Ein kurzer Blick zurück: Die Diskussion zum Thema ›Arbeitszeit‹ ist nicht neu und seit jeher ein sensibles Feld.[22] Denn: Bei der Arbeitszeit buhlen der Arbeitgeber und der Mitarbeiter um dieselbe Ressource des Mitarbeiters: seine Zeit. Beide wollen von diesem endlichen Gut so viel wie möglich für sich nutzen. Dieser Interessengegensatz wird durch den demografischen Wandel (weniger nachrückende junge Menschen und damit Mitarbeiter) und durch neue Arbeitsformen stetig intensiviert.[23]

Wollen sich Unternehmen in puncto Arbeitszeit fit für die Zukunft machen, gilt es, arbeitszeitliche Lösungen zu finden, die sowohl die gegenläufigen Interessen berücksichtigen als auch selbstverständlich rechtskonform sind.

2.1 Arbeitszeitgesetz – Im Spannungsfeld von Wunsch und Wirklichkeit

Für die Arbeitszeit gibt es ein eigenes Gesetz – das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), welches zum öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz zählt. Ausgenommen sind nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Sämtliche Handlungen von Arbeitgebern hinsichtlich Gestaltung und Vereinbarungen, bezogen auf die Arbeitszeit für Mitarbeiter, müssen sich an diesem Gesetz orientieren. Wie schaut es daher tatsächlich aus mit der ›schönen, neuen Arbeitszeit‹? Was ist wirklich möglich? Und wie kann unter der oben genannten Prämisse (anpassungsfähig und rechtskonform) den derzeitigen Herausforderungen begegnet werden?

Vergleichen wir zunächst die Erfordernisse für eine möglichst uneingeschränkte Agilität und die aktuellen arbeitsrechtlichen Vorgaben:

 
Agilität erfordert Das Recht gibt vor

Einsatz jederzeit möglich

All-Erreichbarkeit: 24/7
  • Täglich 8 Stunden
  • Ausnahme: max. 10 Stunden, soweit Ausgleich erfolgt
  • Nacht-/Schichtarbeit 8 Stunden
  • Ausnahme: max. 10 Stunden, soweit Ausgleich erfolgt
  • Ruhepausen von 30 Minuten nach 6 Stunden, 45 Minuten nach 9 Stunden
  • Einhaltung von 11 Stunden Ruhezeit

    Ausnahme:

    10 Std. bei Versorgungseinrichtungen;

    9 Std. auf Grundlage von Tarifvertrag/Betriebsvereinbarung

  • Sonn- u. Feiertage: Verbot

    Ausnahmen: Versorgungsbetriebe und bei Gefahr

Flexible Gestaltung und schnelle/direkte Anpassung/kundenorientierte Gestaltung

Hier gelten alle rechtlichen Vorgaben wie oben aufgeführt und zusätzlich:

  • Arbeitsschutz
  • Arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für die Gesundheit der Mitarbeiter (nach § 618 BGB)
Anpassung an private Bedürfnisse Direktionsrecht des Arbeitgebers bezüglich Lage und Dauer von Arbeitszeit und Arbeitsort (§ 106 GewO)
Selbstbestimmung/Entscheidungshoheit Hier gelten alle rechtlichen Vorgaben wie oben aufgeführt.

Schon auf den ersten Blick zeigt sich, dass die gewünschte Flexibilität durch unser Arbeitszeitrecht eingeschränkt ist.[24] So ist es schon heute möglich, Mitarbeiter in Hochphasen an vier Tagen in der Woche für zehn Stunden einzusetzen und an einem weiteren Tag für acht Stunden.[25] Das Überschreiten der zulässigen zehn Stunden pro Arbeitstag ist jedoch nicht erlaubt und auch nicht über Gleitzeitregelungen oder Vertrauensarbeitszeit darstellbar.[26] Die Grenzen, innerhalb derer die Arbeitszeit flexibel gestaltet werden kann, sind insoweit gesetzlich zwingend vorgegeben.[27] Hier hilft es zunächst wenig, dass diese gesetzlichen Regelungen überwiegend als nicht mehr zeitgemäß angesehen werden[28] und in der Praxis auch nicht den täglichen Anforderungen entsprechen.[29] Fraglich ist aber, wie weit sich Wunsch und Wirklichkeit im Rahmen der gegebenen Verhältnisse dennoch annähern können.

[24] Eufinger/Burbach, NewWork – eine arbeitsrechtliche Standortbestimmung, DB 2019, 1147 ff.; Günther/Böglmüller: Einführung agiler Arbeitsmethoden – was ist arbeitsrechtlich zu beachten? NZA 2019, 273 ff.
[25] Lüthge, Digitalisierung und Arbeitszeit, AuA, 2016, 713.
[26] Siehe auch Interview mit Thu Pakasathanan (Sipgate) im Beitrag "Erfahrungen aus agilen Unternehmen".
[27] ErfK/Wank, 19. Aufl. 2019, ArbZG § 3 Rn. 1–5.
[28] Bissels/Krings, Dringend gebotene Reform des Arbeitszeitgesetzes, NJW 2016, 3418; Zumkeller, Alexander, BB 2015, Heft 30, S. I, Günther /Böglmüller, NZA 2015, 1025/1028.
[29] Den starken Wunsch nach einer wirklichkeitsnahen Anpassung und z. B. einer Änderung auf eine wöchentliche Arbeitszeit gibt es auch schon. Eine Umsetzung hiervon entspräche sogar der EU-Arbeitszeitrichtlinie (EU-Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG und 2003/88 EG), die ausdrücklich vorsieht, dass die täglichen acht Stunden auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden umgestellt wird. So wäre zumindest der Bezugsrahmen etwas weiter gefasst, eine stundenmäßige Beschränkung wäre immer noch vorhanden: http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_Arbeitszeitgesetz.

2.2 Direktionsrecht und Arbeitsvertrag

Der Arbeitgeber ist mittels Ausübung seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO grundsätzlich befugt, die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen einseitig festzulegen, soweit keine anderweitigen gesetzlichen, vertraglichen, betrieblichen oder tariflichen Arbeitsbedingungen vo...

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