Leitsatz (amtlich)

  • Der Arbeitnehmer ist mangels gegenteiliger Vereinbarungen verpflichtet, dem Arbeitgeber die Lohnsteuer zu erstatten, für die der Arbeitgeber vom Finanzamt zu Recht in Anspruch genommen wird (vgl. BAG 9,105 ff. = AP Nr. 8 zu § 670 BGB).
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, in vereinbartem Umfange, andernfalls im Rahmen des Üblichen und Zumutbaren, sich um die sachgerechte Bearbeitung und Behandlung der Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer zu bemühen und ungerechtfertigte Nachversteuerungsansinnen der Finanzverwaltung abzulehnen. Der Arbeitnehmer muß dabei unter Umständen mitwirken, weil er der eigentliche Steuerschuldner ist; gegebenenfalls muß er auch von eigenen steuerlichen Rechtsbehelfen gegen den sich gegen den Arbeitgeber richtenden Haftungsbescheid Gebrauch machen. Solche steuerliche Rechtsbehelfe sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auch für diesen Fall für den Arbeitnehmer gegeben.
  • Der Arbeitgeber muß in aller Regel den Arbeitnehmer von einer drohenden und geschehenen Nachversteuerung unterrichten, damit dieser die Möglichkeit hat, selbst zu ihrer Abwehr tätig zu werden.
  • Führt eine im Sinne von Leitsatz 2 ordnungsmäßige Bearbeitung und Behandlung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber nicht zur Ausschöpfung aller theoretisch möglichen Steuervergünstigungen für den Arbeitnehmer, so geht das dadurch gegebene Steuerrisiko zu Lasten des Arbeitnehmers. Deshalb muß ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch solche Lohnsteuerbeträge erstatten, zu denen dieser trotz ordnungsmäßiger Bearbeitung und Behandlung herangezogen worden ist.
  • Für den Fall der Auseinandersetzung mit dem Finanzamt müssen sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer auf die Sicherung der erforderlichen Unterlagen Bedacht nehmen.
 

Normenkette

BGB §§ 670, 276, 611; EStG § 38; LStDV § 4 Ziff. 2, § 46; RAO § 152 Abs. 2 Ziff. 1; RAO § 152 Abs. 2 Ziff. 241

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 03.02.1959; Aktenzeichen 5 Sa 717/58)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts – 5. Kammer – in Hamm (Westf.) vom 3. Februar 1959 – 5 Sa 717/58 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

1. Der Beklagte war bei der Klägerin – einer Molkerei-Genossenschaft – bis zum 31. Dezember 1956 als Angestellter tätig. In der Zeit vom 1. Januar 1952 bis 31. Dezember 1955 war er als Verkaufsfahrer eingesetzt. Aus Anlaß dieser seiner Tätigkeit erhielt er von der Klägerin einen arbeitstäglichen Spesenzuschuß von 5.– DM, und zwar unabhängig davon, ob ihm in dieser Höhe entsprechende Unkosten tatsächlich jeweils entstanden waren oder nicht. Für diesen Spesenzuschuß führte die Klägerin für den Beklagten keine Lohnsteuer bzw. kein Notopfer Berlin und keine Kirchensteuer ab. Anläßlich einer Lohnsteuerüberprüfung bei der Klägerin im April und Juni 1956 erkannte das zuständige Finanzamt in bezug auf den Beklagten nur ein arbeitstägliches Spesenpauschale von 2.– DM als lohnsteuerfrei an. Soweit dem Beklagten in den Jahren 1952 bis 1955 ein höherer Spesensatz von der Klägerin steuerfrei gewährt worden war, errechnete das Finanzamt einen Rückstand an Lohnsteuer, Notopfer Berlin und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 1.073,98 DM, für den sie die Klägerin mit einem Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 29. Juni 1956 gemäß § 46 LStDVO in Anspruch nahm. Da die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin zusammen mit ihrem Steuerberater die Einlegung eines Rechtsmittels für aussichtslos hielten, zahlte die Klägerin diesen Betrag an das Finanzamt. Mit der am 17. Juli 1957 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin von dem Beklagten Erstattung dieses Betrages verlangt. Bis dahin hatte sie den Ausgang eines anderen Lohnsteuerrechtsstreites beim Arbeitsgericht Hagen abgewartet.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Klägerin habe sich eine rechtsirrige Auffassung des Prüfungsbeamten der Finanzbehörde zu eigen gemacht und angenommen, hinsichtlich der Steuerfreiheit der Spesen sei er genau so zu behandeln wie ein Kraftfahrer. Seine Verkaufsfahrertätigkeit sei aber dahingegangen, wie ein Handelsvertreter etwa 150 – 160 verschiedene Artikel der Klägerin zu vertreiben und dabei für die Klägerin neue Kunden zu werben. Bis zum 31. Dezember 1951 sei vom Finanzamt anerkannt worden, daß dem Beklagten monatlich ein steuerfreies Spesenpauschale von 150 – 180 DM zustehe. Auf den gleichen Standpunkt habe sich das Finanzamt für das Kalenderjahr 1956 gestellt. Nur deshalb, weil die Klägerin sich kritiklos der für den Beklagten ungünstigen, aber irrigen Ansicht des Prüfers des Finanzamtes gebeugt und es unterlassen habe, den Beklagten auf die Stellungnahme des Finanzamtes hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Einlegung eines Rechtsmittels zu geben, sei es zu dem für die Klägerin ungünstigen Steuerhaftungsbescheid gekommen. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe deshalb die ihr obliegenden Fürsorgepflichten verletzt, so daß sie von ihm keine Erstattung des nachveranlagten Betrages verlangen könne. Der Beklagte hat ferner geltend gemacht, der von der Klägerin verfolgte Anspruch sei verwirkt. Er hat behauptet, bei seinem Ausscheiden am 31. Dezember 1956 habe die Klägerin nicht erwähnt, daß von ihm noch Steuern nachzuzahlen seien. Lediglich 6 – 8 Wochen vorher habe der Geschäftsführer der Klägerin, K…, anläßlich einer Betriebsbesprechung der Warenabteilung beiläufig erwähnt, das Finanzamt habe wegen der Spesen Schwierigkeiten gemacht und u. U. müßten deshalb die bei der Klägerin angestellten Verkäufer der Klägerin noch Steuern erstatten. Daraufhin hätten die Verkäufer erklärt, sie hätten doch inzwischen den alten Spesensatz von dem Finanzamt wieder zugebilligt erhalten; bei der Nachveranlagung müsse es sich somit um einen Irrtum des Finanzamtes handeln, und die Geschäftsleitung der Klägerin müsse daher noch einmal nachhaken.

Schließlich hat der Beklagte noch geltend gemacht, er würde Ansprüche aus Überstundenarbeit zur Aufrechnung gestellt haben, wenn er bei seinem Ausscheiden gewußt haben würde, daß er noch Steuern zu erstatten habe. Die Beträge für Überstunden würden jetzt ausdrücklich zur Aufrechnung gestellt. Gegenüber etwaigen Überstundenvergütungsansprüchen des Beklagten hat die Klägerin die Einrede der Verjährung erhoben.

In den beiden Vorinstanzen ist der Beklagte unterlegen. Mit der Revision verfolgt er das Ziel der Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, für das Jahr 1952 habe ein ministerieller Erlaß vom 4. November 1952 und für die Jahre 1953 bis 1955 hätten die für diese Jahre geltenden Lohnsteuerrichtlinien für die Tätigkeit des Beklagten nur einen Spesenbetrag von 1,50 DM pro Arbeitstag als lohnsteuerfrei vorgesehen. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb angenommen, die Klägerin habe nach der zudem noch geschehenen Befragung ihres Steuerberaters ohne Schuldvorwurf annehmen dürfen, das erhobene Nachversteuerungsverlangen des Finanzamtes sei gerechtfertigt. Deshalb habe sie gegen die nachträgliche Inanspruchnahme kein Rechtsmittel einzulegen und auch den Beklagten nicht entsprechend zu unterrichten brauchen, um ihm die Einlegung eines Rechtsmittels zu ermöglichen. Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wie sie in BAG AP Nr. 1 zu § 670 BGB und BAG 7, 1 ff. = AP Nr. 7 zu § 670 BGB enthalten ist, angenommen, daß der Beklagte der Klägerin den streitigen Betrag erstatten müsse.

II. Es dient der Klarstellung, zu dieser Begründung des Landesarbeitsgerichts folgendes vorweg zu erörtern:

1. Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 6, 52 ff. = AP Nr. 5 zu § 670 BGB; BAG 7, 1 ff. = AP Nr. 7 zu § 670 BGB; BAG 9, 105 ff. = AP Nr. 8 zu § 670 BGB; vgl. weiter AP Nr. 1, 2 und Nr. 4 zu § 670 BGB) ist davon auszugehen, daß mangels gegenteiliger Vereinbarung ein Arbeitnehmer aus einem zwischen ihm und dem Arbeitgeber bestehenden Legalschuldverhältnis in entsprechender Anwendung von § 670 BGB verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Lohnsteuer zu erstatten, für die der Arbeitgeber vom Finanzamt zu Recht für seinen Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird (vgl. BAG 9, 105 [111] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB). Das gilt entsprechend für Beiträge zum Notopfer Berlin und für die Kirchensteuer, wie sich sinngemäß aus BAG 6, 52 [54] = AP Nr. 5 zu § 670 BGB im einzelnen ergibt. Mit der in der Literatur teilweise erhobenen, – mehr die dogmatische Begründung des Bundesarbeitsgerichts als das Ergebnis angreifenden – Kritik hat sich der Senat in BAG 9, 105 ff. = AP Nr. 8 zu § 670 BGB eingehend auseinandergesetzt. Die danach noch von Schnorr von Carolsfeld in AP Anm. zu Nr. 8 zu § 670 BGB erhobenen Bedenken decken sich im wesentlichen mit den Gesichtspunkten, die dieser schon früher hervorgehoben und mit denen sich der Senat in BAG 9, 105 ff. [110] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB bereits eingehend auseinandergesetzt hat. An der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist daher festzuhalten.

2. Wenn man einmal von dem besonders gelagerten, in tatsächlicher Beziehung völlig unaufgeklärten Fall in BAG 9, 105 ff. = AP Nr. 8 zu § 670 BGB absieht, unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von den früher vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen durch folgende Besonderheit: In den früher vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen war nicht weiter zwischen den Parteien streitig, ob die Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch das Finanzamt zu Recht erfolgt war. In ihnen ging es lediglich um die Rechtsfrage, ob und mit welcher Begründung im Falle einer an sich zu Recht erfolgten Inanspruchnahme des Arbeitgebers der Arbeitnehmer diesem zu einer entsprechenden Erstattung des zu Recht nachträglich erhobenen Steuerbetrages verpflichtet sei. Im vorliegenden Fall ist dagegen streitig, ob die Nachversteuerung des Arbeitgebers selbst zu Recht erfolgt ist. Für einen solchen Fall gelten folgende Rechtssätze:

a) Angesichts der Kompliziertheit und Kasuistik unseres Lohnsteuersystems, das den Finanzbehörden zudem in vielen Fällen einen weiten Ermessensspielraum läßt, kann zu bestimmten Fragen, so insbesondere zur Frage der steuerfreien Behandlung von Spesen, ein Arbeitgeber oft begründete Zweifel haben, wie er im einzelnen richtig zu verfahren und die Lohnsteuerabzüge zu handhaben hat. Wie bereits in BAG 9, 105 ff. [111 – 113] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB im einzelnen ausgeführt, ist der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer in vereinbartem Umfang, anderenfalls im Rahmen des Üblichen und Zumutbaren, verpflichtet, sich um die sachgerechte Bearbeitung und Behandlung der Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer zu bemühen. Das verpflichtet in diesem Rahmen den Arbeitgeber auch dazu, ungerechtfertigten Nachversteuerungsansinnen der Finanzverwaltung entgegenzutreten und abzulehnen.

b) Wie ebenfalls in BAG 9, 105 ff. [111, 112] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB bereits im einzelnen ausgeführt worden ist, muß der Arbeitnehmer selbst aber an der Abwehr von ungerechtfertigten Nachversteuerungsansinnen der Finanzverwaltung mitwirken, weil er der eigentliche Steuerschuldner ist. Dem Arbeitnehmer stehen hierfür beachtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist auch der Arbeitnehmer selbst zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen den sich gegen den Arbeitgeber richtenden Lohnsteuerhaftungsbescheid befugt, wenn über die Rechtmäßigkeit einer Lohnsteuernachforderung wegen nicht vorschriftsmäßig einbehaltener Lohnsteuer gestritten wird und – wie im vorliegenden Fall nach § 38 Abs. 1 Ziffer 1 EStG und § 46 Abs. 2 Ziffer 1 LStDV in Betracht kommt – auch der Arbeitnehmer persönlich für die nachgeforderte Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann (vgl. BFH vom 3. Juli 1959 – VI 220/57 S – BStBl. 1959 III 351 [352]; BFH vom 20. März 1953 – IV 438/52 U – BStBl. 1953 III, 121; BFH vom 9. Februar 1951 – IV 347/50 S – BStBl. 1951 III 73 [74]; dazu Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO Kommentar, 1. – 4. Aufl., § 119 Anm. II Randziffer 2; zweifelnd: Kühn, RAO, 5. Aufl., 1958, § 97 Bem. 2, § 119 Bem. 3c und § 238 Bem. 1a wegen der dann sich ergebenden und vom BFH offen gelassenen Frage, wann für den Arbeitnehmer in einem solchen Fall die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird; dazu vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, aaO, § 119 Anm. II Randziffer 2: “Die Rechtsmittelfrist ist die gleiche wie die des Arbeitgebers”). Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer, wenn für ihn vom Arbeitgeber zuviel Lohnsteuer zu Unrecht abgeführt worden ist, auch die Erstattungsmöglichkeiten nach näherer Maßgabe des § 152 Abs. 2 Ziffer 1 RAO (vgl. Kühn, aaO, § 97 Bem. 2; Hübschmann-Hepp-Spitaler, aaO, § 152 zu III 1 Randziffer 7).

c) Der Pflicht des Arbeitgebers, sich im vereinbarten, anderenfalls im üblichen und zumutbaren Rahmen um die richtige Bearbeitung und Behandlung der Lohnsteuer zugunsten seines Arbeitnehmers zu bemühen, entspricht die Pflicht des Arbeitnehmers, auch das ihm seinerseits Mögliche und Zumutbare in dieser Beziehung zu tun. Diese Pflichten sind annähernd gleichgewichtig. Der Arbeitnehmer wird im allgemeinen seine Pflicht nur erfüllen können, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch entsprechende Unterrichtung auch in die Lage versetzt, seinerseits im Sinne der Abwehr der Nachversteuerung tätig zu werden. Der egoistische Impuls des Arbeitnehmers, sich Steuervorteile zu verschaffen, vermag u.U. mehr als eine betriebliche Steuerorganisation des Arbeitgebers. Dem muß der Arbeitgeber, gerade weil die Nachversteuerung letztlich zu Lasten des Arbeitnehmers gehen soll, Rechnung tragen. Es bedeutet für ihn in der Regel eine geringe und zumutbare Mühe, die ihm seine Fürsorgepflicht auferlegt, in solchen Fällen den Arbeitnehmer über die drohende und geschehene Nachveranlagung zu unterrichten und ihm die Entschließung anheim zu geben, ob er auch seinerseits von den ihm möglichen Rechtsmitteln und Behelfen gegenüber der Nachversteuerung Gebrauch macht. Ein Arbeitgeber muß daher, wenn nicht besondere Umstände gegeben sind, den Arbeitnehmer entsprechend unterrichten; die in dem angefochtenen Urteil zum Ausdruck kommende gegenteilige Auffassung ist unrichtig.

d) Ergibt sich, daß der Arbeitgeber sich in dem ihm obliegenden Umfang (vgl. oben II 2a) um die ordnungsmäßige Bearbeitung und Behandlung der Lohnsteuer seines Arbeitnehmers bemüht und dabei trotzdem eine Steuervergünstigung für seinen Arbeitnehmer verfehlt hat, so vermag das den aus der entsprechenden Anwendung von § 670 BGB sich ergebenden Lohnsteuererstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nicht zu berühren. Denn wenn § 670 BGB Aufwendungsersatz insoweit vorsieht, als der Beauftragte die Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte, so bedeutet das für den auf einer entsprechenden Anwendung von § 670 BGB beruhenden Lohnsteuererstattungsanspruch des Arbeitgebers, daß der Arbeitgeber ihn auch dann gegen den Arbeitnehmer hat, wenn er die letzten steuerlichen Feinheiten und Raffinessen zwar verfehlt hat, ihm aber nicht vorzuwerfen ist, daß er nicht das ihm Obliegende, mangels besonderer Vereinbarung also das ihm Zumutbare oder Übliche, im Interesse des Arbeitnehmers getan hat. Mit anderen Worten gesagt bedeutet das, daß der Arbeitgeber zwar das ihm den Umständen nach Obliegende zur Erlangung von Lohnsteuervergünstigungen für seinen Arbeitnehmer tun muß, daß er aber seinen Lohnsteuererstattungsanspruch nicht dadurch verliert, daß das von ihm pflichtgerecht Veranlaßte nicht alle erdenklichen steuerlichen Möglichkeiten ausschöpfte und dadurch der Arbeitnehmer nicht in den Genuß der Vorteile kommt, die theoretisch denkbar sind. Es genügt also, wenn die normale Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Arbeitgebers gewahrt worden ist. Das im Bereich des Nichtzumutbaren erfolgende Fehlgehen des Arbeitgebers geht somit zu Lasten des Arbeitnehmers, der es entweder mit den oben zu II 2b dieser Entscheidungsgründe genannten Rechtsbehelfen selbst auffangen oder anderenfalls als eine Art “Steuerrisiko” ebenso wie jeder andere Private tragen muß, der es unterläßt oder der nicht in der Lage ist, alle denkbaren theaetischen Steuervorteile für sich auszunutzen (zum Steuerrisiko vgl. insoweit auch BAG 9, 105 ff. [111, 112] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB).

3. Aus dem Vorstehenden zu Ziffer II 1 und 2 dieser Entscheidungsgründe Ausgeführten folgt somit, daß es für die Berechtigung des von der Klägerin verfolgten Lohnsteuererstattungsanspruches darauf ankommt, ob die Nachversteuerung zu Recht erfolgt ist oder ob die Klägerin jedenfalls das ihr Obliegende, also mangels besonderer Vereinbarung das Übliche und Zumutbare getan hat, um das Nachversteuerungsansinnen der Finanzverwaltung abzuwehren. Sollte das zutreffen, so kann die Unterlassung der Verständigung des Beklagten über die geschehene Nachversteuerung nur dann Bedeutung gewinnen, wenn sich ergeben würde, daß bei geschehener Verständigung der Beklagte eine andere Spesenregelung doch noch erreicht hätte, als sie in der Nachversteuerung vom 29. Juni 1956 geschehen ist.

Dem Landesarbeitsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß mit der von ihm gegebenen Begründung feststehe, die Nachversteuerung sei zu Recht erfolgt oder die Klägerin habe anläßlich des Nachversteuerungsverlangens der Finanzverwaltung mangels besonderer Vereinbarung das Übliche und ihr Zumutbare in bezug auf die dabei im Spiel stehenden Interessen des Beklagten getan. Das ergibt sich aus folgendem:

Die Lohnsteuerdurchführungsverordnung in der für die Jahre 1952 – 1955 geltenden, insoweit übereinstimmenden Fassung (für 1952 und 1953 vgl. BGBl. 1952 I S. 97 ff., 598 ff., 848; für 1954 vgl. BGBl. 1953 I S. 1524 ff.; für 1955 vgl. BGBl. 1955 I S. 542 ff.) bestimmt in § 4 Ziffer 2, daß die Beträge, die den im privaten Dienst angestellten Personen für Reisekosten (Tagegelder und Übernachtungsgelder) gezahlt werden, insoweit nicht zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitseinkommen gehören, als sie die durch die Reise entstandenen Mehraufwendungen nicht übersteigen. Die für die Jahre 1952 – 1955 ergangenen Lohnsteuerrichtlinien (LR), die kein materielles Recht, sondern Verwaltungsanordnungen der Finanzverwaltungen an die ihr nachgeordneten Finanzämter enthalten, sehen im einzelnen, teilweise in sehr verwickelter Weise, vor, welche Reisekosten im Sinne von § 4 Ziffer 2 LStDV von den Finanzämtern als lohnsteuerfrei angesehen werden sollen, wobei den Finanzämtern ein weitgehendes Ermessen eingeräumt ist (vgl. Nr. 21 und Nr. 22 der LR 1952 und 1953 – BStBl. 1952 I S. 129 ff., 1953 I S. 116 ff.; – Nr. 21 und Nr. 22 der LR 1954 – BStBl. 1953, I 537 ff. –; Nr. 21 und Nr. 22 der LR 1955 – BStBl. 1955 I S. 489 ff. –).

Das Landesarbeitsgericht hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, für die Frage, ob die Nachversteuerung zu Recht erfolgt ist oder ob die Klägerin das Übliche und das ihr Zumutbare bei der Wahrnehmung der Interessen des Beklagten getan hat, für die Jahre 1952 und 1953 von einem nicht näher zu ermittelnden Ministerialerlaß vom 4. November 1952 und für die Jahre 1954 und 1955 vom letzten Absatz der Nr. 21 der LR 1954 und 1955 auszugehen und deshalb gegen den Beklagten in Betracht zu ziehen, er müsse sich wie ein Stadt- und Platzreisender in Städten von mehr als 200.000 Einwohnern behandeln lassen, für den für jeden außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte verbrachten Arbeitstag ein Betrag von 1,50 DM ohne Einzelnachweis als Werbungskosten anerkannt werden könnte.

Es ist jedoch den Feststellungen des angefochtenen Urteils schon nicht zu entnehmen, welcher Art die Tätigkeit des Beklagten im einzelnen überhaupt war. Von seiner Tätigkeit steht in tatsächlicher Beziehung nur fest, daß er Verkaufsfahrer der Klägerin war. Ob sich seine Verkaufsfahrertätigkeit nur innerhalb einer Stadt oder auch, was bei einer Verkaufsfahrertätigkeit für eine Molkereigenossenschaft für den Bereich von H… und E… immerhin nahe liegt, außerhalb einer Stadt abspielte, ist den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Schon wegen dieser Zweifel muß es in vielerlei Beziehung möglich erscheinen, daß die Klägerin bei gehöriger Verdeutlichung der Tätigkeit des Beklagten, die ihr ja bekannt war, gegenüber dem Lohnsteuerprüfungsbeamten für den Beklagten günstigere Steuerbedingungen hätte erreichen können.

Auch müßte aufgeklärt werden, warum für die Jahre 1952 bis 1955 die Klägerin nicht so verfahren ist, wie es für diese Jahre Nr. 21 Abs. 7 der LR 1952 – 1955 einem Arbeitgeber möglich machten. Danach konnten Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern feste Spesensätze zahlten, wie das nach dem Sachvortrag des Beklagten für die in der Verkaufsabteilung der Klägerin tätigen Arbeitnehmer für die Jahre 1950 bis 1956 der Fall gewesen sein soll, mit dem zuständigen Finanzamt in Verbindung treten und die den betreffenden Arbeitnehmern gewährten Spesensätze glaubhaft machen. Damit konnte weitgehend erreicht werden, daß nachträgliche Anzweifelungen der Berechtigung der Höhe der gewährten Spesensätze aus Anlaß von Lohnsteuerprüfungen unterblieben.

Aus den oben zu Ziffer II 2b erörterten Gründen kann auch nicht unaufgeklärt bleiben, warum der Beklagte nicht seinerseits sich um eine eigene Abwehr der aus der Nachversteuerung ihm drohenden Folgen bemüht hat. Aus seiner eigenen Darstellung ist zu entnehmen, daß der Beklagte sechs bis acht Wochen vor seinem Ausscheiden bei der Klägerin, also etwa November 1956, von der Nachversteuerung vom 29. Juni 1956 immerhin erfahren hat. Unter diesen Umständen kommt in Betracht, daß der Beklagte, der zu der Nachversteuerung der Klägerin nicht im Sinne von § 241 Abs. 2, 3 RAO zugezogen war, von den oben zu Ziffer II 2b dieser Entscheidungsgrunde erwähnten Rechtsbehelfen noch zu dieser Zeit hätte Gebrauch machen können, um der ihm obliegenden eigenen Abwehrpflicht gegenüber ungerechtfertigten Nachversteuerungsansinnen zu genügen.

4. Die vorstehend zu Ziffer 3 dieser Entscheidungsgründe aufgeführten Unklarheiten in tatsächlicher Beziehung verbieten es, anzunehmen, daß das Landesarbeitsgericht ohne denkbaren Rechtsfehler im Sinne von §§ 549 Abs. 1, 550 ZPO angenommen hat, die Klägerin habe bei der Nachveranlagung das Übliche und ihr Zumutbare getan, um die Interessen des Beklagten zu wahren. Da das Revisionsgericht die erforderlichen Klarstellungen selbst nicht vornehmen kann, macht das gemäß § 565 Abs. 1 und Abs. 3 Ziffer 1 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz notwendig; dieser ist für die fernere Behandlung der Sache mit dem in diesem Urteil Gesagten in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung im übrigen dasjenige an die Hand gegeben, was sich bei dem bisher nicht genügend aufgeklärten Sachverhalt sagen läßt. Sollte es bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung auf die Frage ankommen, inwieweit es zur Nachversteuerung deswegen gekommen ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Belege für die dem Beklagten gewährten Spesen fehlten, so wird das Landesarbeitsgericht beachten müssen, daß unter Umständen sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer das Vorhandensein der Unterlagen sicherstellen müssen, die im Fall einer Auseinandersetzung mit dem Finanzamt erforderlich sind. Insoweit wird auf das in BAG 9, 105 ff. [111 – 113] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB Ausgeführte verwiesen. Sollte es schließlich bei der erneuten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts noch auf die weitere Frage ankommen, inwieweit der Beklagte mit Vergütungsansprüchen für Überstunden aufrechnen kann, so wird das Landesarbeitsgericht auch § 390 Satz 2 BGB beachten müssen, den es bisher anscheinend übersehen hat.

 

Unterschriften

Dr. Boldt, Dr. Stumpf, Dr. Holschemacher, Dr. Hofmann, Frey

 

Fundstellen

Haufe-Index 1457538

BAGE, 73

NJW 1961, 1326

MDR 1961, 631

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