Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung zuviel gezahltem Urlaubsentgelts - Aufrechnung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 5 Abs 3 BUrlG kann das zuviel gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und er mehr als den in § 5 Abs 1 Buchst c BUrlG vorgesehenen Urlaub erhalten hat.

2. Ein Rückforderungsanspruch nach § 13 Abs 1 Nr 6 des Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer in den Bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 18.10.1982 setzt voraus, daß der Arbeitnehmer "nach Gewährung des ganzen Jahresurlaubs" ausscheidet.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB §§ 387, 394, 611; ZPO §§ 850 a, 850 c, 850 e; BUrlG § 5 Abs. 3, 1 Buchst. c

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 26.08.1987; Aktenzeichen 8 (9) Sa 573/86)

ArbG Regensburg (Entscheidung vom 09.07.1986; Aktenzeichen 6 (2) Ca 1168/83 S)

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer in den Bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 18. Oktober 1982 (MTV) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:

"§ 13

Urlaub

I. Allgemeine Bestimmungen

....

3. Arbeitnehmer, die im Laufe eines Kalender-

jahres eintreten oder ausscheiden, erhalten

je vollen Monat der Betriebszugehörigkeit

1/12 des Jahresurlaubs.

....

6. Scheidet ein Arbeitnehmer aufgrund eigener

Kündigung oder infolge fristloser Entlassung

durch den Arbeitgeber vor Beendigung des

Urlaubsjahres nach Gewährung des ganzen

Jahresurlaubs aus, so hat er dem Arbeitgeber

den zuviel genommenen Urlaub anteilig zurück-

zuzahlen, es sei denn, das Ausscheiden erfolgt

wegen Invalidität.

....

III. Urlaubsgeld

....

3. Das ganze Urlaubsgeld ist vor Urlaubsan-

tritt zu zahlen. Es wird fällig, wenn

mindestens die Hälfte des dem Arbeit-

nehmer tariflich zustehenden Urlaubs

gewährt und genommen wird. Durch Betriebs-

vereinbarung oder Einzelvertrag kann ein

anderer Fälligkeitstermin vereinbart werden.

....

4. Scheidet ein Arbeitnehmer vor Beendigung des

Urlaubsjahres nach Auszahlung des Urlaubs-

geldes aus, so hat er dem Arbeitgeber das

zuviel gezahlte Urlaubsgeld anteilig, bei

verschuldeter fristloser Entlassung oder

bei vertragswidriger Lösung des Arbeitsver-

hältnisses in voller Höhe als Gehalts- bzw.

Lohnvorschuß zurückzuzahlen, es sei denn, das

Ausscheiden erfolgt wegen Invalidität. Eine

Einbehaltung bei der Endabrechnung ist

zulässig."

Das Arbeitsverhältnis endete am 8. April 1983 durch eine von dem Kläger ausgesprochene Kündigung. Bis zu seinem Ausscheiden hatte der Kläger 12 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 1983 erhalten. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses standen ihm nach § 13 I Nr. 3 MTV unstreitig für 1983 nur sechs Urlaubstage zu.

Für den Monat April 1983 errechnete die Beklagte einen Gesamtbruttoverdienst des Klägers von 1.141,04 DM. In diesem Betrag waren eine Vergütung für Überstunden, die der Kläger im Monat März 1983 geleistet hatte, in Höhe von 353,46 DM, Fahrspesen in Höhe von 45,33 DM und ein Urlaubsgeld in Höhe von 138,-- DM enthalten. Die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge betrugen insgesamt 353,53 DM. Von dem verbleibenden Nettobetrag in Höhe von 787,51 DM zog die Beklagte 468,07 DM ab, weil dem Kläger sechs der zwölf Urlaubstage zu Unrecht gewährt worden seien.

Mit der am 17. Mai 1983 erhobenen Klage hat der Kläger Zahlung dieses Betrages begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, gegen seine Lohnforderung aufzurechnen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat ihren Klageabweisungsantrag aufrechterhalten und für den Fall, daß der Aufrechnung ein gesetzliches Verbot entgegenstehe, beantragt, den Kläger zur Zahlung von 468,07 DM zu verurteilen.

Der Kläger hat Zurückweisung der Berufung und Abweisung der hilfsweise erhobenen Widerklage beantragt. Er hat geltend gemacht, die Forderung der Beklagten sei verjährt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat die Aufrechnung in Höhe von 434,71 DM als unzulässig angesehen und im übrigen die Gegenforderung der Beklagten verneint. Die Widerklage hat es, soweit über diese zu entscheiden war, als unbegründet abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsziel weiter. Hilfsweise begehrt sie die Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 434,71 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Aufrechnung der Beklagten gegen die Lohnforderung des Klägers ist unzulässig. Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Urlaubsentgelts für zuviel gewährten Urlaub.

I. Die Klage ist begründet. Der Lohnanspruch steht dem Kläger nach § 611 BGB zu.

1. Der Anspruch des Klägers ist nicht durch Leistung der Beklagten erloschen (§ 362 BGB). Die Beklagte hat das Urlaubsentgelt entgegen der Auffassung der Revision nicht als Vorschuß auf den letzten Lohn des Klägers gezahlt. Eine Abrede der Parteien, nach der das Urlaubsentgelt als Vorschuß auf den letzten Arbeitslohn des Klägers geleistet sein soll, falls ein Rückforderungsanspruch der Beklagten auf zuviel gezahltes Urlaubsentgelt nach § 13 I Nr. 6 MTV besteht, ist nicht ersichtlich.

Etwas anderes folgt entgegen der Meinung der Revision auch nicht aus § 13 III Nr. 4 MTV. Dort haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, daß ein Arbeitnehmer zuviel gezahltes Urlaubsgeld als Gehalts- bzw. Lohnvorschuß zurückzuzahlen hat und eine Einbehaltung bei der Endabrechnung zulässig ist. Eine entsprechende Tarifbestimmung für das Urlaubsentgelt fehlt (vgl. § 13 I Nr. 6). Die für das Urlaubsgeld getroffene Regelung kann auf das Urlaubsentgelt nicht entsprechend angewendet werden. Beide Leistungen werden vom Gesetzgeber hinsichtlich Pfändung und Aufrechnung unterschiedlich behandelt. Das Urlaubsgeld gehört im Gegensatz zum Urlaubsentgelt zu den absolut unpfändbaren Bezügen (§ 850 a Nr. 2 ZPO) mit der Folge des Aufrechnungsverbots nach § 394 BGB. Dies erklärt die unterschiedliche Behandlung von Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld im Tarifvertrag.

2. Der Anspruch des Klägers ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten erloschen (§ 389 BGB). Die Aufrechnung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in voller Höhe unzulässig.

Nach § 394 BGB findet eine Aufrechnung gegen eine Forderung nicht statt, soweit diese der Pfändung nicht unterworfen ist. In Geld zahlbare Arbeitseinkommen können nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 i ZPO gepfändet werden (§ 850 Abs. 1 ZPO).

a) Bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ist das Landesarbeitsgericht zu Recht von einem Bruttoeinkommen des Klägers von 1.141,04 DM ausgegangen. Hiervon hat es zutreffend als nach § 850 a ZPO unpfändbare Beträge die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 176,73 DM, das Urlaubsgeld in Höhe von 138,-- DM und die Fahrspesen in Höhe von 45,33 DM abgezogen. Außerdem sind gemäß § 850 e Nr. 1 ZPO die Beträge nicht mitzurechnen, die aufgrund steuerrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Für die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens des Klägers verbleiben danach 427,45 DM.

b) Nicht gefolgt werden kann dem Landesarbeitsgericht, soweit es einen fiktiven Verdienst des Klägers für den gesamten Monat April ermittelt und hieraus den pfändbaren Teil errechnet hat.

Nach § 850 c ZPO ist das dem Arbeitnehmer verbleibende unpfändbare Arbeitseinkommen nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, zu berechnen. Die Lohnzahlung an den Kläger erfolgte monatlich. Nach § 850 c ZPO in Verbindung mit der der ZPO als Anlage 2 beigefügten Tabelle in der in der Zeit vom 1. April 1978 bis 31. März 1984 geltenden Fassung ist demnach das Arbeitseinkommen des Klägers, der vier Personen unterhaltspflichtig ist, bis zur Höhe von 1.379,99 DM unpfändbar.

Darauf, daß der Kläger im April 1983 nur noch an wenigen Tagen tätig war, kommt es nicht an. Der pfändungsfreie Teil des Lohns ist auch dann auf der Grundlage des monatlichen Auszahlungszeitraumes zu bestimmen, wenn der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum nicht voll gearbeitet hat (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 850 c Rz 9; Kurt Stöber, Forderungspfändung, 8. Aufl. 1987, Rz 1038; Boewer/Bommermann, Lohnpfändung und Lohnabtretung in Recht und Praxis, 1987, Rz 556). Das Gesetz stellt nur darauf ab, daß für den Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird. § 850 c ZPO bezweckt die Sicherung des Lebensunterhalts in dem Zeitraum, für den das Arbeitseinkommen gezahlt wird. Bei monatlicher Zahlung wird das Arbeitseinkommen für den gesamten Monat gezahlt ohne Beschränkung auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Das gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis im Lohnzahlungszeitraum beginnt oder wie hier vor dessen Ablauf endet. Es bleibt auch dann bei dem Freibetrag für den ganzen Monat (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, aaO, Rz 13; Stöber, aaO).

II. Die hilfsweise erhobene Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte kann nicht die Rückzahlung des Urlaubsentgelts für den zuviel gewährten Urlaub verlangen.

1. Dem Anspruch steht die Bestimmung des § 5 Abs. 3 BUrlG entgegen. Danach kann das zuviel gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und er mehr als den in § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG vorgesehenen Urlaub erhalten hat.

2. Entgegen der Ansicht der Revision begründet § 13 I Nr. 6 MTV den Widerklageanspruch nicht. Zwar kann in Tarifverträgen vom Rückzahlungsverbot nach § 5 Abs. 3 BUrlG abgewichen werden, soweit der gesetzliche Mindesturlaub gewährleistet bleibt (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Die tariflichen Voraussetzungen der Rückzahlung sind jedoch nicht erfüllt.

a) Ein Rückforderungsanspruch nach § 13 I Nr. 6 MTV setzt voraus, daß der Arbeitnehmer "nach Gewährung des ganzen Jahresurlaubs" ausscheidet. Daran fehlt es. Der Kläger hat unstreitig 1983 nicht den ganzen Jahresurlaub erhalten, sondern nur 12 Tage. Er ist daher nicht zur Rückzahlung überzahlten Urlaubsentgelts verpflichtet.

b) Hieran ändert § 13 III Nr. 4 MTV nichts. Diese Regelung bezieht sich nur auf die Rückzahlung überzahlten Urlaubsgelds. Unter welchen Voraussetzungen überzahltes Urlaubsentgelt zurückzuzahlen ist, regelt allein § 13 I Nr. 6 MTV.

Daß die Tarifvertragsparteien für die Berechnung der Höhe des Urlaubs- und des Urlaubsgeldanspruchs das gleiche Prinzip gewählt haben (Zwölftelung - § 13 I Nr. 3, § 13 III Nr. 1 und Nr. 2 MTV), berechtigt entgegen der Revision nicht zu dem Schluß, daß sie auch für die Rückforderung beider Leistungen gleichartige Regelungen getroffen haben.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Tarifvertragsparteien die Voraussetzungen für die Rückzahlung von Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld unterschiedlich regeln konnten. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Rückzahlung von Urlaubsentgelt nur zulässig ist, soweit sie nicht den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft. Außerdem tritt das Urlaubsgeld zum Urlaubsentgelt hinzu, stellt also eine über die durch § 1 und § 11 BUrlG geschützte Leistung hinausgehende besondere Vergütung dar. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) ist somit nicht zu beanstanden, daß die Tarifvertragsparteien das Urlaubsentgelt stärker als das Urlaubsgeld gegen Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers geschützt haben.

3. Da die Beklagte die Rückzahlung nicht verlangen kann, kann dahinstehen, ob der Anspruch nach § 18 Nr. 4 MTV verfallen oder ob er verjährt wäre.

Michels-Holl Dr. Peifer Dr. Wittek

Dr. Gaber Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441714

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge