Das BAG entschied im Februar 2011 einen Fall, der einen Mitarbeiter betraf, der sich weigerte, eine Arbeitsanweisung zu befolgen.[1] Der muslimische Mitarbeiter bestand darauf, Regale nicht mit alkoholischen Getränken zu befüllen. Er weigerte sich nicht von Anfang an, sondern erst, nachdem der Arbeitgeber ihn nach einer Versetzung in die Frischwarenabteilung und mehrfacher krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wieder zurück in die Getränkeabteilung versetzte. Hierauf offenbarte der Mitarbeiter dem Arbeitgeber einen Gewissenskonflikt mit seinen religiösen Überzeugungen. Diese verböten ihm jeglichen Umgang mit Alkohol.

Das BAG entschied den Fall nicht abschließend, da die Tatsachenfeststellungen nicht für eine abschließende Entscheidung ausreichten. Es urteilte, dass sich unter Umständen aus einem Gewissenskonflikt eines Mitarbeiters die Pflicht des Arbeitgebers ergeben kann, hierauf Rücksicht zu nehmen und entsprechend das Weisungsrecht auszuüben.

 
Hinweis

Rücksichtsnorm: Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich in § 241 Abs. 2 BGB und § 106 Satz 1 GewO i. V. m. Art. 4 Abs. 1 GG. In § 241 Abs. 2 BGB findet sich die allgemeine Rücksichtsnorm, die das BAG häufig heranzieht, um eine Pflicht des Arbeitgebers zu begründen, die weder vertraglich noch gesetzlich konkret festgehalten ist. Als Schuldverhältnis verlangt ein Arbeitsverhältnis von beiden Parteien gegenseitige Rücksichtnahme, die so weit reicht, wie das nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses geboten erscheint. Die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG kann im Wege der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO begrenzen. Legt der Mitarbeiter dar, worin genau der Gewissenskonflikt liegt und wie eine mit dem Gewissen vereinbare Tätigkeit aussehen könnte, muss der Arbeitgeber das akzeptieren, wenn der Gewissenskonflikt nicht die Einsetzbarkeit des Mitarbeiters zu stark beschneidet. Der Arbeitgeber darf dem Mitarbeiter dann nicht kündigen, weil Letzterer sich weigert, die Arbeitsanweisung, Regale mit Alkohol zu befüllen, zu befolgen. Dass der Mitarbeiter nicht von Anfang an seinen Gewissenskonflikt offenbarte, trübt diesen Befund nicht. Es erscheint plausibel, dass ein Arbeitnehmer sich zunächst darum sorgt, dass das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten bleibt und erst später sein Gewissensdruck überwiegt. Für das BAG minderte die spätere Geltendmachung nicht die Glaubwürdigkeit des Klägers.

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