichnetes Schriftstück abbildet, genügt derzeit nicht dem in § 173 SGG geregelten Schriftformerfordernis. Die Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98 = SozR 3-1750 § 130 Nr 1 = NJW 2000, 2340) zum so genannten Computerfax ist insoweit nicht übertragbar.

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Am 26.12.2011 ging beim Sozialgericht München eine E-Mail ein. Als Absender war die Adresse "r.-online.de" angegeben. Dieser war als Anhang eine so genannte PDF-Datei beigefügt, welche einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Unterschrift der Antragstellerin enthielt.

Das Sozialgericht druckte die E-Mail samt Anhang aus und vergab das Aktenzeichen S 50 SO 700/11 ER. Mit Beschluss vom 9. Januar 2012 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Er sei unzulässig, weil er nicht dem Formerfordernis der Schriftlichkeit (§ 90 SGG) genüge.

Am 19.01.2012 ging beim Bayerischen Landessozialgericht eine E-Mail ein. Als Absender war auch hier die Adresse "r.-online.de" angegeben. Die Nachricht war an das Sozialgericht München und in "Kopie (Cc)" an das Landessozialgericht gerichtet. Als Anhang war eine so genannte PDF-Datei beigefügt, welche eine Beschwerde, einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Unterschrift der Antragstellerin enthielt. Die Poststelle des Landessozialgerichts druckte die E-Mail samt Anlage aus; es wurde das Aktenzeichen L 8 SO 9/12 B ER vergeben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der erforderlichen Schriftform eingegangen ist.

Nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt wird. Das Erfordernis der schriftlichen Einlegung bedeutet auch, dass ein eigenhändig unterschriebener Schriftsatz vorgelegt werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 BGB sowie Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 173 Rn. 3). Eine Vorschrift, die das Unterschriftserfordernis relativiert (wie § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG für die Klage: "Die Klage soll ... unterzeichnet sein"), gibt es bei der Beschwerde nicht.

Die Schriftform ist im vorliegenden Fall nicht gewahrt.

1. Die Zusendung einer E-mail genügt dem Erfordernis der Schriftform nicht.

Nach § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG können dem Gericht elektronische Dokumente übermittelt werden, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung zugelassen worden ist. Es gibt in Bayern keine derartige Rechtsverordnung. Daher können keine verfahrenserheblichen Schriftsätze durch E-Mail eingereicht werden (Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 65a Rn. 4). Dies gilt sowohl für die Beschwerde als auch für den erstinstanzlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Auch der erstinstanzliche Eilantrag ist in elektronischer Form nur unter den Voraussetzungen von § 65a SGG möglich (Bayer. LSG, Beschluss vom 9. März 2011 [L 7 AS 151/11 B ER] m.w.N.; siehe auch Bayer. LSG, Urteil vom 29. März 2011 [L 8 AS 75/11]).

Im Übrigen müsste eine E-Mail, die einem unterzeichneten Schriftstück gleichstehen soll, nach § 65a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder in einem anderen zugelassenen sicheren Verfahren übermittelt worden sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

2. Auch die Beifügung einer so genannten PDF-Datei, auf der die Unterschrift der Antragstellerin enthält, genügt dem Erfordernis der Schriftform nicht.

Dabei handelt es sich nicht um die elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Telefax-Empfangsgerät des Gerichts ("Computerfax"), die nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 5. April 2000, GmS-OGB 1/98, insbesondere Rn. 16 bei "juris") dem Schriftformerfordernis genügt. Der Gemeinsame Senat hat ausgeführt, maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch übermittelten Schriftsatzes sei nicht eine etwa beim Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im Textverarbeitungs-PC befindliche Datei, sondern allein die auf seine Veranlassu...

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