Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristenkontrolle mittels der gerichtlichen Eingangsmitteilung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die First für den Wiedereinsetzungsantrag beginnt bei Versäumung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde in dem Zeitpunkt, in dem der Prozeßbevollmächtigte bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Fristversäumnis hätte erkennen können.
  • Dies ist bei Zugang der gerichtlichen Mitteilung über den Eingang und das Eingangsdatum des Rechtsbehelfs der Fall, denn es gehört zu den Pflichten des Prozeßbevollmächtigten, auch ohne konkreten Anhaltspunkt für eine Fristversäumnis anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung die Rechtzeitigkeit des Eingangs des Rechtsbehelfs bei Gericht zu überprüfen (so für die Berufung BAG Beschluß vom 23. Mai 1989 – 2 AZB 1/89 – AP Nr. 14 zu § 233 ZPO 1977; BGH Beschluß vom 29. Juni 1982 – VI ZB 6/82 – VersR 1982, 971 f.).
 

Normenkette

ZPO §§ 233-234; ArbGG § 72a

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.01.1994; Aktenzeichen 2 Sa 572/93)

ArbG Mainz (Urteil vom 17.03.1993; Aktenzeichen 7 Ca 2000/92)

 

Tenor

  • Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Januar 1994 – 2 Sa 572/93 – wird als unzulässig verworfen.
  • Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Das Arbeitsgericht hat seine Klage abgewiesen. Durch das im Tenor bezeichnete, dem Kläger am 23. März 1994 zugestellte, Urteil hat das Landesarbeitsgericht seine Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975 – und später zusätzlich auch auf grundsätzliche Bedeutung – gestützten Nichtzulassungsbeschwerde vom 12. April 1994, die – laut Poststempel – am 27. April 1994 in den Postverkehr gelangt und am 28. April 1994 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen ist. Durch Verfügung der Geschäftsstelle vom selben Tage wurde der Prozeßbevollmächtigte des Klägers über das Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens sowie darüber unterrichtet, daß seine Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 12. April 1994 am 28. April 1994 eingegangen sei; außerdem wurde er gebeten, alle Schriftsätze 7-fach einzureichen. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 1994 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers daraufhin drei weitere Abschriften der Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 12. April 1994 übersandt.

Nach Eingang der Vorakte beim Bundesarbeitsgericht am 30. Mai 1994 wurde der Kläger durch Verfügung vom 1. Juni 1994 auf die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, die am Montag, dem 25. April 1994 abgelaufen war, hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17. Juni 1994 gegeben. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 1994, beim Bundesarbeitsgericht eingegangen am 17. Juni 1994, hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde – beantragt und diesen Antrag zunächst mit verzögerter Beförderung seiner Beschwerdeschrift durch die Bundespost, nach einem gerichtlichen Hinweis auf die – laut Poststempel – erst am Tage vor dem Eingang der Beschwerdeschrift beim Bundesarbeitsgericht erfolgte Einlieferung der Sendung mit einem Versehen der Auszubildenden zur Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin S… B… begründet und zur Glaubhaftmachung der letzten Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages eine eidestattliche Versicherung derselben vom 5. Juli 1994 vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat die Frist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG für ihre Einlegung versäumt. Danach ist die Beschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen.

Da das Urteil des Landesarbeitsgerichts dem Kläger am 23. März 1994 zugestellt worden ist, lief die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am Montag, dem 25. April 1994, ab (§ 222 Abs. 2 ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vom 12. April 1994 ist erst am 28. April 1994 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen und damit mangels Einhaltung der gesetzlichen Frist unzulässig.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers vom 14. Juni 1994, beim Bundesarbeitsgericht eingegangen am 17. Juni 1994, kann keinen Erfolg haben, da er ebenfalls verspätet ist. Er ist nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellt worden.

Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist schon dann der Fall, wenn das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Maßgebend für den Fristbeginn ist somit der Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BGH NJW-RR 1990, 379, 380; BGH Beschluß vom 11. Juli 1986 – V ZB 14/85 – VersR 1987, 52, mit zahlreichen Nachweisen; ebenso BAG Beschluß vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 47/82 – NJW 86, 2785 (Leitsatz Nr. 3) = DB 86, 1080 (Leitsatz Nr. 3); BAG Beschluß vom 23. Mai 1989 – 2 AZB 1/89 – AP Nr. 14 zu § 233 ZPO 1977; Münch-KommZPO-Feiber, Band 1, § 234 Rz 19; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 234 Rz 3).

Der Eingang des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 14. Juni 1994 beim Bundesarbeitsgericht am 17. Juni 1994 war verspätet. Die gerichtliche Mitteilung vom 28. April 1994, die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 12. April 1994 sei am 28. April 1994 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, verbunden mit der Bitte, alle Schriftsätze 7-fach einzureichen, muß dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers spätestens am 10. Mai 1994 zugegangen sein, denn an diesem Tage hat er dem Hinweis auf die erforderliche Anzahl der einzureichenden Schriftsätze folgend, drei weitere Abschriften der Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 12. April 1994 nachgereicht. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers war somit spätestens am 10. Mai 1994 darüber unterrichtet, daß die Nichtzulassungsbeschwerde vom 12. April 1994 am 28. April 1994 und damit nicht fristgerecht beim Bundesarbeitsgericht eingegangen war. Er hätte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, daß die Frist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG versäumt war. Auch ohne einen besonderen Anlaß – wie etwa eine begründete Besorgnis, ob das Rechtsmittel rechtzeitig eingegangen war – gehört es zu den Pflichten eines Anwalts, den rechtzeitigen Eingang des Rechtsmittels zu überwachen oder durch geeignetes Personal überwachen zu lassen. Der Sinn und Zweck einer solchen gerichtlichen Mitteilung über den Eingang eines Rechtsmittels an den Rechtsmittelkläger liegt gerade auch darin, diesen instand zu setzen, die Einhaltung der Rechtsmittelfrist überprüfen zu können (BGH Beschluß vom 29. Juni 1982 – IV ZB 6/82 – VersR 1982, 971, 972; ebenso BAG Beschluß vom 3. Mai 1989 – 2 AZB 1/89 – AP, aaO), Dies gilt auch für die Mitteilung des Eingangs des Rechtsbehelfs der Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätte daher bei Zugang der gerichtlichen Verfügung vom 28. April 1994, also spätestens am 10. Mai 1994 erkennen müssen, das es notwendig sei, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO für den Wiedereinsetzungsantrag lief somit spätestens am 24. Mai 1994 ab. Der am 17. Juni 1994 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist daher verspätet. Das Verschulden seines Bevollmächtigten muß sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen.

Der im Zuge richterlicher Bearbeitung erfolgte Hinweis vom 1. Juni 1994 auf die Fristversäumnis war erst nach Eingang der Vorakte beim Bundesarbeitsgericht am 30. Mai 1994 möglich, da in der Beschwerdeschrift vom 12. April 1994 das Datum der Zustellung des anzufechtenden Urteils nicht angegeben war.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. h.c. Schaub, Dr. Friedrich, Bott

 

Fundstellen

Haufe-Index 856758

BB 1994, 1792

NZA 1995, 95

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