Zusammenfassung

 
Überblick

Religion und Weltanschauung gehören zu den nach § 1 AGG geschützten Merkmalen, aufgrund derer eine Diskriminierung verboten ist. Fälle der Diskriminierung wegen der Religion hatten in der Vergangenheit eine gewisse gesellschaftliche Brisanz. Die Freiheit, religiöse Entscheidungen zu treffen und diese (bisweilen wortwörtlich) nach außen tragen zu dürfen, ist ein nach Art. 4 Abs. 1 GG verankertes Grundrecht, das im AGG seine (zivilrechtliche) Ausprägung erfährt.[1] Kirchliche Arbeitgeber sind jedoch ebenso Träger der Religionsfreiheit, weswegen der Gesetzgeber mit § 9 AGG eine Regelung zur zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung geschaffen hat.[2]

Dieser Beitrag zeigt die im Zusammenhang mit Religion und Weltanschauung relevanten Regelungen auf und gibt Antworten auf die Frage, wann eine Diskriminierung wegen dieses Merkmals vorliegt.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
[1] Diese Freiheit umfasst auch das Recht, nicht religiös zu sein.

1 Grundlagen zum Merkmal "Religion und Weltanschauung"

1.1 Bedeutung von Religion und Weltanschauung im Arbeitskontext

Das Merkmal Religion hat seine Bedeutung vor allem für das Kirchenarbeitsrecht. Nur dort findet die Regelung des § 9 AGG Anwendung. Diese Regelung erlaubt sogenannten Tendenzbetrieben, Mitarbeiter wegen der Religion, der sie angehören, unterschiedlich zu behandeln, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Ein kirchlicher Tendenzbetrieb kennzeichnet sich dadurch, dass er überwiegend konfessionellen Zwecken dient. Hier hat der EuGH eingegriffen, weil der nationale Gesetzgeber § 9 Abs. 1 AGG zu kirchenfreundlich gefasst hat.

Außerhalb des Kirchenarbeitsrechts ist es eher selten dazu gekommen, dass die Religion als Diskriminierungsmerkmal eine Rolle spielt. Die meisten Fälle in der Privatwirtschaft drehen sich um die Frage, ob Arbeitgeber eine weltanschauliche Neutralitätspolitik anordnen dürfen. In allen Fällen entzündete sich der Streit über die Frage, ob muslimische Mitarbeiterinnen ein Kopftuch tragen dürfen oder nicht, obwohl der Arbeitgeber das verbietet. Solange Arbeitgeber ausnahmslos jede religiöse Bekleidung verbieten, diskriminieren sie Mitarbeiterinnen nicht, wenn sie ihnen verbieten, ein Kopftuch zu tragen.

Insgesamt gibt es nur wenig Rechtsprechung zum Merkmalpaar Religion und Weltanschauung. Das könnte damit zusammenhängen, dass es meist leicht ist, polarisierende religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu verbergen. Religiöse Überzeugungen sind ein privates Thema, über das Menschen im Arbeitsalltag wenig sprechen. Gerade beim Kundenkontakt bleiben private Themen meist außen vor. Für Arbeitgeber gibt es daher selten Anlass, auf etwas zu reagieren. Müssen Arbeitgeber Mitarbeitern nichts verbieten, haben diese auch keinen Grund zu klagen. Erklären kann man die geringere Menge an Fällen auch damit, dass Religion für viele Menschen keine Rolle mehr spielt und wenn, dann eben nur privat.

1.2 Begriffe Religion und Weltanschauung

Der begriffliche Übergang der Religion zur Weltanschauung ist fließend. Aus praktischer Sicht kommt es nicht auf eine trennscharfe Definition der Merkmale an, weil sie gleichermaßen zu einem Merkmal zählen und § 9 AGG sich auf beide Begriffe bezieht. Auch ergeben sich je nach einschlägigem Merkmal keine Unterschiede bei den Rechtsfolgen.

Als Religion zählen zunächst alle 5 Weltreligionen. Der Begriff geht aber noch weiter. Das BAG hat mit der Frage, ob Scientology eine Religion ist, eine abstrakte Definition erarbeitet, die eine breite Vielzahl religiöser und weltanschaulicher Erscheinungsformen erfasst.[1] Wesentliches Merkmal einer Religion oder Weltanschauung ist demnach, dass eine Lehre Glaubenssätze aufstellt über das "Weltganze" und "zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens".[2]

 
Hinweis

Unterscheidung zwischen Religion und Weltanschauung

Religion und Weltanschauung unterscheiden sich dabei insofern, als Weltanschauungen Glaubenssätze aufstellen, die sich auf die sinnlich wahrnehmbare Welt beziehen, während Religionen Glaubenssätze aufstellen, die auch das erfassen, was die sinnlich wahrnehmbare Welt übersteigt.

Fühlt sich ein Mitarbeiter oder ein Bewerber wegen einer Mitgliedschaft zu einer Gruppierung aufgrund seiner Religion oder Weltanschauung diskriminiert, kommt es darauf an, ob die kulturelle Praxis der Gruppierung den Tatbestand der Religion gemäß Art. 4 Abs. 1, 137 WRV erfüllt.

1.3 Abgrenzung zur Meinungsfreiheit

Der "Scientology-Beschluss" erklärt, wie der Gesetzgeber die Begriffe der Religion und der Weltanschauung meint.

 
Hinweis

Einordnung von Scientology

Mit dem Beschluss stellte das BAG fest, dass es sich bei der sogenannten Scientology-"Kirche" weder um eine Religions- noch um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Der wesentliche Grund hierfür liegt darin, dass der Betrieb der Scientology-"Kirche"nahezu ausschließlich erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Inhalte selbst, die Scientology vermittelt, die Definition für rel...

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