Leitsatz (amtlich)

In Prozessen mit Vertretungszwang können bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 519, 130 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Sinzig

 

Gründe

I.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Vollstreckungsbescheid erwirkt, den das Landgericht nach Einspruch der Beklagten aufrechterhalten hat. Die Begründung der dagegen gerichteten Berufung wurde am letzten Tag der Frist durch sogenanntes Computerfax mit eingescannter Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten übermittelt. Eine inhaltsgleiche vom Prozeßbevollmächtigten eigenhändig unterzeichnete Berufungsbegründung ging am nächsten Tage ein. Er hat hierzu erklärt: Der Schriftsatz sei am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist ausgedruckt, von ihm unterzeichnet und zur Post gegeben worden. Da das zentrale Fax-Gerät an diesem Tage überlastet oder gestört gewesen sei, habe er sein Einverständnis erklärt, zur Wahrung der Frist den Schriftsatz nicht – wie vorgesehen – durch Telefax, sondern per Computerfax mit eingescannter Unterschrift dem Gericht zu übermitteln.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW 1998, 1650 f. abgedruckt ist, hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Rechtsmittel sei nicht rechtzeitig begründet worden. Die durch Computerfax übermittelte Begründung sei wegen fehlender Unterzeichnung durch den Prozeßbevollmächtigten unwirksam. Der am nächsten Tag übermittelte Schriftsatz sei nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen.

2. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und möchte deshalb die nach § 547 ZPO unbeschränkt zulässige Revision zurückweisen. Er sieht sich an einer solchen Entscheidung gehindert, weil er damit von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts abweichen würde.

3. a) Der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat mit Beschluß vom 19. Dezember 1994 – 5 B 79/94, NJW 1995, 2121 entschieden, daß die Zulässigkeit einer im Wege der „Btx-Mitteilung” erhobenen Klage nicht notwendig daran scheitert, daß es bei Inanspruchnahme dieses Übermittlungsweges technisch nicht möglich ist, die eigenhändige Unterschrift des Urhebers des Klageschriftsatzes zu übermitteln, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt. Der Senat hat sich damit der Auffassung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 6. Dezember 1988 BVerwG 9 C 40/87, BVerwGE 81, 32, 40) angeschlossen.

b) Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat sich in seinem Beschluß vom 15. Oktober 1996 – 14 BEg 9/96, MDR 1997, 374 der Meinung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Fall angeschlossen, in dem eine Berufungsschrift auf dem häuslichen PC der Klägerin erstellt und mittels PC-Modem an das Telefax-Empfangsgerät des Landessozialgerichts übermittelt worden war (Computer-Fax). Der dort entstandene Ausdruck endete mit dem Namen und der Anschrift der Klägerin sowie dem Hinweis „Dieser Brief wurde maschinell erstellt, wird nicht eigenhändig unterschrieben.”

c) Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs hat unter Hinweis auf die vorgenannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts mit Beschluß vom 11. November 1997 – VII B 108/97, BFH/NV 1998, 604 die Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers für wirksam erachtet, die dem Bundesfinanzhof durch ein Computerfax übermittelt worden war, das am Ende nur den Namen des Prozeßbevollmächtigten in Maschinenschrift mit dem Zusatz enthielt „Dieses Fax wurde durch elektronische Medien übermittelt und trägt deshalb keine Unterschrift.” Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung in seinem Vorlagebeschluß noch nicht berücksichtigt.

4. Die Parteien des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit sich zur Sache zu äußern. Sie haben auf eine mündliche Verhandlung vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes übereinstimmend verzichtet.

II.

Die Vorlage ist zulässig (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes –RsprEinhG- vom 19. Juni 1968 –BGBl I S. 661). Die vom vorlegenden Senat angenommene Divergenzlage ist nicht zu verneinen, da es sich um vergleichbare, in ihren rechtlichen Voraussetzungen übereinstimmende Vorgänge handelt, die im Interesse der Rechtssicherheit einheitlich beantwortet werden müssen (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, NJW 1980, 172, 173). Regelungsgegenstand ist das Schriftformerfordernis für bestimmende Schriftsätze (vgl. dazu BGHZ 75, 340, 343). Die unterschiedliche Auslegung dieses Grundsatzes erfordert die Entscheidung des Gemeinsamen Senats.

III.

Der Gemei...

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